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BFG zur fehlenden Nennung des Wiederaufnahmegrunds durch die Finanzverwaltung

Bearbeiter: Vera Hellebrandt

BAO: § 303 Abs 1

Abstract

Das BFG entschied, dass eine amtswegige Wiederaufnahme des Verfahrens unzulässig ist, wenn weder der Wiederaufnahmebescheid noch der Außenprüfungsbericht einen ausdrücklichen Wiederaufnahmegrund oder einen Tatsachenkomplex enthalten, aus dem sich ein Wiederaufnahmegrund schließen lässt.

BFG vom 28. 6. 2023, RV/7103762/2022

Sachverhalt

Bei der Bf handelte es sich um eine GmbH, die einer Betriebsprüfung unterzogen wurde. Im Prüfungszeitraum waren auf die GmbH mehrere Fahrzeuge zugelassen, die nach Behauptung der Bf sowohl für private als auch betriebliche Fahrten genutzt worden waren. Für die außerbetriebliche Nutzung hatte die Bf einen Sachbezug angesetzt. Allerdings konnte von Seiten der Betriebsprüfung die betriebliche Nutzung der Fahrzeuge nicht verifiziert werden, weshalb die Finanzverwaltung nach einer Schätzung gem § 184 BAO 75 % der KFZ-Betriebskosten als verdeckte Ausschüttung qualifizierte. Aufgrund dieser Feststellung wurden für den Zeitraum zwischen den Jahren 2016 und 2018 die Körperschaftsteuerverfahren wiederaufgenommen und neue Sachbescheide zur Körperschaftsteuer, zu den Anspruchszinsen und der Haftung zur KESt erlassen. Hinsichtlich der Wiederaufnahme des Verfahrens verwies der Wiederaufnahmebescheid auf die Ausführungen im Außenprüfungsbericht. Der Bericht führte aus, dass „Feststellungen getroffen worden [sind], die eine Wiederaufnahme des Verfahrens gem § 303 Abs 1 BAO erforderlich machen“. Die Kenntnis der Wiederaufnahmegründe „(…) gem § 303 Abs 1 lit a bis c BAO hätte alleine oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens im Spruch anders lautende Bescheide herbeigeführt“. Die Bf argumentierte gegen die Wiederaufnahme des Verfahrens: Es ließe sich aus dem Außenprüfungsbericht keine eindeutige Begründung des Vorliegens eines Wiederaufnahmegrundes entnehmen. Dagegen brachte die Finanzverwaltung vor, dass die Bf keine Gründe vorgebracht habe, weshalb die Wiederaufnahmebescheide mit Rechtswidrigkeit behaftet sein sollten. Die Gründe zur Wiederaufnahme seien im Außenprüfungsbericht hinreichend konkret ausgeführt worden.

Entscheidung des BFG

Eingangs führt das BFG aus, dass im Falle einer amtswegigen Wiederaufnahme zu prüfen ist, ob das Verfahren aus den von der Finanzverwaltung angeführten Gründen wiederaufgenommen werden durfte. Die fehlende Angabe von Wiederaufnahmegründen kann nicht im Beschwerdeverfahren saniert werden, sondern es ist lediglich die Ergänzung einer mangelhaften Begründung in Richtung der tatsächlich von der Finanzverwaltung herangezogenen Wiederaufnahmegründe zulässig. Die Finanzverwaltung kann in ihrem Wiederaufnahmebescheid auf Textziffern des Außenprüfungsberichts verweisen, wobei in diesem jene Umstände dargetan werden müssen, die als Wiederaufnahmegrund geeignet sind.

Im verfahrensgegenständlichen Wiederaufnahmebescheid und in den verwiesenen Textziffern des Prüfungsberichts wurde von der Finanzverwaltung nicht ausdrücklich festgestellt, auf welchen Wiederaufnahmetatbestand die Wiederaufnahme gestützt ist. Wenn kein ausdrücklicher Wiederaufnahmegrund genannt wird, darf nach der Rsp des VwGH gefolgert werden, dass die Finanzverwaltung die Wiederaufnahme auf den Neuerungstatbestand stützt. Vorausgesetzt wird allerdings, dass sich den Textziffern des Prüfungsberichts ein Tatsachenkomplex entnehmen lässt, der nach Ansicht der Finanzverwaltung neu hervorgekommen ist. Im vorliegenden Fall lässt sich dem Prüfungsbericht nicht entnehmen, welcher Tatsachenkomplex als neu hervorgekommen oder als sonstiger Wiederaufnahmegrund herangezogen werden soll.

Das BFG argumentiert, dass ein pauschaler Verweis auf eine Textziffer und die darin enthaltenen Feststellungen nicht zur Umgehung der abgabenbehördlichen Begründungspflicht der Wiederaufnahme dienen dürfen. Mangels Festlegung eines konkreten Sachverhaltskomplexes zur Begründung der Wiederaufnahme kann das BFG keine Aussage über die Eignung der einzelnen Tatsachen treffen. Folglich ist die Prüfung der Zulässigkeit der Wiederaufnahme nicht möglich. Daher gab das BFG der Beschwerde gegen den Wiederaufnahmebescheid statt und erachtete eine ordentliche Revision für unzulässig.

Conclusio

Eine Außenprüfung reicht noch nicht zur Wiederaufnahme des Verfahrens, sondern die Abgabenbehörde muss das Vorliegen eines Wiederaufnahmegrundes begründen können (vgl VwGH 26. 11. 2015, Ro 2014/15/0035 mwN). Der in der Praxis häufige Verweis auf den Betriebsprüfungsbericht ist zulässig, solange die Wiederaufnahmegründe schlüssig dargelegt werden. Das BFG ließ in der Vergangenheit zu, dass auch ohne Verweis auf eine konkrete Textziffer des Prüfungsberichts ein Wiederaufnahmetatbestand begründet werden kann, wenn aus dem Bericht in seiner Gesamtheit der Wiederaufnahmegrund hervorgeht (vgl BFG 16. 4. 2016, RV/7102293/2016). Allerdings muss sich in allen Fällen eindeutig identifizieren lassen, mit welchen Feststellungen die Wiederaufnahme begründet wird (vgl Predota/Rzeszut in Rzeszut/Tanzer/Unger [Hrsg], BAO: Stoll Kommentar – Digital First2.06 [2023] § 303 Rz 55). Im vorliegenden Fall erkannte das BFG keine ausreichende Begründung im Prüfungsbericht. Die Finanzverwaltung erhob eine außerordentliche Amtsrevision an den VwGH.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 34499 vom 15.09.2023