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BFG zur Definition des Raumes außerhalb der Wohnung im Rahmen des Arbeitsplatzpauschales

Bearbeiter: Thomas Speringer

EStG 1988: § 4 Abs 4 Z 8

Abstract

Gem § 4 Abs 4 Z 8 lit b TS 1 EStG idF BGBl I 2021/227 steht das große Arbeitsplatzpauschale für eine betriebliche Tätigkeit zu, wenn der Steuerpflichtige keine anderen Einkünfte von mehr als 11.000 € erzielt, für die ihm außerhalb der Wohnung ein anderer Raum zur Verfügung steht. Im vorliegenden Fall erzielte die Beschwerdeführerin (Bf) neben einer gewerblichen Tätigkeit weitere Einnahmen, wobei diese Tätigkeiten ausschließlich außerhalb ihrer eigenen Wohnung, nämlich in den Wohnungen der Klienten und im öffentlichen Raum, ausgeübt wurden. Das BFG hatte zu klären, ob derartige Einkünfte in die Betragsgrenze gem § 4 Abs 4 Z 8 EStG miteinzubeziehen sind. Nach Auffassung des BFG ist die Wortfolge „für die ihm außerhalb der Wohnung ein anderer Raum zur Verfügung steht“ dahin gehend auszulegen, dass Einkünfte schon dann einzurechnen sind, wenn kein zumindest zeitweiser Zwang zur Nutzung privater Räumlichkeiten besteht.

BFG 26. 9. 2024, RV/1100208/2024

Sachverhalt

Die Bf erzielte im Jahr 2022 Einkünfte aus mehreren Tätigkeiten. Aus einer nichtselbstständigen Tätigkeit lukrierte sie Einnahmen iHv 9.171,16 €, wobei sie ihre Arbeit in einem von ihrer Arbeitgeberin zur Verfügung gestellten Raum ausführte. Durch eine weitere nichtselbstständige Tätigkeit im Rahmen des mobilen Hilfsdienstes erwirtschaftete sie Einkünfte iHv 5.704,95 €, die ausschließlich in den Wohnungen der betreuten Klienten erbracht wurden. Zudem übte die Bf eine Tätigkeit im Rahmen einer selbstständigen Erwerbstätigkeit aus, durch die sie Einkünfte iHv 2.285,73 € generierte; auch diese Leistungen wurden ausschließlich in den Wohnungen der Klienten erbracht. Darüber hinaus erzielte sie aus einer gewerblichen Tätigkeit Einnahmen iHv 5.331,14 €, die in der Durchführung von Befragungen und Auswertungen bestand. Da ihr für letztere Tätigkeit kein separater Raum zur Verfügung stand, nutzte sie regelmäßig ihre private Wohnung als Arbeitsort. Aufgrund der beruflichen Nutzung der Wohnung nahm die Bf in ihrer Einkommensteuererklärung das große Arbeitsplatzpauschale gem § 4 Abs 4 Z 8 lit b TS 1 in Anspruch. Das Finanzamt vertrat hingegen die Auffassung, dass der Bf für ihre Tätigkeit als mobiler Hilfsdienst ein Raum außerhalb ihrer Wohnung zur Verfügung stand und damit die Einkommensgrenze von 11.000 € gem § 4 Abs 4 Z 8 lit b TS 1 EStG in der Fassung BGBl I 2021/227 überschritt. Im Einkommensteuerbescheid, gegen den die Bf Beschwerde einreichte, wurde demgemäß nur das kleine Arbeitsplatzpauschale gewährt.

Entscheidung des BFG

Das Arbeitsplatzpauschale steht gem § 4 Abs 4 Z 8 lit a EStG zu, wenn dem Steuerpflichtigen zur Ausübung der betrieblichen Tätigkeit kein geeigneter Raum zur Verfügung steht. Voraussetzung ist, dass keine Aufwendungen für ein Arbeitszimmer gem § 20 Abs 1 Z 2 lit d EStG berücksichtigt wurden.

Zudem ist eine Unterscheidung zwischen kleinem und großem Arbeitsplatzpauschale zu treffen. Steht für die anderen erwerbsmäßigen Tätigkeiten ein Raum außerhalb der Wohnung zur Verfügung und betragen die Einkünfte davon nicht mehr als 11.000 € (idgF für das Streitjahr 2022), steht das große Arbeitsplatzpauschale iHv 1.200 € zu. Sonst kommt das kleine Arbeitsplatzpauschale iHv 300 € zur Anwendung. Steht kein Raum für die andere erwerbsmäßige Tätigkeit zur Verfügung, bleiben die daraus erzielten Einkünfte bei der Berechnung der Grenze nach § 4 Abs 4 Z 8 lit b EStG unberücksichtigt.

