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BFG zur einkommensteuerlichen Erfassung von Rückzahlungen steuerfreier Bezüge und Gehaltsnachzahlungen

Bearbeiter: Nicholas Pacher

EStG: § 3 Abs 1 Z 5 lit a, Abs 2, § 16 Abs 2, § 19 Abs 1 Z 2, Abs 2, § 20 Abs 2 Z 1, § 67 Abs 3

Abstract

Das BFG hatte zu beurteilen, inwieweit Rückzahlungen von steuerfreien Leistungen im Zahlungsjahr steuermindernd berücksichtigt werden können. Ein Abzug als Werbungskosten sei nur insoweit möglich, als die Leistungen im Zuflussjahr aufgrund von § 3 Abs 2 EStGeine steuerliche Auswirkung“ hatten. Ansonsten greife § 20 Abs 2 Z 1 EStG.

BFG 10. 11. 2022, RV/7101984/2021.

Sachverhalt

Die Bf bezog bis zum Jahr 2016 Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Im Jahr 2016 wurde sie von ihrer Arbeitgeberin X GmbH per 30. 6. gekündigt. Ab diesem Zeitpunkt bis einschließlich 2019 erhielt die Bf gem § 3 Abs 1 Z 5 lit a EStG iVm § 6 AIVG steuerfreie Gelder vom AMS und der WGKK, im Jahr 2017 zusätzlich eine Abfertigung von der Bundespensionskasse AG, die an eine Pensionskasse übertragen und deshalb nach § 67 Abs 3 EStG nicht der Lohnsteuer unterworfen wurde. Mangels steuerpflichtiger Einkünfte in den Jahren 2017 und 2018 setzte das Finanzamt jeweils Einkünfte in Höhe von 0,00 € und eine Einkommensteuer von 0,00 € fest.

Nach Anfechtung der Kündigung durch die Bf wurde diese mit Urteil vom 15. 5. 2019, 9 ObA 25/19w, rechtswirksam aufgehoben, das Dienstverhältnis wiederaufgenommen und die X GmbH zahlte noch im Jahr 2019 die gesamten der Bf zustehenden Entgelte vom Juli 2016 bis April 2019 nach. In weiterer Folge wurde der Bf sowohl vom AMS, der WGKK als auch von der Bundespensionskasse die Rückzahlung der bereits ausgezahlten Beträge vorgeschrieben. Die Bf leistete die Rückzahlung an die Bundespensionskasse in Höhe von 4.523,33 € am 8. 8. 2019, an das AMS in Höhe von insgesamt 35.099,00 € (wobei ein Betrag von 5.070,45 € auf das Jahr 2019 entfiel) am 12. 8. 2019 und an die WGKK in Höhe von 2.928,12 € am 22. 11. 2019. In der Folge begehrte die Steuerpflichtige in ihrer Einkommensteuererklärung für das Jahr 2019 die Berücksichtigung der diversen Rückzahlungen als Werbungskosten oder außergewöhnliche Belastungen. Davon wurden nur die für das Jahr 2016 geleisteten Beträge im Einkommensteuerbescheid 2019 – und zwar als Werbungskosten – steuermindernd berücksichtigt. Dagegen erhob die Bf Beschwerde und stellte schließlich einen Vorlageantrag.

