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BFG zur Mutwillensstrafe bei aussichtslosem Anbringen

Bearbeiter: Michael Hubmann

BAO: § 112a

Abstract

Das BFG hatte zu beurteilen, ob ein neuerliches Anbringen per E-Mail nach vorheriger Beantwortung eines wortidenten Anbringens die Verhängung einer Mutwillensstrafe rechtfertigt. Das BFG entschied, dass mit mehrfachen nahezu wortidenten Anbringen kein sinnvolles und hinsichtlich des gegenständlichen Auskunftsbegehrens zweckmäßiges Verfahrensergebnis erreicht werden kann. Ein derartiges Vorgehen ist eine bewusste und nutzlose Behelligung gerichtlicher Organe und rechtfertigt daher eine Mutwillensstrafe.

BFG 6. 9. 2024, AO/5100023/2024

Sachverhalt

Der Antragsteller (ASt) hat am 21. 5. 2024 per E-Mail ein Anbringen an den Präsidenten des BFG gerichtet. Darin beklagte er sich ua darüber, dass seine Gesundheitsdaten, die im Rahmen eines anderen ihn betreffenden Rechtsmittelverfahrens zu Arbeitnehmerveranlagungen vor dem BFG (RV/5100803/2020) erhoben wurden, nicht ausreichend geschützt wurden. Dazu wurde dem ASt vom BFG am 17. 6. 2024 per E-Mail mitgeteilt, dass er grundsätzlich mittels Antrags auf Akteneinsicht sein Recht auf Auskunft gem Art 15 DSGVO nach Maßgabe der §§ 90 und 90a BAO wahrnehmen könnte. Ein solcher Antrag auf Akteneinsicht wäre bei der Außenstelle Linz des BFG einzubringen. In Reaktion hierauf erging seitens des ASt am 26. 8. 2024 eine mit dem Anbringen vom 21. 5. 2024 – von der Anrede abgesehen – wortidente E-Mail an den Leiter der BFG-Außenstelle in Linz. Es wurde erneut lediglich beantragt „innerhalb der gesetzlichen Frist eine entsprechende Stellungnahme zu übermitteln“. Auf das Recht auf Akteneinsicht wurde nicht Bezug genommen.

Beschluss des BFG

Gem § 2a BAO haben Verwaltungsgerichte die BAO jedenfalls dann anzuwenden, wenn die Beschwerde eine im Anwendungsbereich der BAO tätige (oder säumige) Abgabenbehörde iSd §§ 1 und 2 BAO trifft. Das gegenständliche E-Mail-Anbringen nimmt Bezug auf ein Rechtsmittelverfahren betreffend Arbeitnehmerveranlagungen, sodass unzweifelhaft die Voraussetzungen der Anwendbarkeit der Bestimmungen der BAO nach § 2a BAO gegeben sind. Im Beschwerdeverfahren haben die Verwaltungsgerichte gem § 269 Abs 1 BAO die gleichen Obliegenheiten und Befugnisse, die den Abgabenbehörden auferlegt und eingeräumt sind. Die Verwaltungsgerichte haben im Rahmen des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens nach § 269 Abs 1 BAO Mutwillensstrafen iSd § 112a BAO erstmals festzusetzen. Diese Festsetzungen werden dann erforderlich, wenn sie der Erreichung der Verfahrensziele dienen. Gem § 112a BAO kann die Abgabenbehörde gegen Personen, die offenbar mutwillig die Tätigkeit der Abgabenbehörde in Anspruch nehmen oder in der Absicht der Verschleppung der Angelegenheit unrichtige Angaben machen, eine Mutwillensstrafe bis zu 700 € verhängen. Mit einer Mutwillensstrafe kann auch geahndet werden, wer „in welcher Weise immer“ die Tätigkeit eines Verwaltungsgerichtes in Anspruch nimmt (vgl VwGH 16. 2. 2012, 2011/01/0271; zu § 35 AVG). Sobald ein verwaltungsgerichtliches Organ eine an das Verwaltungsgericht gerichtete Eingabe liest, ein mündliches Anbringen oder einen telefonischen Anruf entgegennimmt, wird dessen Tätigkeit in Anspruch genommen. Daher kann ein derartiger Vorgang, wenn er im Bewusstsein durchgeführt wurde, das Gericht zweck- und nutzlos zu behelligen, für die Verhängung einer Mutwillensstrafe ausreichender Anlass sein, ohne dass dadurch eine weitere Tätigkeit des Gerichtes bewirkt werden muss (vgl VwGH 4. 3. 1964, 1829/63; zu § 35 AVG). Im vorliegenden Fall wurde eine nahezu wortidente Eingabe des ASt durch das Präsidialbüro im Auftrag des Präsidenten des BFG mit Erledigung vom 17. 6. 2024 beantwortet. Nunmehr wendet sich der Einschreiter mit dem gleichen Anliegen an den Leiter der BFG-Außenstelle Linz. Ein derartiges Vorgehen ist eine bewusste nutzlose Behelligung gerichtlicher Organe, da mit mehrfachen nahezu wortidenten Anbringen kein sinnvolles und hinsichtlich des gegenständlichen Auskunftsbegehrens zweckmäßiges Verfahrensergebnis erreicht werden kann. Die Mutwilligkeit der Behelligung ist – aufgrund der Anstellung des ASt („Dies ist für einen Mitarbeiter im ***2*** jedenfalls erkennbar“) – evident. Es war daher gegen den ASt eine Mutwillensstrafe iHv 350 € zu verhängen.

