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BFG zur Steuerpflicht veruntreuter Gelder des Arbeitgebers

Bearbeiter: Michael Hubmann

EStG 1988: §§ 16, 25

Abstract

Das BFG hatte zu entscheiden, ob von einer Arbeitnehmerin unter Ausnützung ihrer Anstellung veruntreute Gelder des Arbeitgebers der Einkommensteuerpflicht unterliegen. Das BFG kam zum Ergebnis, dass die veruntreuten Gelder unter den Tatbestand des § 25 Abs 1 Z 1 lit a EStG einzuordnen sind und folgte damit der Wurzeltheorie des VwGH. Die Einkünfte aus der Veruntreuung sind demnach steuerpflichtig, unterliegen aber nicht dem Lohnsteuerabzug, sondern sind im Veranlagungsweg direkt bei der Arbeitnehmerin zu erfassen.

BFG 26. 3. 2024, RV/7103295/2023

Sachverhalt

Die Bf war im Streitjahr 2021 bei einer Kfz-Spenglerei angestellt und bezog aus dieser Tätigkeit Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit. Im Rahmen einer am 10. 2. 2022 bei der Staatsanwaltschaft erstatteten Selbstanzeige gab die Bf bekannt, dass sie ihrem Arbeitgeber (AG) einen Betrag iHv insgesamt 331.601,79 € widerrechtlich entzogen habe. Sie war überwiegend allein im Büro beschäftigt und mit der Auftragsannahme, Buchhaltung und Fakturierung der Lackier- und Spenglerarbeiten betreut. Beginnend mit 27. 4. 2020 erstellte sie Rechnungen für tatsächlich erbrachte Werkaufträge auf einem ausgedienten Computersystem und gab auf diesen die Kontonummer ihres Sohnes, der selbst davon nichts gewusst habe, an. Vom Konto des Sohnes habe sie das Geld dann auf ein Konto in Deutschland transferiert und bar behoben. Das Beschäftigungsverhältnis wurde, als sie dem AG ihre Taten gestand, am 7. 2. 2022 beendet. Seit diesem Zeitpunkt leistet sie Zahlungen zur Schadenswiedergutmachung an den (ehemaligen) AG. Für das Jahr 2021 setzte das FA in Bezug auf die veruntreuten Gelder Einkünfte iHv 179.060,63 € fest. Hiergegen erhob die Bf Beschwerde und bestritt die Einordnung der veruntreuten Gelder als Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit.

Entscheidung des BFG

Gem § 25 Abs 1 Z 1 lit a EStG zählen Bezüge und Vorteile aus einem bestehenden oder früheren Dienstverhältnis zu den Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit. Gem § 23 Abs 2 BAO steht der Erhebung einer Abgabe nicht entgegen, wenn dem Steuerpflichtigen die Einnahmen aufgrund einer strafbaren Tätigkeit zufließen. Es entspricht der stRsp des VwGH, dass es zur Herstellung des Veranlassungszusammenhangs mit nichtselbstständigen Einkünften genügt, wenn die Einnahmen ihre Wurzel im Dienstverhältnis haben. Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit liegen auch dann vor, wenn ein Dienstnehmer eine ihm durch das Dienstverhältnis gebotene Gelegenheit nutzt, um sich zu bereichern und solcherart Vorteile erzielt. Zu den Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit zählen demnach nicht nur die im Dienstvertrag vereinbarten Entgelte, sondern auch alle anderen Vorteile, zu denen auch solche gehören, auf die kein Rechtsanspruch besteht und die sich der AN gegen den Willen des AG – etwa durch Veruntreuung oder Untreue – verschafft (vgl VwGH 31. 7. 2013, 2009/13/0194). Vorteile, die sich der AN gegen den Willen des AG verschafft, unterliegen nicht dem Steuerabzug, sondern sind im Veranlagungsweg zu erfassen (vgl VwGH 25. 2. 1997, 95/14/0112). Aus der Selbstanzeige der Bf vom 10. 2. 2022 ist unmissverständlich zu entnehmen, dass sie ihre Stellung als für Auftragsannahme, Buchhaltung und Fakturierung zuständige Angestellte dazu ausgenutzt hat, sich Kundengelder zuzueignen. Vor dem Hintergrund der genannten VwGH-Rsp hat das FA diese von der Bf erlangten Vorteile zu Recht den Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit zugeordnet. Dies hat das BFG auch bereits in einem Parallelerkenntnis zum Veranlagungsjahr 2020 erkannt (vgl BFG 1. 6. 2023, RV/7101374/2023 [gem § 23 Abs 3 BFGG nicht veröffentlicht]).