Die Berücksichtigung des großen Arbeitsplatzpauschale wird in jenen Fällen als sachgerecht erachtet, in denen die in der Wohnung ausgeübten Tätigkeiten die Mehrheit der insgesamt erzielten Einkünfte des Steuerpflichtigen ausmachen. Dieser Ansatz wird durch die Orientierung am Schwellenwert des Nullsteuersatzes untermauert. Sobald die außerhalb der Wohnung erzielten Einkünfte den Schwellenwert überschreiten, wird idealtypisch angenommen, dass die betriebliche Nutzung der häuslichen Räumlichkeiten deutlich geringer ausgeprägt ist. In diesen Fällen steht nur das kleine Arbeitsplatzpauschale gem § 4 Abs 4 Z 8 lit b TS 2 EStG iHv 300 € zu.

Unter Berücksichtigung dieses gesetzgeberischen Willens kann die Formulierung „für die ihm außerhalb der Wohnung ein anderer Raum zur Verfügung steht“ in § 4 Abs 4 Z 8 lit b EStG nur dahin gehend interpretiert werden, dass es darauf ankommt, ob für die jeweilige Tätigkeit ein geeigneter Arbeitsort außerhalb der Wohnung verfügbar ist. Liegt ein solcher Arbeitsort vor, besteht kein zumindest zeitweiser Zwang zur Nutzung privater Räumlichkeiten. In diesem Zusammenhang vertritt das BFG die Auffassung, dass selbst Einkünfte von der Tätigkeit des Verteilens von Werbematerial in einer Fußgängerzone in die Berechnung einzubeziehen sind. Die Beschwerde war daher abzuweisen. Da es bislang keine hg Entscheidung zu der Rechtsfrage, ob Einkünfte, für die kein zeitweiser Zwang zur Nutzung privater Räumlichkeiten besteht, in die Berechnung des maßgeblichen Schwellenwerts des Arbeitsplatzpauschales einzuberechnen sind, gibt, war die ordentliche Revision zuzulassen.

Conclusio

Zentraler Aspekt im vorliegenden Fall ist die Auslegung des „zur Verfügung stehenden Raumes“ iZm der Arbeitsplatzpauschale. In dieser Rechtsfrage kommen der teleologischen und historischen Interpretation besondere Bedeutung zu. Der Anlass für die Einführung dieser Regelung war, dass auch die Betriebskosten des Wohnraumes für die betriebliche Nutzung abgegolten werden sollen. (Bleyer/Lindmayr, Neues Arbeitsplatzpauschale und weitere steuerliche Anpassungen – IA, ARD 2021, 16 [17]). Durch die COVID-19-Pandemie verlagerte sich die Arbeit zunehmend in den privaten Bereich, was den Gesetzgeber veranlasste, hier durch eine Änderung des EStG regulierend tätig zu werden (BGBl I 2021/227; siehe dazu o.V., Arbeitsplatzpauschale für Selbstständige und weitere steuerliche Änderung, SWK 2021, 1394). Die Differenzierung zwischen kleinem und großem Arbeitsplatzpauschale wird gezielt an die Höhe der zusätzlichen Erwerbseinkünfte geknüpft (EStR 2000 Rz 1301). Dabei wird die Einkunftsart, die den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Tätigkeiten darstellt, als Indikator dafür herangezogen, an welchem Arbeitsort der Schwerpunkt der Tätigkeit liegt und somit die meiste Zeit verbracht wird. Der Gesetzgeber geht dabei vereinfachend davon aus, dass der Steuerpflichtige, sofern er den relevanten Schwellenwert durch andere Einkünfte erreicht, für die Einkünfte iZm dem Arbeitsplatzpauschale zeitlich nur noch begrenzt Ressourcen hat. Diese Betrachtung orientiert sich somit an einem betriebsbezogenen Anknüpfungspunkt, um die sachgerechte Zuordnung der Pauschale zu gewährleisten. (Wolf, Das steuerliche Arbeitszimmer oder das Arbeitsplatzpauschale bzw Homeoffice – wer die Wahl hat, hat die Qual! RWP 2022, 89 [91]). Im vorliegenden Fall lassen sich die hohen, wohnraumbezogenen Betriebskosten, welche der Gesetzgeber durch das Arbeitsplatzpauschale abmildern möchte, nicht erkennen. Die Einkünfte aus den Tätigkeiten außerhalb der eigenen Räumlichkeiten übersteigen mit insgesamt 17.161,84 € eindeutig die Nullsteuersatzschwelle. Im Gegensatz dazu belaufen sich die Einkünfte aus der gewerblichen Tätigkeit, für die in der Wohnung kein Raum zur Verfügung steht, auf 5.331,14€. Durch ihre zeitlich und finanziell deutlich überwiegende Tätigkeit bei den Klienten entstehen der Bf keine erheblichen wohnungsbezogenen Betriebskosten. In Kombination mit dem Regelungszweck der Norm ist die Auslegung des BFG somit als sachlich und rechtlich zutreffend anzusehen.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 36472 vom 05.03.2025