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BFG zur Einordnung von Texas Hold’em als Glücksspiel

Bearbeiter: Severin Schragl

GSpG: §§ 1 Abs 2, 57 Abs 1

BAO: § 184

Abstract

Der Pokerspiele (Texas Hold’em) veranstaltende Bf argumentierte im streitgegenständlichen Fall, dass er im Streitzeitraum nicht der Glücksspielabgabe iSd GSpG unterliege. Das BFG schloss sich allerdings der Meinung des FA an und bejahte weder eine Verletzung von Treu und Glauben noch eine Ausnahme von Texas Hold’em vom GSpG oder die behauptete Unionsrechts- und Verfassungswidrigkeit der erhobenen Glücksspielabgabe.

BFG 30. 3. 2023, RV/6100378/2018

Sachverhalt

Der Bf veranstaltete im streitgegenständlichen Zeitraum von Jänner 2012 bis August 2017 Ausspielungen in Form von Pokerspielen in diversen Spielstätten. Er verfügte auch über eine Gewerbeberechtigung zur Ausübung dieser Tätigkeit. Die einzelnen Pokerspiele fanden fast ausschließlich in Form von „Cash Games“ mit der Spielvariante Texas Hold’em statt. Der Bf vereinnahmte bei den Cash Games sog „Tischgelder“ (Rakes) für die erbrachten Dienstleistungen. Diese wurden aus dem jeweiligen „Pot“ (der Summe der von den Spielern gesetzten Einsätzen) entnommen. Darüber führte der Bf Aufzeichnungen. Über die Einsätze der Spieler wurden hingegen keine Aufzeichnungen geführt.

Nach einer vom FA im Jahre 2017 durchgeführten Nachschau iSd § 144 BAO wurde die Glücksspielabgabe gem § 201 BAO mit Bescheid festgesetzt. Der Bf sah sich auf verschiedene Weise in seinen Rechten verletzt: Der Umstand, dass trotz mehrfacher vorheriger Nachschauen erst im Jahr 2017 die Glücksspielabgabenpflicht festgestellt worden ist, soll demnach einen Verstoß gegen den Grundsatz von Treu und Glauben darstellen – der Bf war bis dahin nämlich von der Rechtmäßigkeit seiner unternehmerischen Vorgehensweise ausgegangen. Darüber hinaus war der Bf der Auffassung, dass Poker in Form von Texas Hold’em kein Glücksspiel sei, weil das Spielergebnis nicht ausschließlich oder überwiegend zufallsabhängig sei. Letztendlich würde die Auslegung des § 57 Abs 1 GSpG durch das FA zu einer Besteuerung führen, die ein sofortiges Ende der gewerblichen Tätigkeit mit sich führen würde, was einen Eingriff in die Erwerbsfreiheit darstelle und darüber hinaus die unionsrechtliche Dienstleistungsfreiheit verletzten würde.

Entscheidung des BFG

Zunächst setzte sich das Gericht mit dem Vorbringen des Bf zum Verstoß gegen den Grundsatz von Treu und Glauben auseinander. Das BFG orientierte sich hierbei an der Rsp des VwGH. Es hielt insbesondere fest, dass selbst wenn das FA eine bestimmte Vorgangsweise unbeanstandet gelassen hat, es daher diese Vorgangsweise dennoch für spätere Zeiträume als rechtswidrig beurteilen kann (etwa VwGH 20. 12. 2000, 98/13/0236). Unrichtige Auskünfte seitens des FA können hingegen den Grundsatz von Treu und Glauben verletzen und eine Nachsicht von Abgabenschuldigkeiten zur Folge haben (VwGH 27. 1. 1983, 81/15/0120). Da im streitgegenständlichen Fall das für die ESt und USt zuständige FA jedoch gar nicht erst Auskünfte über eine Glücksspielabgabe getroffen hat, kann hiervon nicht die Rede sein. Eine Unterlassung kann jedenfalls keinen Treu und Glauben begründen (VwGH 22. 11. 2012, 2008/15/0265). Darüber hinaus fiel die Glücksspielabgabe nicht in die Zuständigkeit des genannten FA, welches nur über die USt absprach.

Bei der Subsumierung von Texas Hold’em unter den Glücksspielbegriff unterschied das BFG zwischen zwei Zeiträumen: Jänner 2011 bis Juli 2013 sowie März 2014 bis August 2017 einerseits und August 2013 bis Februar 2014 andererseits. In ersterem Fall sei die Rechtslage klar: Hier stellt der Gesetzeswortlaut eindeutig fest, dass Poker als Glücksspiel iSd § 1 Abs 2 GSpG anzusehen ist. Anderes gilt für den Zeitraum im zweiteren Fall: Aufgrund eines VfGH-Erkenntnisses (27. 6. 2013, G 26/2013, G 90/2012) wurde das Wort „Poker“ aus der (demonstrativen) Aufzählung des § 1 Abs 2 GSpG entfernt. Das BFG nimmt Poker im gegenständlichen Fall für diesen Zeitraum dennoch nicht vom Glücksspielbegriff aus: Einerseits habe der VwGH bereits im Jahr 2005 festgestellt, dass Poker unter den Glücksspielbegriff zu subsumieren sei (8. 9. 2005, 2000/17/0201), andererseits stelle der VfGH in genanntem Erkenntnis nicht die Rechtswidrigkeit der Regelung selbst fest, sondern lediglich, dass die Neuregelung der Konzessionspflicht unsachlich sei. Diese Ansicht des BFG bestätigte jüngst auch der VwGH (26. 3. 2019, Ro 2019/17/0003). Damit sei die Rechtslage dahingehend ausreichend klar, dass Poker (auch in Form von Texas Hold’em) im gesamten Streitzeitraum unter den Glücksspielbegriff fällt.

