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BFG zur statischen Interpretation und zur fremdüblichen Übertragung einer Beteiligung nach dem DBA Österreich-Ungarn

Bearbeiter: Kilian Posch

DBA Österreich-Ungarn: Art 5, Art 13 Abs 3

Abstract

Im vorliegenden Fall war fraglich, ob Veräußerungsgewinne von Beteiligungen, die der in Österreich ansässige Beschwerdeführer (Bf) im Betriebsvermögen seiner in Ungarn betriebenen Landwirtschaft hielt, in Österreich zu besteuern sind. Da das DBA Österreich-Ungarn (im Folgenden DBA-Ungarn) aus dem Jahre 1975 im Wesentlichen dem OECD-Musterabkommen (OECD-MA) von 1963 nachempfunden ist, entschied das BFG in statischer Interpretation des Abkommens, dass Landwirte mangels abkommensrechtlicher Unternehmenseigenschaft keine Betriebsstätte iSd Art 5 DBA-Ungarn begründen können und die Veräußerungsgewinne daher nur im Ansässigkeitsstaat zu besteuern sind. Selbst bei einer dynamischen Interpretation des Abkommens, die die Zulässigkeit von landwirtschaftlichen Betriebsstätten zufolge hätte, wäre die Beteiligung aber im österreichischen Stammhaus der Landwirtschaft verblieben, weil es nie zu einer ausreichend dokumentierten und fremdüblichen Übertragung der Beteiligungen auf die ungarische Betriebsstätte gekommen ist. Die Revision ist zugelassen.

BFG 12. 5. 2025, RV/5100407/2023

Sachverhalt

In einer auf die Kernfrage reduzierten Sachverhaltsdarstellung betreibt der in Österreich ansässige Bf seit 2005 eine Landwirtschaft als Einzelunternehmer in Ungarn. Während er dafür durchschnittlich 160 Tage im Jahr in Ungarn verbringt, nimmt er als einziger Mitarbeiter der Landwirtschaft auch wesentliche Funktionen der Tätigkeit, wie die unternehmerische Entscheidungsfindung und die Rechnungsstellung, an seinem Wohnsitz in Österreich wahr. Zudem hielt der Bf 90%ige Beteiligungen an zwei Gesellschaften (Kft), deren Geschäftsführer er auch war. Die beiden Gesellschaften und das Einzelunternehmen waren eng miteinander verbunden und ermöglichten die Einsparung von Kosten, weshalb die Beteiligungen nach gerichtlicher Würdigung des SV dem notwendigen Betriebsvermögen der Landwirtschaft zugeordnet wurden. Die Beteiligungsverwaltung wurde vom Bf in Österreich ausgeübt. Im Jahr 2018 verkaufte der Bf seine Beteiligungen an den Gesellschaften, erklärte die Veräußerungsgewinne in Österreich jedoch nicht. Das österreichische Finanzamt sah das Besteuerungsrecht für die Veräußerungsgewinne in Österreich, weil der Bf die Beteiligungen im österreichischen Stammhaus der Landwirtschaft und nicht in der ungarischen Betriebsstäte gehalten hätte.

Entscheidung des BFG

Das BFG stellte zunächst klar, dass das im Jahr 1975 abgeschlossene DBA-Ungarn weitgehend dem OECD-MA aus dem Jahr 1963 entspricht. In den Punkten 13 und 14 des Kommentars zum OECD-MA 1963 wird dargelegt, dass nach dem damaligen Verständnis zur Vermeidung der Doppelbesteuerung Regeln für die verschiedenen Einkunftsarten erforderlich sind. Art 7 OECD-MA 1963 (Unternehmensgewinne) knüpft bei der Zuweisung des Besteuerungsrechtes an das Betriebsstättenmerkmal an, wobei Art 5 nach dem Wortlaut das Vorliegen eines Unternehmens verlangt. Hingegen wird nach Punkt 21 des Musterkommentars bei den Einkünften aus freiberuflicher Tätigkeit anstelle der Betriebsstätte auf die „feste Einrichtung“ und bei Land- und Forstwirtschaft (Art 6) auf die Lage des unbeweglichen Vermögens abgestellt. Das BFG zitiert weiters die Judikatur des BFH, die feststellt, dass abkommensrechtlich alles, was als Land- und Forstwirtschaft iSd des Art 6 OECD-MA 1963 anzusehen ist, nicht unter den Begriff des Unternehmens iSd Art 7 fallen und damit auch keine Betriebsstätte begründen kann (vgl BFH 27. 10. 2011, I R 26/11 mwN). Art 13 Abs 3 DBA-Ungarn weist das Besteuerungsrecht an Veräußerungserträgen aus Beteiligungen grundsätzlich dem Ansässigkeitsstaat des Veräußernden zu. Eine Ausnahme hiervon ist lediglich im Rahmen des Betriebsstättenvorbehalts in Art 13 Abs 2 vorgesehen. In statischer Interpretation des DBA-Ungarn sind die Veräußerungsgewinne daher in Österreich zu besteuern. Auch wenn aus heutiger Sicht eine Landwirtschaft eine Betriebsstätte begründen könnte, führt dass BFG mithilfe einer Reihe von Literaturnachweisen aus, dass aus dogmatischen Gründen und verfassungsrechtlichen Bedenken zur Rechtsstaatlichkeit und Gewaltentrennung eine statische Interpretation von DBAs geboten ist (ua mVa Lang, Wer hat das Sagen im Steuerrecht? ÖStZ 2006, 203). Vertragsstaaten, insoweit sie den Text des OECD-MA übernehmen, können den Vorschriften des bilateralen Vertrags nur den Inhalt des OECD-MA beimessen, den sie zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses kannten (vgl auch VwGH 31. 7. 1996, 92/13/0172). Im DBA-Ungarn fehlt zudem der Verweis in Art 3 Abs 2, dass nach dieser Bestimmung das innerstaatliche Recht „im Anwendungszeitraum“ maßgebend ist.

