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EStG 1988: § 10, § 11, § 124b Z 386
Abstract
Werden bei Betriebsaufgabe einzelne Wirtschaftsgüter zurückbehalten, für die bei Anschaffung der investitionsbedingte Gewinnfreibetrag geltend gemacht wurde, die Behaltefrist aber noch nicht abgelaufen ist, kommt es zur Nachversteuerung gem § 10 Abs 5 EStG. Ob die Wirtschaftsgüter veräußert oder bloß ins Privatvermögen übergehen und weiterhin gehalten werden, ist dafür unbeachtlich.
BFG 3. 2. 2023, RV/6100182/2022
Sachverhalt
Mit ihrem Pensionsantritt veräußerte die Beschwerdeführerin (Bf) zum 31. 3. 2020 ihre ärztliche Ordination. In den Jahren 2016-2019 hatte sie Wertpapiere angeschafft und für diese jeweils den investitionsbedingten Gewinnfreibetrag geltend gemacht. Diese Wertpapiere wurden allerdings ihm Rahmen der Veräußerung nicht auf den Erwerber übertragen, sondern gingen in das Vermögen der Bf über.
Das Finanzamt erließ nun einen Einkommensteuerbescheid, in dem der Differenzbetrag zwischen Kurswert laut Depotauszug und anteiligem Buchwert der Wertpapiere zur Nachversteuerung kam. Dies, da es sich um eine begünstigte Betriebsaufgabe gem § 37 Abs 5 EStG handelte, zum Hälftesteuersatz. Dagegen richtete sich die Beschwerde der Bf.
Entscheidung des BFG
Gem § 10 Abs 1 EStG dürfen Personen bei der Gewinnermittlung eines Betriebes einen Gewinnfreibetrag gewinnmindernd gelten machen. Übersteigt die Bemessungsgrundlage 30.000 € muss dieser Freibetrag allerdings durch die Anschaffungs- oder Herstellungskosten begünstigter Wirtschaftsgüter gedeckt sein. Seit 2016 sind auch Wertpapiere solche begünstigten Wirtschaftsgüter (§ 10 Abs 3 Z 2 EStG).
Scheiden diese Wirtschaftsgüter vor dem Ablauf der in § 10 Abs 3 Z 2 EStG vorgesehenen vierjährigen Behaltefrist aus dem Betriebsvermögen aus, ist der entsprechende Anteil des geltend gemachten Gewinnfreibetrags gewinnerhöhend anzusetzen. Im vorliegenden Fall ist diese Frist unstrittig noch nicht erfüllt. Dies auch nicht bezüglich der im Jahr 2016 angeschafften Wertpapiere, da die Frist tageweise läuft und die Anschaffung am 1. 12. 2016 erfolgte.
Unter Verweis auf die Literatur führt das BFG aus, dass der wertpapiergedeckte Gewinnfreibetrag eine Begünstigung mit dem Zweck der Stärkung des Betriebsvermögens ist. Bei einer Betriebsaufgabe gehen begünstigte Wirtschaftsgüter in das Privatvermögen über. Dem Zweck der Begünstigung könne in diesem Fall offenkundig nicht mehr entsprochen werden, da es den Betrieb (wie hier aufgrund einer Betriebsaufgabe) nicht mehr gibt (vgl Atzmüller, Nochmals: Der Gewinnfreibetrag im Fall einer Betriebsveräußerung oder -aufgabe - In welchen Fällen ist nach § 10 EStG nachzuversteuern? SWK 2017, 656; M. Mayer, Nachversteuerung bei Betriebsaufgabe innerhalb der Behaltefrist von Gewinnfreibetragswertpapieren, BFGjournal 2020, 240).
Der Übergang der Wertpapiere in das Privatvermögen durch die Betriebsaufgabe führt daher gem § 10 Abs 5 Z 1 EStG zur Nachversteuerung des ursprünglich geltend gemachten investitionsbegünstigten Gewinnfreibetrages. Daraus ergäben sich auch keine verfassungsrechtlichen Bedenken.
Da es noch keine hgRsp zur Frage der Nachversteuerung von mit Wertpapieren gedeckten Gewinnfreibeträgen bei einer Betriebsaufgabe gibt, wurde die ordentliche Revision zugelassen; soweit ersichtlich, aber noch nicht erhoben.
Conclusio
In Einklang mit der hL und seiner Judikatur (vgl BFG 13. 1. 2020, RV/5100617/2018) beurteilte das BFG die Zurückbehaltung von begünstigten Wertpapieren bei Veräußerung des Betriebes als „Ausscheiden“ iSd § 10 Abs 5 EStG. Bei Übertragungsvorgängen ist daher darauf zu achten, dass jene Wirtschaftsgüter, die unter Geltendmachung des investitionsbegünstigten Gewinnfreibetrages angeschafft wurden, dem Betrieb (oder Teilbetrieb) erhalten bleiben (siehe zu Umgründungsvorgängen zB Kanduth-Kristen in Jakom EStG15 [2022] § 10 Rz 29).
Ähnlich geregelt ist auch der Investitionsfreibetrag gem § 11 EStG iVm § 124b Z 386 EStG idF BGBl I 2022/10: Auch dieser ist nachzuversteuern, sollte das begünstigte Wirtschaftsgut vor Ablauf der vierjährigen Behaltefrist ausscheiden.