Hinsichtlich der Bemessungsgrundlage hielt das BFG im Wesentlichen fest, dass eine Bemessung grds nach den Einsätzen zu erfolgen hat (§ 57 Abs 1 GSpG). Darunter sei die iZm der Teilnahme an der Setzrunde zu erbringende vermögenswerte Leistung der Spieler zu verstehen. Da der Bf keine Aufzeichnungen über die Einsätze geführt habe, liege es am FA, den Betrag anhand der Aufzeichnungen zum Tischgeld nach § 184 BAO zu schätzen.

Schließlich konnte das BFG auch keine Unionsrechts- oder Verfassungswidrigkeit erkennen, da das Glücksspielmonopol bereits mehrfach Gegenstand höchstgerichtlicher Rsp war und dabei stets als unionsrechts- und verfassungskonform erachtet wurde (vgl EuGH 6. 9. 2018, C-79/17, Gmalieva; VwGH 16. 3. 2016, Ro 2015/17/0022; VfGH 15. 10. 2016, E 945/2016).

Conclusio

Der vorliegende Fall behandelt eine Reihe an unterschiedlichen Rechtsfragen iZm der glücksspielabgabenrechtlichen Einordnung des Pokerspiels. Während einige bereits eindeutig höchstgerichtlich entschieden worden sind (etwa die Verfassungs- und Unionsrechtskonformität des Glücksspielmonopols), sind andere immer wieder Gegenstand der Rsp. Letzteres betrifft etwa den Grundsatz von Treu und Glauben nach wiederholter Prüfung (oder Nachschau): In einem fortgesetzten Verfahren entschied das BFG jüngst entgegen der Ansicht der Bf, dass der Grundsatz von Treu und Glauben im Abgabenfestsetzungsverfahren aufgrund des Legalitätsprinzips keine Rolle spiele; darüber hinaus würde der Umstand, dass das FA sich mit dem streitgegenständlichen Steuergegenstand (im genannten Fall: Pensionsrückstellungen) bereits „aktiv auseinandergesetzt“ und diesen aber nach entsprechender rechtlicher Würdigung nicht weiterverfolgt hat, für die Anwendung des Grundsatzes von Treu und Glauben nicht ausreichen (BFG 19. 10. 2022, RV/2100717/2022; VfGH-Beschwerde zur Zahl E 3275/2022 anhängig).

Die Einordnung sämtlicher Pokervarianten als Glücksspiel iSd der demonstrativen Aufzählung des § 1 Abs 2 GSpG war – trotz zeitweiser ausdrücklicher Erwähnung in der Aufzählung – bis zum 1. AbgÄG 2014 (BGBl I 2014/13) tatsächlich umstritten (vgl Allram in Bergmann/Pinetz [Hrsg], GebG2 §§ 57-59 GSpG Rz 50 ff mwN). Mittlerweile ist die Rechtslage hingegen eindeutig: Der VwGH sieht die Rechtsfrage als geklärt an und weist entsprechende Anträge zurück (vgl VwGH 18. 10. 2016, Ro 2014/16/0041).

Letztlich behandelt die vorliegende Entscheidung die in § 57 Abs 1 GSpG normierte Bemessungsgrundlage des Einsatzes. Der Begriff knüpft an den Einsatz-Begriff der Ausspielung im § 2 GSpG an (Bavenek-Weber in Bavenek-Weber/Petritz/Petritz-Klar [Hrsg], GebG [6. Lfg 2020] § 33 TP 17 GebG/GSpA Rz 110). Demnach ist er gem § 2 Abs 1 Z 2 GSpG als „vermögenswerte Leistung [iZm] der Teilnahme am Glücksspiel“, maW als „Entgelt für die Teilnahme an einer bestimmten Ausspielung“ (Allram in Bergmann/Pinetz [Hrsg], GebG2 §§ 57-59 GSpG Rz 260), anzusehen. Im streitgegenständlichen Fall hat das BFG dabei auf den Einsatz der jeweiligen Runde abgestellt. Rechtlich kann dieses Vorgehen nicht beanstandet werden. In der Praxis wird sich die Veranstaltung von Poker-Ausspielungen bei einer Abgabenpflicht von 16 % des genannten Einsatzes wohl kaum noch rentieren. Der VwGH sieht hierin allerdings keine exzessive Steuerbelastung (VwGH 19. 10. 2017, Ro 2015/16/0024).

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 34304 vom 21.07.2023