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FinStrG 1959: § 19 Abs 3
Abstract
Das BFG hatte zu entscheiden, in welcher Höhe auf einen Wertersatz iSd § 19 FinStrG beim Import von Ukulelen ohne CITES-Zertifizierung zu erkennen war und hierfür den Begriff des gemeinen Wertes iSd § 19 Abs 3 FinStrG auszulegen. Nach Ansicht des BFG ist nicht auf den Preis einer vom Verfall bedrohten Ware, der bei ihrem Verkauf am Ort und zur Zeit des Vergehens im gewöhnlichen Geschäftsverkehr erzielt hätte werden können, abzustellen. Maßgeblich ist vielmehr derjenige Preis, den die Finanzstrafbehörde bei einer eigenen Veräußerung im gewöhnlichen Geschäftsverkehr erzielen hätte können.
BFG 13. 9. 2023, RV/1300001/2023
Sachverhalt
Der Bf war im Handel mit Musikinstrumenten tätig. Am 12. 6. 2019 führte er aus China 70 Ukulelen aus Palisanderholz nach Österreich ein. Zwar lag eine CITES-Ausfuhrbescheinigung aus China vor. Eine österreichische CITES-Einfuhrbestätigung konnte allerdings nicht vorgelegt werden. Die Voraussetzungen für die Einfuhr nach den Bestimmungen der EU-VO 338/97 über den Schutz von Exemplaren wildlebender Tier- und Pflanzenarten durch Überwachung des Handels lagen aufgrund dieser fehlenden CITES-Einfuhrgenehmigung nicht vor. Dennoch veranlasste der Bf die Einfuhr durch Unterzeichnung eines Formulars der Spedition. In diesem Formular wurde bestätigt, dass keine Verbote und Beschränkungen für den Artenhandel vorgelegen hätten.
Nach Ansicht des Zollamtes lag daher ein Finanzvergehen iSd § 8 Abs 1 Artenhandelsgesetz (ArtHG) vor. Aufgrund eines Günstigkeitsvergleiches iSd § 4 Abs 2 FinStrG – ab dem 14. 12. 2019 bestand eine Ausnahme von der Genehmigungspflicht für die Verarbeitung von Palisanderhölzern bei Musikinstrumenten – stellte jedoch der Spruchsenat I beim Zollamt Österreich das Verfahren ein. Gegen dieses Erkenntnis erhob der Amtsbeauftragte eine Beschwerde, über die in weiterer Folge das BFG zu entscheiden hatte.
Entscheidung des BFG
Eine Einstellung des Verfahrens aufgrund eines Günstigkeitsvergleiches iSd § 4 Abs 2 FinStrG ist nach Ansicht des BFG nicht zulässig. Zwar ist tatsächlich seit Dezember 2019 für die hier vorliegenden Palisanderhölzer keine CITES-Bescheinigung mehr erforderlich. Die Günstigkeitsregel des § 4 Abs 2 FinStrG betrifft jedoch nur die Änderung strafrechtlicher Vorschriften. Die Änderung im außerstrafrechtlichen Bereich ist daher unbeachtlich.
Der Bf verwirklicht vorsätzlich das Delikt des § 8 Abs 1 ArtHG. Aus der Beweiswürdigung ergibt sich nämlich, dass er von der Notwendigkeit einer CITES-Einfuhrbewilligung wusste. Dennoch veranlasste er die Einfuhr.
Eine Folge der Verwirklichung des § 8 Abs 1 ArtHG ist der Verfall (§ 8 Abs 7 ArtHG iVm § 17 FinStrG) der widerrechtlich eingeführten Ukulelen. Die Ukulelen sind allerdings bereits verkauft und können daher nicht für verfallen erklärt werden. Sie können nämlich nicht mehr beschlagnahmt oder sichergestellt werden. Daher ist der Verfall unvollziehbar. Stattdessen ist gem § 19 Abs 1 lit a FinStrG auf die Strafe des Wertersatzes zu erkennen.
Gem § 19 Abs 3 FinStrG entspricht die Höhe des Wertersatzes dem gemeinen Wert, den die dem Verfall unterliegenden Gegenstände im Zeitpunkt der Begehung des Finanzvergehens hatten. Nach bisheriger hRsp ist der gemeine Wert iSd § 19 Abs 3 FinStrG gleichzusetzen mit dem gemeinen Wert iSd Abgabenrechts und somit dem inländischen Detailverkaufspreis (OGH 9. 3. 1973, 11 Os 170/72; OGH 11. 6. 2008, 13 Os 8/08p; OGH 23. 11. 2016, 13 Os 6/16f). Hierfür ist nicht nur der reine Sachwert (Importpreis), sondern sind auch Nebenkosten und die Handelsspanne (Gewinnmarge des Händlers) entscheidend (VwGH 25. 9. 1997, 97/16/0067; VwGH 29. 11. 2001, 2001/16/0296; BFG 6. 10. 2015, RV/1300004/2014; außerdem ähnlich definiert in OGH 6. 9. 1977, 11 Os 72/77; VwGH 21. 3. 1985, 84/16/0207). Der gemeine Wert des vom Verfall bedrohten Gegenstandes bestimmt sich nach dem Preis, der beim Verkauf an dem Ort und zu der Zeit, zu der das Vergehen begangen wurde, im gewöhnlichen Geschäftsverkehr erzielt hätte werden können.
