Dieser Inhalt ist frei verfügbar. Mit einem Abonnement der ÖStZ erhalten Sie die Zeitschrift in Print und vollen digitalen Zugriff im Web, am Smartphone und Tablet. Mehr erfahren…
Testen Sie
ALLE 13 Zeitschriftenportale
30 Tage lang kostenlos.
Der Zugriff endet nach 30 Tagen automatisch.
Abstract
Das BFG hatte sich in dieser Entscheidung mit der Vergleichbarkeit einer liechtensteinischen Invalidenrente mit der österreichischen Versehrtenrente auseinanderzusetzen. Bei Gleichartigkeit in Bezug aufgrund und Höhe mit der inländischen Unfallversicherung wäre die liechtensteinische Invalidenrente nach § 3 Abs 1 Z 4 lit c EStG steuerfrei. Das BFG kommt allerdings zum Ergebnis, dass zwischen der Versehrtenrente nach österreichischem Recht und der Invalidenrente nach liechtensteinischem Recht erhebliche Unterschiede bestehen. Eine abstrakte Vergleichbarkeit der Geldleistungen sei daher – so das BFG – nicht gegeben.
BFG 19. 9. 2023, RV/1100387/2019
Sachverhalt
Der in Österreich wohnhafte Beschwerdeführer (Bf) war bei einem Unternehmen in Liechtenstein beschäftigt. Am 17. 3. 2003 hatte der Bf einen schweren Arbeitsunfall, infolgedessen ihm der rechte Oberarm amputiert werden musste. Die Eidgenössische Invalidenversicherung (IV) setzte den Invaliditätsgrad des Bf mit 72 % fest. Der Bf bezog infolge des Arbeitsunfalles im Jahr 2016 ua von der Versicherungsgesellschaft A eine Komplementärrente nach dem liechtensteinischen Gesetz über die obligatorische Unfallversicherung. Im Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2016 wurde diese ausländische Rente vom Finanzamt (FA) als „Einkünfte ohne inländischen Steuerabzug“ zur Gänze der Besteuerung unterworfen. Der Bf erhob dagegen Beschwerde und war der Ansicht, diese Rente müsse nach § 3 Abs 1 Z 4 lit c EStG steuerfrei gestellt werden. Das FA wies die Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung als unbegründet ab. Der Bf begehrte daraufhin die Vorlage der Beschwerde an das BFG.
Entscheidung des BFG
Gemäß § 25 Abs 1 Z 1 lit d EStG stellen Bezüge aus einer ausländischen gesetzlichen Kranken- und Unfallversorgung, die einer inländischen gesetzlichen Kranken- und Unfallversorgung entspricht, Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit dar. Gemäß § 3 Abs 1 Z 4 lit c EStG sind Geldleistungen aus einer gesetzlichen Unfallversorgung sowie dem Grunde und der Höhe nach gleichartige Beträge aus einer ausländischen gesetzlichen Unfallversorgung, die einer inländischen gesetzlichen Unfallversorgung entspricht, von der Einkommensteuer befreit. Die österreichische Unfallversicherung umfasst neben der Unfallversorgung und Heilbehandlung auch die Gewährung finanzieller Leistungen, wie die vom Bf angesprochene Versehrtenrente (VwGH 19. 12. 2006, 2004/15/0169).
Im Beschwerdefall ist ausschließlich strittig, ob die vom Bf im Jahr 2016 von der Versicherungsgesellschaft A erhaltene Komplementärrente mit der Versehrtenrente in Österreich vergleichbar ist. Dies hätte zur Folge, dass diese nach § 3 Abs 1 Z 4 lit c EStG steuerfrei zu stellen wäre. Um die Gleichartigkeit zu prüfen, ist die aus dem Ausland bezogene Geldleistung derjenigen gegenüberzustellen, die beim konkret vorliegenden Sachverhalt aus einer inländischen gesetzlichen Unfallversorgung zu gewähren gewesen wäre (VwGH 28. 6. 2012, 2009/15/0069).
Dem Bf ist dahin gehend zuzustimmen, dass zwischen beiden Renten unzweifelhaft Ähnlichkeiten bestehen (zB hinsichtlich der Anspruchsvoraussetzung eines Arbeitsunfalls oder der Bemessungsgrundlage). Darüber hinaus bestehen jedoch – so das BFG – maßgebliche Unterschiede. Die österreichische Versehrtenrente beruht auf dem Prinzip der abstrakten Schadensberechnung an der Ermittlung der Minderung der Erwerbsfähigkeit. Es ist daher unerheblich, ob der Versicherungsfall tatsächlich zu einem Einkommensverlust geführt hat, knüpft doch die Versehrtenrente nicht an einen konkret entstandenen Verdienstentgang an. Sie ist auch dann zu gewähren, wenn kein Lohnausfall entstanden ist oder sogar ein höheres Einkommen erzielt wird.
