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BFG zur DBA-rechtlichen Zuordnung von rückerstatteten SV-Beiträgen

Bearbeiter: Nicholas Pacher

EStG 1988: § 25 Abs 1 Z 3 lit d

ASVG: §§ 70, 70a

AIVG: § 45

DBA-DE: Art 16, 18, 21, 23 Abs 2

Abstract

Das BFG hatte zu beurteilen, inwieweit eine Rückerstattung von Pflichtbeiträgen zur österreichischen Pensions-, Kranken- und Arbeitslosenversicherung in Österreich (Ö) zu besteuern ist, wenn die Beiträge zT aufgrund eines inländischen und zT wegen eines deutschen Dienstverhältnisses zu entrichten waren und Deutschland für die Einkünfte aus letzterem Dienstverhältnis gem Art 16 DBA-DE das alleinige Besteuerungsrecht zukommt. Das Gericht erachtete eine teilweise Subsumption der Rückerstattung unter Art 16 DBA-DE als erforderlich. Zur Berechnung des freizustellenden Teils der Rückerstattung könne auf den Anteil der für das ausländische Dienstverhältnis entrichteten SV-Beiträge am Gesamtbetrag der im Beitragsjahr entrichteten SV-Beiträge abgestellt werden.

BFG 7. 11. 2022, RV/7103049/2022

Sachverhalt

Der Bf (Bf) war im streitgegenständlichen Zeitraum in Ö unbeschränkt steuerpflichtig und ansässig iSd Art 4 DBA-DE. Er bezog Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit aus zwei aufrechten Beschäftigungsverhältnissen: als Angestellter einer österreichischen GmbH und als Geschäftsführer einer deutschen GmbH. Beide Dienstverhältnisse unterlagen der österreichischen SVspflicht. Infolge Überschreitens der Höchstbeitragsgrundlage nach ASVG und AIVG kam es im Jahr 2020 zu einer Rückzahlung von SV-Beiträgen des Jahres 2019 gem §§ 70, 70a ASVG und § 45 AIVG. Diese Rückzahlung betrug € 10.277,94 (davon Pensionsversicherungsbeiträge: € 6.155,98; Krankenversicherungsbeiträge: € 2.321,96 und Arbeitslosenversicherungsbeiträge: € 1.800,00). Nach Ansicht des Bf sei diese Rückzahlung zur Gänze unter Art 16 DBA-DE zu subsumieren, weshalb Deutschland ein ausschließliches Besteuerungsrecht daran habe und Ö auf eine Besteuerung verzichten müsse. Das Finanzamt vertrat dagegen die Ansicht, dass die Rückerstattung der Beiträge nach dem Verhältnis der im Jahr 2019 für beide Dienstverhältnisse einbehaltenen SV-Beiträge sowohl durch die inländischen als auch die ausländischen Einkünfte veranlasst worden und somit zT in Ö steuerpflichtig sei.

Entscheidung des BFG

Das Gericht schloss sich der Rechtsansicht des Finanzamts vollumfänglich an. Die vom Finanzamt gewählte Aliquotierung sei zulässig und ergebe „die im Spruch dieser Entscheidung ausgewiesenen inländischen Einkünfte gem. § 25 Abs. 1 Z 3 lit d EStG 1988 bzw ausländische Progressionseinkünfte (Art 16 Abs. 2 lit d DBA D/Ö iVm Art 23 Abs. 2 lit d DBA D /Ö […]“. Die von der Behörde gewählte Berechnungsmethodik entspreche „auch einer einfachen Administration“. Das vom Bf vertretene ausschließliche Besteuerungsrecht Deutschlands an der Rückerstattung würde dagegen „ein Ungleichgewicht entstehen“ lassen.

Das Gericht erklärte eine Revision für zulässig, weil zur Frage, inwieweit rückerstattete SV-Beiträge bei Vorliegen von zwei oder auch mehreren in- und ausländischen Dienstverhältnissen „aufzuteilen sind und welcher Maßstab dabei zur Anwendung kommen soll“ keine Rsp des VwGH existiere. Soweit ersichtlich wurde jedoch keine Revision erhoben.

