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BFG zur KESt-Rückerstattung an einen US-Trust und zur Vereinbarkeit von § 188 InvFG vor und nach AIFMG mit der Kapitalverkehrsfreiheit

Bearbeiter: Valentin Bendlinger

InvFG 2011 idF vor AIFMG: § 186, 188

InvFG 2011 idF nach AIFMG: § 186, 188

KStG: § 1 Abs 3 Z 1 lit a, 21 Abs 1 Z 1a

Abstract

Eine US-amerikanische Investmentgesellschaft (im Folgenden US-Trust) begehrt die Rückerstattung der DBA-konform einbehaltenen finalen KESt auf diverse Dividenden aus österreichischen Portfoliobeteiligungen nach § 21 Abs 1 Z 1a KStG. Das Vorferfahren zu der hier behandelten Entscheidung gab dem VwGH Gelegenheit in einer vielbeachteten Entscheidung vom 13.01.2021, Ro 2018/13/0003 (siehe zu dieser Entscheidung V. Bendlinger, Rechtsnews 31085) erstmals eine Prüfungsreihenfolge für die ertragsteuerliche Einordnung von ausländischen Investmentgesellschaften zu entwickeln. Der VwGH kam zu dem Ergebnis, dass die österreichische Durchgriffsbesteuerung sowohl nach § 188 InvFG 2011 vor als auch nach AIMFG nur dann zur Anwendung kommen kann, wenn das Vehikel nach § 1 Abs 3 Z 1 lit a KStG einer inländischen Kapitalgesellschaft vergleichbar ist und diesem tatsächlich Einkünfte zugerechnet werden können. Der VwGH hob das Erkenntnis folglich wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes auf und verwies zur neuerlichen Entscheidung an das BFG. Im hier thematisierten Erkenntnis war das BFG nun berufen, den US-Trust (i) einem Typenvergleich zu unterziehen, (ii) die Einkünftezurechnung zu prüfen und letztlich zu entscheiden, (iii) ob die einbehaltene KESt tatsächlich rückerstattet werden muss. Zugleich hatte das BFG nun auch die österreichische Durchgriffsbesteuerung nach § 188 InvFG 2011 an der Kapitalverkehrsfreiheit zu messen.

BFG 22.4.2022, RV/7100203/2021

Sachverhalt

Die Beschwerdeführerin (im Folgenden Bf) – ein US-Trust – wurde 2001 nach dem US-Gesellschaftsrecht (dem sogenannten Delaware Statutory Trust Act, Title 12, §§ 3801 ff) errichtet, wodurch diesem eigenständige Rechtspersönlichkeit zukommt. Die Bf besteht dabei aus mehreren Teilfonds, die jeweils ein eigenes Sondervermögen, einen eigenen Rechnungskreis und in den USA jeweils eigene Steuersubjekte bilden. Nach dem US-Steuerrecht kann die Bf wählen, entweder die Einkünfte aus den Kapitalanlagen der Einkommensbesteuerung zu unterziehen oder durch Ausschüttung von mindestens 90 % der Erträge (ohne realisierte Wertsteigerungen) an die Anteilsinhaber von einer Steuerbefreiung Gebrauch zu machen. Entsprechend ihrer Anlagestrategie hat die Bf für die Jahre 2013 und 2014 und auch für die nachfolgenden Wirtschaftsjahre eine Vollausschüttung vorgenommen, sodass in den USA keine Bundeseinkommensteuer zu entrichten war. Folglich konnte die in diesen Jahren einbehaltene österreichische KESt nicht auf die US-Steuerschuld angerechnet werden. Strittig ist, ob die Bf nach § 21 Abs 1 Z 1a KStG die Rückerstattung der in den Jahren 2013 und 2014 DBA-konform einbehaltenen KESt auf diverse Portfoliodividenden begehren kann.