Dieser Rsp wird hier nicht gefolgt. Es muss nämlich der Normzweck des § 19 Abs 3 FinStrG berücksichtigt werden: Der Wertersatz soll als gleichwertiger Ersatz für einen Verfall angewendet werden, wenn Letzterer nicht vollziehbar ist. Durch den damit verbundenen Nutzenentzug soll das Vermögen des Täters belastet werden, es soll aber dem Täter kein „Zuschlag“ auferlegt werden. Gleichzeitig soll die Finanzstrafbehörde ein Äquivalent für den Vermögensentgang durch die Unvollziehbarkeit eines Verfalls erhalten. Daher ist als gemeiner Wert iSd § 19 Abs 3 FinStrG derjenige Wert zu verstehen, den die Finanzstrafbehörde durch eine eigene Veräußerung der verfallenen Gegenstände etwa durch Versteigerung, Freihandverkauf oder Verkauf im Internet hätte erzielen können.
Im Ergebnis wird das Erkenntnis des Spruchsenates I des Zollamtes Österreich dahingehend abgeändert, dass der Bf schuldig des Finanzvergehens nach § 8 Abs 1 Z 1 ArtHG gesprochen und ihm eine Geldstrafe und ein Wertersatz auferlegt werden. Eine Revision ist insoweit zulässig, als die Änderung der Rsp des BFG zum Begriff des gemeinen Wertes iSd § 19 Abs 3 FinStrG vom VwGH noch nicht behandelt wurde.
Conclusio
Die im vorliegenden Fall dogmatisch besonders interessante Frage ist diejenige, was unter dem gemeinen Wert iSd § 19 Abs 3 FinStrG zu verstehen ist. Die gegenständliche Entscheidung begründet eine Abkehr von der bisherigen höchstgerichtlichen Rsp, wonach auf den Händlerverkaufspreis (inländischer Detailhandelspreis) abgestellt wurde (vgl dazu die og Entscheidungen). Das BFG definiert den gemeinen Wert iSd § 19 Abs 3 FinStrG in der vorliegenden Entscheidung als den Verwertungserlös, also denjenigen Preis, den die Finanzstrafbehörde bei einer eigenen Veräußerung des Gegenstandes erzielen könnte.
Zwischen diesen beiden Preisen besteht eine Differenz; regelmäßig wird der Händlerverkaufspreis höher sein als der Verwertungserlös. So wird der zusätzliche Aufwand des Erwerbs etwa in einer Versteigerung mit einem niedrigeren Erlös im Vergleich zu einem regulären Erwerb kompensiert.
Wie auch das BFG festgestellt hat, spricht das Telos des § 19 Abs 3 FinStrG, also die Sicherstellung eines Ersatzes, im Fall eines nicht realisierbaren Verfalls für die Gleichsetzung des gemeinen Wertes mit dem Verwertungserlös (vgl dazu W. Doralt, FinStrG: Wertersatzstrafe und gemeiner Wert – OGH/VwGH gegen OGH/VwGH, ÖJZ 2019, 61 [62]). § 19 Abs 3 FinStrG bezweckt demgegenüber nicht eine Überkompensation des entgangenen Erlöses durch ein Abstellen auf den Händlerverkaufspreis. Auch die Intention des historischen Gesetzgebers ist dahingehend zu verstehen, dass durch die Strafe des Wertersatzes eine Äquivalenz, somit eine Gleichwertigkeit zwischen Verfall und Wertersatz, hergestellt werden soll, der Wertersatz also keine Bereicherungsstrafe sein soll (vgl W. Doralt, ÖJZ 2019, 61 [62 f], Verweis auf ErläutRV 295 BlgNR 8. GP).
Vor diesem Hintergrund erscheint die Abkehr von der bisherigen hRsp durch das BFG nachvollziehbar. Sie ist auch als Rückkehr zur älteren Rsp des OGH und VwGH zu verstehen (vgl zur Entwicklung der Rsp W. Doralt, ÖJZ 2019, 61 [63 ff]). Im vorliegenden Fall wurde die für zulässig erklärte Revision nicht erhoben. Eine aktuelle Stellungnahme des VwGH zur Bestimmung des Wertersatzes nach § 19 Abs 3 FinStrG bleibt daher zumindest im vorliegenden Fall aus.