Entscheidung des BFG

Das Gericht befand, dass die Rückzahlungen als Werbungskosten iSd § 16 Abs 2 EStG einzustufen und im Jahr der Zahlung zu berücksichtigen seien. Allerdings stehe diesem Abzug bei einem Großteil der Rückzahlungen § 20 Abs 2 Z 1 EStG entgegen. Nach dieser Bestimmung „dürfen bei der Ermittlung der Einkünfte Aufwendungen und Ausgaben nicht abgezogen werden, soweit sie in unmittelbarem wirtschaftlichen Zusammenhang stehen mit nicht steuerpflichtigen Einnahmen“. Einen derartigen Zusammenhang schien das BFG zwischen den Rückzahlungen betreffend die Jahre 2017 bis 2019 und den in diesen Jahren steuerfrei ausbezahlten Beträgen anzunehmen und verweigerte deren Abzug. Eine alternative Berücksichtigung dieser Ausgaben als außergewöhnliche Belastung scheitere bereits am Mangel einer Belastung, da die Steuerpflichtige durch die Rückzahlung von letztlich zu Unrecht bezogenen Geldleistungen nicht belastet worden sei. Im Hinblick auf die Rückzahlungen von Arbeitslosengeld und Leistungen von der Krankenkasse betreffend das Jahr 2016 befand das Gericht, dass das Abzugsverbot nach § 20 Abs 2 Z 1 EStG nicht greife, weil diese Leistungen im Jahr 2016 trotz sachlicher Steuerbefreiung aufgrund der Anwendbarkeit von § 3 Abs 2 EStGeine steuerliche Auswirkung“ hatten (mit Verweis auf VwGH 22. 6. 2020, Ro 2018/13/0009). Von einer Kontrollrechnung iSd § 3 Abs 2 EStG für das Jahr 2019 sei „abzusehen, da die Bf. für das ganze Jahr Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit bezogen hat.

Das Gericht erklärte eine Revision für nicht zulässig, da der gegenständlich zu lösenden Rechtsfrage keine grundsätzliche Bedeutung zukomme, „weil das Erkenntnis aufgrund der Gesetzeslage und der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes erging.“ Soweit ersichtlich wurde keine außerordentliche Revision erhoben.

Conclusio

Eingangs sei erwähnt, dass die durch das AbgÄG 2022 novellierte Fassung des § 19 EStG im vorliegenden Fall nicht anwendbar war, weil die Rückzahlung der diversen steuerfreien Bezüge im Jahr 2019 stattfand, § 19 Abs 1 Z 2 TS 2 und Abs 2 EStG idF AbgÄG 2022 gem § 124b Z 399 EStG allerdings erst „für Zahlungen und Rückzahlungen ab 1. Jänner 2022 anzuwenden“ sind. Zudem scheint die Bf im „offenen Veranlagungsverfahren“ für 2019 keinen Antrag nach § 124b Z 399 Satz 1 EStG gestellt zu haben, der den Gesetzesmaterialien nach zu urteilen eine Erstreckung der Anwendbarkeit der oben genannten Bestimmungen auf die Rückzahlungen in diesem Jahr bewirken hätte können (vgl ErläutRV 1534 BlgNR 27. GP 11).

Selbst vor diesem Hintergrund überzeugt die Beurteilung der Abzugsfähigkeit der Ausgaben seitens des BFG nur teilweise. So ergibt sich aus dem Judikat des VwGH vom 22. 6. 2020, Ro 2018/13/0009, entgegen der Ansicht des BFG, dass Rückzahlungen steuerfreier Bezüge unter gewissen Voraussetzungen im Rahmen einer Kontrollrechnung nach § 3 Abs 2 EStG als Werbungskosten zu berücksichtigen sind, nicht aber als Werbungskosten außerhalb einer solchen Kontrollrechnung, die das Einkommen mindern (so offenbar auch Zorn, VwGH zur Einkommensteuerberechnung bei rückgezahltem Arbeitslosengeld, RdW 2020, 644). Insofern scheint die Vorgehensweise des BFG, die Rückzahlungen betreffend das Jahr 2016 außerhalb einer Kontrollrechnung nach § 3 Abs 2 EStG als Werbungskosten zum Abzug zuzulassen und darüber hinaus keine derartige Kontrollrechnung für das Jahr 2019 durchzuführen, nicht im Einklang mit der zitieren VwGH-Rechtsprechung zu stehen.