Die liechtensteinische Unfallversorgung deckt hingegen den Erwerbsausfall des verunfallten Arbeitnehmers ab. Eine Invalidität wird nach Art 18 UVersG (liechtensteinisches Unfallversicherungsgesetz) erst anerkannt, wenn voraussichtlich für längere Zeit oder sogar bleibend die Erwerbsfähigkeit beeinträchtigt wird. Die Invalidenrente nach dem UVersG ersetzt also das infolge der Invalidität nicht (mehr) erzielbare Erwerbseinkommen. Es soll nicht ein individueller Schaden, sondern der ausgefallene Verdienst ersetzt werden.
Die Renten weichen zudem hinsichtlich der Ermittlung der Höhe deutlich voneinander ab. Die Höhe des „Einstiegssatzes“ für einen Anspruch unterscheidet sich (20 % in Österreich, 10 % in Liechtenstein). Darüber hinaus unterscheiden sich auch die Höchstsätze der Bemessungsgrundlage (66 % in Österreich, 80 % in Liechtenstein). Die Berechnungsweise kann also zu keinen der Höhe nach gleichartigen Beträgen führen.
Auch ist in Österreich der Grad der Minderung der Erwerbsfähigkeit unabhängig vom tatsächlich ausgeübten Beruf abstrakt zu beurteilen (OGH 6. 5. 2008, 10 ObS 43/08h, 23. 5. 2018, 10 ObS 36/18v). Nach liechtensteinischem Recht wird bei der Invalidenrente zwar zuerst das nach dem Arbeitsunfall „bei ausgeglichener Arbeitsmarktlage“ erzielbare Einkommen ermittelt, dieses wird aber in einem nächsten Schritt ins Verhältnis zu jenem Einkommen gesetzt, das der Bf in seinem „tatsächlichen Beruf“ konkret erzielen könnte. Der auf diese Weise ermittelte Prozentsatz ist dann für die Minderung der Erwerbsfähigkeit maßgeblich (Invaliditätsgrad). Die liechtensteinische Invalidenrente erfordert daher – anders als die österreichische Versehrtenrente – einen Einkommensverlust.
Diese Unterschiede bedingen im vorliegenden Fall unterschiedliche Höhen der Versicherungsleistungen. Unabhängig von allfälligen Währungsschwankungen weichen die aus dem Ausland bezogenen Rentenzahlungen der Höhe nach erheblich von den fiktiv berechneten, aus einer inländischen gesetzlichen Unfallversorgung zu gewährenden Geldleistungen ab, weshalb diese auch der Höhe nach nicht als gleichartige Beträge aus einer Unfallversorgung zu qualifizieren sind.
Weitere Unterschiede resultieren aus der für die österreichische Versehrtenrente relevanten Deckelung des § 178 Abs 2 ASVG, welche die liechtensteinische Invalidenrente überhaupt nicht kennt. Die Invalidenrente in Liechtenstein wird darüber hinaus mit Anfallen der Altersrente neu berechnet, während die österreichische Versehrtenrente mit Anfallen der Altersrente in voller Höhe bestehen bleibt.
Der zuständige Senat des BFG kann weder eine verfassungsrechtliche Ungleichbehandlung noch einen Verstoß gegen Art 45 AEUV oder Art 20 GRC erkennen. Österreich nehme – so das BFG – lediglich das Recht in Anspruch, Ungleiches ungleich zu behandeln und unterschiedliche Sachverhalte unterschiedlich zu besteuern.
Eine abstrakte Vergleichbarkeit der Geldleistungen sei aufgrund der unterschiedlichen Zweckbestimmung der österreichischen Versehrtenrente und der Invalidenrente nach der liechtensteinischen Unfallversicherung nicht gegeben. Das BFG vertritt somit die Auffassung, dass die streitgegenständliche Invalidenrente den strengen Kriterien des § 3 Abs 1 Z 4 lit c EStG, die für eine Steuerfreiheit dieser Rente erforderlich wären, nicht entspricht. Die Vorgehensweise des FA, die Invalidenrente als steuerpflichtigen Bezug zu behandeln, stehe daher mit der österreichischen Rechtslage im Einklang. Die Beschwerde sei daher als unbegründet abzuweisen.
Die Revision wurde mit der Begründung zugelassen, dass sich der VwGH mit der Frage der Vergleichbarkeit der streitgegenständlichen Invalidenrente mit der österreichischen Versehrtenrente noch nicht auseinandergesetzt hat.
Conclusio
Das BFG setzt sich in diesem Erkenntnis mit der Frage auseinander, ob eine liechtensteinische Invalidenrente dem Grunde und der Höhe nach „gleichartig“ mit einer österreichischen Versehrtenrente ist. Bejahendenfalls wäre die Steuerbefreiung nach § 3 Abs 1 Z 4 lit c EStG anwendbar (Ehgartner in Jakom EStG16 § 3 Rz 14). Das BFG vertritt mit überzeugender Argumentation die Auffassung, dass zwischen den beiden Geldleistungen (erhebliche) Unterschiede bestehen, die zum Ergebnis führen, dass eine Gleichartigkeit nicht vorliegt. Daher kommt die Bestimmung des § 3 Abs 1 Z 4 lit c EStG nicht zur Anwendung. Die Revision wurde zugelassen. Es bleibt abzuwarten, ob sie auch erhoben wird.