Entscheidung des BFG

Das Erkenntnis des BFG hält sich streng an die vom VwGH im Vorverfahren vorgegebene Prüfungsreihenfolge. Zunächst prüft das BFG daher ausführlich den Typenvergleich und führt aus, dass dieser anhand eines individuell-konkreten zweistufigen Verfahrens durchzuführen ist: Im ersten Schritt ist die gesellschaftsrechtliche Struktur des Rechtsgebildes anhand der Gesetzeslage und der Rechtsgrundlage des Gebildes (insbesondere Satzung, Gesellschaftsvertrag, Errichtungsurkunde oder ähnliches) im Gründungsstaat zu ermitteln. Im zweiten Schritt ist das konkrete ausländische Rechtsgebilde mit jenem Typus einer inländischen Körperschaft zu vergleichen, die dem ausländischen Gebilde am nächsten kommt. Das BFG listet dabei zwölf Kriterien, stellt allerdings fest, dass die Beurteilung dennoch nach dem Gesamtbild der Verhältnisse zu erfolgen hat und schwächer ausgebildete Merkmale durch stärker ausgeprägte kompensiert werden können. Im Ergebnis hegt das BFG keine Zweifel an der Vergleichbarkeit der Bf mit einer inländischen juristischen Person des privaten Rechts gemäß § 1 Abs 3 Z 1 lit a KStG. Auch an der Zurechenbarkeit der erzielten Dividendeneinkünfte zur Bf hegt das BFG keine Zweifel. Da sich im Streitzeitraum die Rechtslage durch das AIFMG (BGBl 135/2013) geändert hat, prüft das BFG die Anwendbarkeit der Durchgriffsbesteuerung iSd InvFG als Vorfrage für die KESt-Rückerstattung nach § 21 Abs 1 Z 1a KStG jeweils getrennt für die im Jahr 2013 als auch im Jahr 2014 einbehaltene KESt.

Für die im Jahr 2013 einbehaltene KESt war § 188 InvFG idF vor dem AIFMG (BGBl 135/2013) anwendbar. Das BFG betont, dass der VwGH mit Verweis auf Entscheidungen vom 12.09.2018, Ra 2017/13/0027 und 11.9.2020, Ra 2020/13/0006 im aufhebenden Erkenntnis eine Beschränkung der Kapitalverkehrsfreiheit erkannt und § 188 InvFG idF vor dem AIFMG als verdrängt angesehen hat. Auch das BFG kommt in diesem Erkenntnis zu dem Schluss, dass der Beschränkung durch § 188 InvFG idF vor dem AIFMG kein tauglicher Rechtfertigungsgrund gegenüber steht. Für die im Jahr 2013 einbehaltene KESt steht nach dem BFG eine Rückerstattung nach § 21 Abs 1 Z 1a KStG zu.

In Bezug auf die Prüfung der im Jahr 2014 einbehaltenen KESt auf die erzielten Dividendeneinkünfte geht das BFG auf die durch das AIFMG (BGBl 135/2013) bewirkte Novelle von § 186 Abs 1 und § 188 InvFG ein. Seit dieser Gesetzesänderung – so das BFG – kommt die investmentfondsspezifische transparente Besteuerungssystematik unabhängig der Rechtsform des ausländischen Vehikels zur Anwendung. Österreichische Körperschaften, die materiellrechtlich ein OGAW oder AIF sind, werden somit seit 2014 gleichbehandelt wie ausländische OGAW oder AIF sowie die in § 188 Abs 1 Z 3 InvFG 2011 definierten ausländischen Gebilde, die ihr Vermögen nach den Grundsätzen der Risikostreuung veranlagen und keine OGAW oder AIF sind. Nach dem BFG bleibt die wirtschaftliche Doppelbesteuerung auf der Gesellschafterebene mit inländischer und US-Quellensteuer zwar bestehen, es wird aber keine Diskriminierung mehr bewirkt, weil einer vergleichbaren inländischen Körperschaft ebenfalls der KESt-Abzug verweigert wird. Nach dem BFG sind die zugeflossenen inländischen Dividenden daher ungeachtet der körperschaftlichen Rechtsform in gemeinschaftskonformer Weise direkt den Anteilsinhabern zuzurechnen. Der US-Trust ist sohin nicht Schuldner der KESt und erfüllt den Rückzahlungtatbestand des § 21 Abs 1 Z 1a KStG 1988 („[…] ist die Kapitalerstragsteuer für die von ihr bezogenen Einkünfte gemäß § 27 Abs 2 Z 2 lit a, b, und c des EStG 1988 auf Antrag zurückzuzahlen […]“) nicht. Hinsichtlich der 2014 einbehaltenen KESt verneint das BFG daher einen Anspruch auf KESt-Rückerstattung nach § 21 Abs 1 Z 1a KStG. Die Revision lässt das BFG nur in Bezug auf die Frage zu, ob ein Rechtfertigungsgrund für die durch § 188 InvFG idF vor dem AIFMG (BGBl 135/2014) bewirkte Diskriminierung vorgebracht werden kann.