Interessanter ist jedoch, dass sich sowohl das Gericht als auch die Steuerpflichtige ausschließlich mit der Berücksichtigung der Ausgaben im Jahr 2019 auseinandersetzten und keinerlei Bedenken gegen die geballte steuerliche Erfassung von 3½ Jahresgehältern in diesem Jahr äußerten. Das überrascht umso mehr, wenn man bedenkt, dass § 19 Abs 1 Z 2 EStG in der streitgegenständlichen Fassung für gewisse Nachzahlungen (und zwar „Nachzahlungen von Pensionen, über deren Bezug bescheidmäßig abgesprochen wird“, „Nachzahlungen im Insolvenzverfahren“ und „Förderungen und Zuschüsse aus öffentlichen Mitteln im Sinne des § 3 Abs. 4, mit Ausnahme der in § 3 Abs. 2 genannten Bezüge“) statt einer ausschließlichen Versteuerung im Zahlungsjahr eine steuerliche Erfassung in den Kalenderjahren, für die sie getätigt werden, vorsah. Diese Sonderregelung bezweckte laut VfGH, „im Fall von Nachzahlungen negative Belastungswirkungen des progressiven Einkommensteuertarifs zu vermeiden“ (VfGH 17. 6. 2021, G 223/2020-8, Rz 41). Ob es nun sachlich gerechtfertigt ist, Nachzahlungen von Gehältern anlässlich einer erfolgreichen gerichtlichen Kündigungsanfechtung nur im Zahlungsjahr zu versteuern, Nachzahlungen von Pensionen etc aber in den Jahren, für die sie getätigt werden, ist vor dem Hintergrund der zuvor zitierten Entscheidung des VfGH zweifelhaft: Laut dem Gerichtshof verletzt der Gesetzgeber nämlich „das aus dem Gleichheitssatz erfließende Leistungsfähigkeitsprinzip, wenn allein wegen des tatsächlichen Zuflusses eine Besteuerung zu erfolgen hat, ohne dass das steuerliche Existenzminimum in Fällen, in denen der Zeitpunkt des Zuflusses vom Steuerpflichtigen seiner Art nach nicht beeinflusst werden kann, hinreichend Berücksichtigung findet“ (VfGH 17. 6. 2021, G 223/2020-8, Rz 47). Im vorliegenden Fall konnte die Steuerpflichtige den Zeitpunkt des Zuflusses der Gehaltsnachzahlung nicht beeinflussen – sie wurde gekündigt und musste für den Erhalt der Zahlung ihre Entlassung erfolgreich anfechten. Der Zeitpunkt der Nachzahlung hing dabei ganz entscheidend von der Dauer des Gerichtsprozesses ab. Da sich letzterer über mehrere Jahre erstreckte, konnte die Steuerpflichtige zumindest in den Jahren 2017 und 2018 das steuerliche Existenzminimum nicht ausschöpfen. Daran änderte auch der zwischenzeitliche Bezug von Arbeitslosengeld etc nichts, da diese Zuflüsse aufgrund von § 3 Abs 1 Z 5 lit a EStG iVm § 6 AIVG steuerfrei und bei Ermittlung des Einkommens sowie bei Berechnung der Einkommensteuer nach § 33 Abs 1 EStG außer Acht zu lassen waren (vgl mwN VwGH 22. 6. 2020, Ro 2018/13/0009; Ehgartner in Jakom EStG15 [2022] § 3 Rz 1; Kanduth-Kristen in Jakom EStG15 [2022] § 33 Rz 3). Mit ihnen konnte die Steuerpflichtige also das in § 33 Abs 1 EStG normierte steuerliche Existenzminimum nicht ausnützen.

Kurz zusammengefasst wäre eine Befassung des VfGH mit dem vorliegenden Fall und erneut mit der Bestimmung § 19 Abs 1 Z 2 EStG idF Budgetbegleitgesetz 2012 äußerst spannend gewesen. Es wird aber noch genug Gelegenheiten geben, den Gerichtshof mit den hier aufgezeigten verfassungsrechtlichen Bedenken zu konfrontieren. Denn auch in seiner geltenden Fassung erfasst § 19 Abs 1 Z 2 EStG keine Gehaltsnachzahlungen anlässlich erfolgreich bekämpfter Kündigungen, sodass diese weiterhin nach der Grundregel des § 19 Abs 1 Satz 1 EStG zur Gänze im Zahlungsjahr zu versteuern sind.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 33909 vom 13.04.2023