Conclusio

Das Ergebnis des BFG ist nicht überzeugend, weil nicht ausreichend begründet. Richtig ist, dass die streitgegenständliche SV-Rückerstattung nach österreichischem Steuerrecht gem § 25 Abs 1 Z 3 lit d EStG steuerpflichtig ist. Steht eine Steuerpflicht nach innerstaatlichem Steuerrecht fest und ist ein DBA wie im gegebenen Fall persönlich und sachlich anwendbar, ist jeder Bestandteil der Bemessungsgrundlage einer Verteilungsnorm des Abkommens zuzuordnen (vgl mwN Neumüller, VwGH zur steuerlichen Berücksichtigung von SV-Beiträgen für ausländische Einkünfte, SWI 2022, 380 [384]). Laut BFG war im vorliegenden Fall unstrittig, dass die maßgebende Verteilungsnorm für die Bezüge aus dem ausländischen Dienstverhältnis Art 16 DBA-DE sei. Diese Einschätzung überzeugt, jedoch folgt daraus nicht notwendigerweise, dass eine Rückerstattung von durch das ausländische Dienstverhältnis mitveranlassten Beiträgen zur österreichischen SV ebenfalls unter Art 16 DBA-DE fällt. Dafür müssten die Zahlungen nämlich als „Aufsichtsrats- oder Verwaltungsratsvergütungen“ oder „ähnliche Zahlungen, die eine in einem Vertragsstaat ansässige Person in ihrer Eigenschaft als Mitglied des Aufsichts- oder Verwaltungsrats einer Gesellschaft bezieht,“ qualifiziert werden können. Ob für diese Einordnung ausreicht, dass im gegebenen Fall das in Ö sozialversicherungspflichtige ausländische Dienstverhältnis den Anspruch auf die Rückerstattungen nach §§ 70, 70a ASVG und § 45 AIVG mitbegründet und der Höhe nach beeinflusst hat, sei an dieser Stelle dahingestellt. Bejaht man eine Anwendbarkeit des Art 16 DBA-DE dem Grunde nach, erscheint es für die Abgrenzung des Besteuerungsrechts Deutschlands der Höhe nach sachgerecht, auf den Anteil der Beitragsgrundlage des ausländischen Dienstverhältnisses an der Summe aller Beitragsgrundlagen zurückzugreifen. Die Bestimmungen §§ 70, 70a ASVG und § 45 AIVG differenzieren bei der Berechnung der Rückerstattung nämlich nicht nach der Herkunft der beitragspflichtigen Bezüge und stellen auf die Gesamtsumme der Beitragsgrundlagen ab (vgl zur abkommensrechtlichen Behandlung einer Rückerstattung von SV-Beiträgen nach § 70 f ASVG bereits Pacher, LN Rechtsnews 32.457 v 29. 4. 2022). Der so ermittelte Betrag wäre gem Art 23 Abs 2 lit a iVm lit d DBA-DE in Ö unter Progressionsvorbehalt von der Besteuerung auszunehmen.

Abseits von Art 16 DBA-DE hätte das BFG zumindest im Hinblick auf die Erstattung der Pensionsversicherungsbeiträge auch eine Anwendbarkeit des Art 18 DBA-DE prüfen können. Diese würde im vorliegenden Fall aber wohl bereits daran scheitern, dass der Bf die SV-Rückerstattung nicht „aus dem anderen Vertragsstaat“, also Deutschland, sondern aus der gesetzlichen SV seines Ansässigkeitsstaates Ö bezog (vgl Neumüller, SWI 2022, 380 [385]). Sollte die Rückerstattung unter keine der speziellen Verteilungsnormen fallen, würde gem Art 21 DBA-DE Ö als Ansässigkeitsstaat das ausschließliche Besteuerungsrecht an ihr zukommen. Das hätte im gegebenen Fall bedeutet, dass der gesamte Rückerstattungsbetrag in Ö zu versteuern gewesen wäre.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 33817 vom 23.03.2023