Conclusio

Die KESt-Rückerstattung nach § 21 Abs 1 Z 1a KStG an ausländische Investmentgesellschaften hat das BFG und den VwGH im letzten Jahr gleich mehrfach beschäftigt (umfassend in der Literatur siehe insb Bodis, SWK 9/2021, 609-612; Schmaranzer, taxlex 4/2022, 142 ff): Ausgangspunkt war der Antrag auf KESt-Rückerstattung des auch hier verfahrensführenden US-Trusts und die Entscheidung vom 13.1.2021, Ro 2018/13/0003 (siehe zu dieser Entscheidung V. Bendlinger, Rechtsnews 31085) in der der VwGH die in der Literatur bereits längst erarbeitete Prüfungsreihenfolge (allen voran G. Kofler, Abschirmwirkung [2002] 459) zur Einordnung ausländischer Vehikel bestätigt hat: Erst nach Durchführung des Typenvergleichs und nach Klärung der Einkünftezurechnung kommt die Anwendung des InvFG in Betracht. Der VwGH bestätigte seine Rechtsansicht zu einer inhaltlich identen Rechtsfrage in VwGH 30.6.2021, Ro 2018/13/0011 (zu dieser Entscheidung siehe Lawson, Rechtsnews 31854) in Bezug auf eine irische Investmentfondgesellschaft (irische Plc). Auch hier wurde das BFG neuerlich zur Entscheidung berufen (BFG 23.08.2021, RV/7101805/2021) und hat die KESt-Rückerstattung mangels Rechtfertigung für die diskriminierende Bestimmung des § 42 InvFG 1993 bzw § 188 InvFG 2011 vor dem AIFMG (BGBl 135/2013) schließlich bejaht (zu dieser Entscheidung siehe V. Bendlinger, Rechtsnews 31909). Die Rechtssache ist nach außerordentlicher Amtsrevision wieder beim VwGH anhängig. In einer wiederum nahezu inhaltsgleichen und mittlerweile rechtskräftigen Entscheidung zu einer luxemburgischen Investmentgesellschaft (SICAV) hat das BFG (BFG 4. 7.2021, RV/7100668/2010) die KESt Rückerstattung ebenfalls aufgrund der Unionsrechtswidrigkeit des InvFG vor dem AIFMG zugelassen (zu dieser Entscheidung siehe V. Bendlinger, Rechtsnews 31427). Die vorliegende Entscheidung ist insofern von besonderer Signifikanz, als zum Ersten für das Streitjahr 2014 erstmals die Unionsrechtskonformität des der aktuellen Rechtslage entsprechenden § 188 InvFG 2011 idF nach AIMFG und zum Zweiten im Unterschied zu den anderen soeben angeführten Verfahren eine Drittstaatsgesellschaft auf dem Prüfstand steht. Kommt die Durchgriffsbesteuerung nach § 188 InvFG zur Anwendung, ist eine KESt-Rückerstattung nach § 21 Abs 1 Z 1a KStG mangels KESt-Schuldnerschaft von vornherein ausgeschlossen. Der VwGH hat die Unionsrechtskonformität von § 188 InvFG 2011 idF nach AIFMG im Vorverfahren bereits bejaht (VwGH 13.1.2021, Ro 2018/13/0003) und auch die Literatur hegt bisweilen keine Zweifel gegen deren Vereinbarkeit mit der Kapitalverkehrsfreiheit (Bodis, SWK 9/2021, 609-612). Es bleibt jedenfalls mit Spannung abzuwarten, ob die hier diskutierte „KESt-Rückerstattungs-Saga“ nun bald ihr Ende findet. Bemerkenswert ist zudem, dass die diversen Verfahren nun Anlass für eine gesetztliche Änderung gegeben haben (siehe unter Verweis auf VwGH 11.0.2020, Ra 2020/13/0006, ME AbgÄG 2022, 202/ME 27. GP Erläut 2; zu der dort zitierten Entscheidung wiederum V. Bendlinger, Rechtsnews 30617). Mit dem in Begutachtung befindlichen AbgÄG 2022 soll in § 21 Abs 1 Z 1a KStG (siehe ME AbgÄG 2022, 202/ME 27. GP 7), explizit klargestellt werden, dass auch für Drittstaatsgesellschaften eine KESt-Rückerstattung zusteht, wenn mit dem Ansässigkeitsstaat eine umfassende Amtshilfe besteht und die Drittstaatsgesellschaft zu weniger als zu einem Zehntel am Kapital des Abzugsverpflichteten (§ 95 Abs. 2 Z 1 lit. a Einkommensteuergesetz 1988) beteiligt ist.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 32738 vom 01.07.2022