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UGB: §§ 128, 159, 160, 161
Abstract
Im vorliegenden Fall wurde der ehemalige Komplementär einer KG einige Jahre nach dessen Ausscheiden als Gesellschafter zur Haftung für Abgabenschulden der KG herangezogen. Das BFG hatte sich in der Folge mit der Frage auseinanderzusetzen, unter welchen Umständen eine solche Haftungsinanspruchnahme möglich ist. Die Haftungsinanspruchnahme richtet sich dabei nach Ansicht des BFG gem § 12 BAO nach den einschlägigen Regelungen des Zivilrechts, die die allgemeine Bestimmung des § 238 BAO zur Einhebungsverjährung im Abgabenverfahren verdrängen.
BFG 3. 4. 2024, RV/7101018/2022
Sachverhalt und Verfahrensgang
Der Beschwerdeführer (Bf) ist ehemaliger Komplementär einer KG. Am 12. 10. 2018 veräußerte er seinen Gesellschaftsanteil. Der Gesellschafterwechsel wurde am 20. 10. 2018 ins Firmenbuch eingetragen. Die KG wurde in der Folge aufgelöst und diese Auflösung wurde am 26. 5. 2021 im Firmenbuch eingetragen. Im Zeitpunkt der Auflösung der KG standen insgesamt noch Abgabenschulden iHv 108.368,87 € aus, die sich aus diversen Abgaben der Jahre 2012–2016 inkl zugehöriger Säumniszuschläge und Aussetzungszinsen zusammensetzten. Mit Bescheid vom 28. 1. 2022 zog das Finanzamt den Bf für die Abgabenschulden der KG zur Haftung heran. Gegen diesen Haftungsbescheid richtet sich die Beschwerde des Bf.
Entscheidung des BFG
Komplementäre einer KG haften gem § 12 BAO für die Abgabenschulden der KG. Für den Umfang der Haftung wird auf die einschlägigen Vorschriften des Zivilrechts verwiesen. Für eine KG ergibt sich der Umfang der Haftung daher grundsätzlich aus den §§ 128 ff UGB. Diese wird dann jedoch durch die Bestimmungen der §§ 159 f UGB wieder eingeschränkt. Nach Ansicht des BFG verdrängt die Haftungseinschränkung in den §§ 159 f UGB die Haftungsbestimmungen in § 238 BAO.
Da der Bf im Zeitpunkt der Erlassung des Haftungsbescheids nicht mehr Gesellschafter der KG war, ist § 160 Abs 1 iVm § 161 Abs 2 UGB zu beachten. Demnach haftet der Gesellschafter nur für die bis zu seinem Ausscheiden begründeten Verbindlichkeiten, soweit sie vor Ablauf von fünf Jahren nach dem Ausscheiden fällig werden. Ansprüche aus diesen Verbindlichkeiten verjähren wiederum innerhalb der für die jeweilige Verbindlichkeit geltenden Verjährungsfrist, längstens jedoch in drei Jahren. Der Bf haftet daher keinesfalls für Verbindlichkeiten, die nach seinem Ausscheiden begründet wurden. Für Verbindlichkeiten, die vor seinem Ausscheiden begründet wurden, haftet er nur dann, wenn sie vor Ablauf von fünf Jahren nach dem Ausscheiden fällig werden. Haftet ein Gesellschafter demnach für Gesellschaftsverbindlichkeiten über den Zeitpunkt seines Ausscheidens hinaus, verjähren daraus resultierende Ansprüche gegen ihn spätestens nach drei Jahren. Diese dreijährige Frist beginnt für Verbindlichkeiten, die bereits vor dem Ausscheiden fällig wurden, mit dem Ende des Tages, an dem das Ausscheiden des Gesellschafters in das Firmenbuch eingetragen wird (§ 160 Abs 2 UGB). Für später fällig werdende Verbindlichkeiten beginnt sie erst mit dem Zeitpunkt der Fälligkeit zu laufen.