Die Festsetzung der Mutwillensstrafe liegt sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach im Ermessen des BFG. Dabei ist etwa die Neigung des ASt zur Geltendmachung aussichtsloser Erledigungsansprüche oder der verursachte Verwaltungsaufwand zu berücksichtigen (vgl BFG 27. 3. 2016, RV/5100601/2016). Gerade die mehrfache Einbringung nutzloser Eingaben, obwohl der im Gesetz vorgesehene Rechtsweg – Revision gegen das BFG-Erk zu den Arbeitsnehmerveranlagungen (RV/5100803/2020) – nicht ausgeschöpft wurde, ist nur durch eine Neigung des ASt zur Geltendmachung aussichtsloser Erledigungsansprüche erklärbar. Daher ist es zweckmäßig, eine Mutwillensstrafe festzusetzen, zumal aufgrund der Anstellung des ASt erwartet werden kann, dass er Organe des BFG in eigenen Abgabenangelegenheiten nicht sinnlos, unter Außerachtlassung der aufgezeigten Revisions- und Beschwerdemöglichkeiten behelligt. Berechtigte Interessen, die einer Festsetzung entgegenstehen, sind nicht erkennbar. Die Höhe der festgesetzten Strafe ist angemessen, da dieser auch präventive Wirkung zukommen soll. Dies kann bereits mit einer Strafe von 350 € in Höhe der Hälfte des höchstmöglichen Ausmaßes erreicht werden.

Gegen den gegenständlichen Beschluss ist die Revision zulässig, da zur Frage, ob das BFG für sinnlose Anbringen eine Mutwillensstrafe verhängen kann, keine Rsp des VwGH vorliegt.

Conclusio

§ 112a BAO hat § 35 AVG zum Vorbild, weshalb das BFG im vorliegenden Fall auf die Rsp des VwGH zu § 35 AVG zurückgreift. Der Tatbestand von § 112a BAO verlangt eine offenbar mutwillige Inanspruchnahme der Abgabenbehörde. „Mutwillig“ handelt, wer sich im Bewusstsein der Grund- und Aussichtslosigkeit, der Nutz- und Zwecklosigkeit seines Anbringens an die Behörde wendet, sowie wer aus Freude an der Behelligung der Behörde handelt (vgl Ritz/Koran, BAO7 [2021] § 112a Rz 4 mwN). „Offenbar“ ist eine Mutwilligkeit dann, wenn die wider besseres Wissen erfolgte Inanspruchnahme unter solchen Umständen geschieht, dass jedermann die Aussichtslosigkeit, den angestrebten Erfolg zu erreichen, hätte erkennen müssen (vgl Ritz/Koran, BAO7 § 112a Rz 5 mwN). Es erscheint fraglich, ob allein das Versenden einer wortidenten E-Mail an eine andere Stelle des BFG bereits eine offenbare Mutwilligkeit darstellt. Das BFG verweist diesbezüglich im gegenständlichen Beschluss zweimal auf die Stellung des ASt als „Mitarbeiter im ***2***“. Aufgrund der Anonymisierung ist nicht abschätzbar, welch erhöhter Maßstab an den ASt vom BFG hier angelegt wird (es darf wohl eine öffentliche Anstellung in einem Amt, Ministerium oder Gericht vermutet werden). Tanzer hebt hervor, dass sich der Mutwille dahingehend manifestieren muss, dass überhaupt keine berechtigten Interessen an dem angestoßenen Tätigwerden erkennbar sein können. Sollte dies dem ASt nicht bewusst sein, so bedarf es vorheriger Klärung, allenfalls verbunden mit einer Strafandrohung (vgl Tanzer/Unger, BAO-HB [2016] 324). Die sofortige Verhängung einer Mutwillensstrafe bei der vorliegenden einmaligen Wiederholung des Anbringens erscheint in diesem Licht jedenfalls recht streng.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 36075 vom 11.11.2024