Das BFG führt jedoch noch weiter aus, dass selbst bei dynamischer Interpretation des DBA-Ungarn das Besteuerungsrecht für die Veräußerungsgewinne Österreich zuzusprechen wäre: Gem Art 5 Abs 2 DBA-Ungarn ist insb ein Ort der Leitung als Betriebsstätte anzusehen, sodass der Bf mit seiner Landwirtschaft auch in Österreich über ein Stammhaus verfügt. Eine Übertragung zwischen österreichischer und ungarischer Betriebsstätte hätte nach dem „Relevant Business Activity Approach“ nur stattfinden können, wenn der Übertragungsvorgang fremdüblich und nach Außen ausreichend erkennbar gewesen wäre. Einen solchen Übertragungsvorgang von der verwaltenden österreichischen auf die ungarische Betriebsstätte konnte der Bf aber nicht nachweisen.

Die Beschwerde war somit abzuweisen. Da der VwGH aber vereinzelt auch, wenngleich wohl ohne Problembewusstsein, die dynamische Interpretation zur Auslegung von DBA herangezogen hat (VwGH 24. 11. 1999, 94/13/0233) und auch noch keine höchstgerichtliche Judikatur zum abkommensrechtlichen Erfordernis eines dokumentierten Übertragungsvorgangs von Beteiligungen zwischen Betriebsstätten vorliegt, wurde die Revision für zulässig erklärt.

Conclusio

Da das Finanzamt in seiner Beschwerdevorentscheidung das Besteuerungsrecht Österreichs damit begründete, dass die Beteiligungen trotz Vorliegens einer ungarischen Betriebsstätte im österreichischen Stammhaus der Landwirtschaft gehalten wurden, bezogen sich im vorliegenden Fall sowohl der Bf als auch die Amtspartei auf eine dynamische Auslegung des Abkommensrechts. Das BFG hat aber zutreffend und in Übereinstimmung mit einem Großteil der österreichischen Literatur (siehe zB Lang, Aussagen des VfGH zur Auslegung von Doppelbesteuerungsabkommen, SWI 2015, 569 [572 f]) und Judikatur (vgl zB VwGH 20. 9. 2001, 2000/15/0116) erkannt, dass ein DBA nicht mithilfe von Dokumenten auszulegen ist, die den Vertragsparteien – und somit dem Gesetzgeber – zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses nicht bekannt sein konnten. Zwar mag der VwGH implizit von dieser Linie im Einzelfall abgewichen sein (vgl hierzu auch Kofler in Aigner/Kofler/Tumpel, DBA2 [2019] Einleitung Rz 72), doch wäre es auch in Anbetracht der jüngeren VwGH-Rsp durchaus überraschend, wenn der VwGH sich vom Grundsatz der statischen Interpretation loslösen würde (vgl implizit zu einer ähnlichen Problemlage im DBA-Schweiz VwGH 8. 3. 2022, Ra 2022/15/0021, Rz 15 mVa VwGH 31. 7. 1996, 92/13/0172). Die Ausführungen des BFG zur Fremdüblichkeit von Veräußerungsvorgängen zwischen Betriebsstätten und deren eingeschränkter Selbstständigkeitsfunktion (Relevant Business Activity Approach) sind daher nicht als entscheidungsrelevant anzusehen.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 36961 vom 22.07.2025