Da § 238 BAO durch die einschlägigen Bestimmungen des UGB verdrängt wird, müssen Unterbrechungs- und Hemmungstatbestände wie im Zivilrecht nur dann gegenüber dem ausgeschiedenen Gesellschafter wirken, wenn sie (auch) ihm gegenüber gesetzt wurden. Dies gilt nicht, wenn der Unterbrechungs- oder Hemmungstatbestand vor dem Ausscheiden aus der Gesellschaft verwirklicht wurde, weil insoweit keine zivilrechtliche Sonderregelung besteht, die den § 238 BAO verdrängen könnte. Die dreijährige Verjährungsfrist des § 160 Abs 1 UGB ist aber auch in einem solchen Fall zu beachten, sodass spätestens drei Jahre nach dem Ausscheiden des Gesellschafters ihm gegenüber Verjährung eintritt, auch wenn die Verjährung der Gesellschaft noch darüber hinaus weiterlaufen sollte.
In Bezug auf den vorliegenden Fall bedeutet das, dass für jene Abgaben, die vor dem Ausscheiden aus der Gesellschaft fällig wurden, die dreijährige Verjährungsfrist des § 160 Abs 1 iVm Abs 2 UGB am Ende jenes Tages beginnt, an dem sein Ausscheiden aus der Gesellschaft in das Firmenbuch eingetragen wurde, also am 20. 10. 2018. Die Verjährungsfrist endete damit am 20. 10. 2021, sodass diese bei Erlassung des Haftungsbescheids am 28. 1. 2022 bereits abgelaufen war. Darüber hinaus kann der Bf auch nicht für Abgabenschulden zur Haftung herangezogen werden, die erst in Zeiträumen nach seinem Ausscheiden entstanden sind. Im vorliegenden Fall konnte der Bf daher nur noch für Aussetzungszinsen zur Haftung herangezogen werden, die vor Ausscheiden des Bf aus der KG entstanden, aber erst nach seinem Ausscheiden am 13. 3. 2019 fällig wurden. Die dreijährige Verjährungsfrist war für diese Aussetzungszinsen im Zeitpunkt der Erlassung des Haftungsbescheids am 28. 1. 2022 noch nicht abgelaufen. Daher zog das BFG den Bf letztendlich nur zur Haftung für die betroffenen Aussetzungszinsen iHv 2.000,29 € heran. Die Revision wurde zugelassen, weil zur Frage, ob und inwieweit die Bestimmung des § 238 BAO in Bezug auf persönlich haftende (ehemalige) Gesellschafter einer KG gem § 12 BAO durch die einschlägigen Regelungen des UGB verdrängt wird, noch keine Rsp des VwGH vorliegt.
Conclusio
Dem Umfang der Haftung von ehemaligen Gesellschaftern einer Personengesellschaft für Abgabenschulden der Gesellschaft wurde bisher in der Literatur nur wenig Aufmerksamkeit geschenkt. Sowohl das BFG als auch die gängigen Kommentarmeinungen (zB Ritz/Koran, BAO7 [2021] § 238 Rz 10a; Predota/Rzeszut in Rzeszut/Tanzer/Unger, BAO2.06 [2023] § 238 Rz 22) verweisen lediglich auf die Entscheidung des UFS vom 22. 3. 2006, RV/0684-L/04. Nach Ansicht des UFS ist § 12 BAO dahin gehend auszulegen, dass der Verweis auf die einschlägigen zivilrechtlichen Haftungsbestimmungen als lex specialis der allgemeinen Bestimmung des § 238 BAO vorgeht. Gerade im Hinblick darauf, dass der ehemalige Gesellschafter keinen Einfluss mehr auf die Geschäfte der Gesellschaft nehmen kann, ist diese Ansicht durchaus überzeugend. Es gibt keinen ersichtlichen Grund, wieso im Bereich der Verjährung bei Abgabenschulden ein strengerer Maßstab als bei anderen Verbindlichkeiten gesetzt werden sollte. Fraglich ist, ob diese Ansicht auch dann beibehalten werden kann, wenn die Verjährungsfrist vor dem Ausscheiden des Gesellschafters durch das Finanzamt iSd § 238 Abs 2 BAO unterbrochen wurde. In diesem Fall könnte die Verjährungsfrist entweder mit dem Ausscheiden des Gesellschafters oder mit dem Ende der Unterbrechung der Verjährung gegenüber der Gesellschaft (gem § 238 BAO mit Ablauf des Jahres, in welchem die Unterbrechung eingetreten ist) enden. Nach Ansicht des BFG startet die dreijährige Verjährungsfrist dennoch im Zeitpunkt des Ausscheidens des Gesellschafters (so auch Koppensteiner/Auer in Straube/Ratka/Rauter, UGB I4 [2020] § 160 Rz 16).