Kommt es zur Rückzahlung von Beträgen, die als Einnahmen iRd Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit zu erfassen waren, liegen Werbungskosten nach § 16 Abs 2 EStG vor (vgl VwGH 20. 11. 2019, Ra 2018/15/0014). Solche Werbungskosten kommen aber nur bei der Veranlagung des Kalenderjahres in Betracht, in dem die Rückzahlung der Einnahmen erfolgt (vgl VwGH 26. 11. 2002, 99/15/0154). Die Schadensgutmachung erfolgte durch die Bf erst ab dem Jahr 2022, weshalb eine Berücksichtigung im Streitjahr 2021 nicht möglich ist. Die Beschwerde war daher als unbegründet abzuweisen. Die Revision wurde nicht zugelassen und – soweit ersichtlich – auch nicht erhoben. Es ist jedoch eine Beschwerde gegen das Erk beim VfGH anhängig (E 1689/2024).

Conclusio

Das BFG kommt zum Ergebnis, dass die von der Bf veruntreuten Gelder der Steuerpflicht gem § 25 Abs 1 Z 1 lit a EStG unterliegen. Diese Entscheidung ist im Lichte der vom VwGH seit 1991 in stRsp vertretenen Wurzeltheorie (erstmals in VwGH 21. 11. 1991, 91/13/0183) wenig überraschend (zur Entwicklung der VwGH-Rsp siehe Doralt, Veruntreuung und Diebstahl: Arbeitslohn und Steuerhinterziehung? ÖJZ 2020, 1013). Demnach ist lediglich erforderlich, dass die erzielten Vorteile ihre Wurzel im Dienstverhältnis haben (zuletzt VwGH 31. 7. 2013, 2009/13/0194 mwN, verweisend auf VwGH 21. 11. 1991, 91/13/0183). Der VwGH verfolgt hierbei ein sehr weitgehendes Verständnis, weil er sogar jene Vorteile einbezieht, auf die kein Rechtsanspruch besteht und die sich der AN gegen den Willen des AG – wie hier durch Veruntreuung – verschafft (vgl VwGH 30. 6. 2005, 2002/15/0087; VwGH 25. 2. 1997, 95/14/0112; VwGH 16. 1. 1991, 90/13/0285). Nach der Ansicht des VwGH gilt für andere Einkunftsarten – wie zB EK aus sA – Entsprechendes (vgl VwGH 28. 5. 1998, 96/15/0114; siehe zur Veruntreuung bei EK aus sA VwGH 30. 1.2001, 95/14/0043). Die durch die Veruntreuung verursachten finanziellen Einbußen bilden aufseiten des geschädigten AG Betriebsausgaben iSd § 4 Abs 4 EStG (vgl VwGH 5. 7. 1994, 91/14/0174). Es müssen vom Geschädigten aber alle zumutbaren Maßnahmen ergriffen werden, um durch deliktische Handlungen verursachte Minderungen des Betriebsvermögens und damit des Gewinns hintanzuhalten oder durch Ersatzansprüche auszugleichen (vgl Marschner in Jakom EStG17 [2024] § 4 Rz 330). Ein zu aktivierender Rückforderungsanspruch wirkt sich in diesem Zusammenhang somit aufwandsneutralisierend aus (VwGH 28. 5. 1998, 96/15/0114; 20. 2. 1991, 86/13/0195).

Die im Rahmen der Wurzeltheorie vertretene Ansicht des VwGH wird im Schrifttum auch kritisch hinterfragt: So vertritt zB Doralt unter Bezugnahme auf die Judikatur des OGH, der in gerichtlichen Finanzstrafverfahren eine zum VwGH völlig konträre Auffassung vertritt (so zB OGH 24. 6.2004, 15 Os 64/04; OGH 18. 3. 1992, 13 Os 77/91), die Rechtsansicht, dass durch den AN veruntreute oder gestohlene Beträge nicht der Einkommensteuer unterliegen sollten, weil die bloße „berufliche Gelegenheit“ nicht für die Annahme von beruflichen Einnahmen ausreiche (Doralt, Veruntreuung und Diebstahl: Arbeitslohn und Steuerhinterziehung? SWK 2021, 113; Doralt, ÖJZ 2020, 1013; vgl Ebner in Jakom EStG § 25 Rz 2). Auf ebendiese Ansicht von Doralt und auf die Rsp des OGH versuchte sich auch die Bf im gegenständlichen Fall zu stützen. Das BFG greift diese Argumente aber – wie auch der VwGH in seiner bisherigen Rsp – nicht auf. Wenn nun der VwGH ausspricht, dass veruntreute Gelder zum steuerpflichtigen Einkommen gehören und der OGH bei der Vorfragenentscheiden im gerichtlichen Finanzstrafverfahren von dieser Meinung abweicht, ist eine Klärung durch den VfGH wohl unerlässlich (vgl hierzu Doralt, ÖJZ 2020, 1013 [1019]). Der VfGH scheint aber gerade in dieser Sache zu schweigen. Auch von der im vorliegenden Fall anhängigen Beschwerde (VfGH E 1689/2024) kann wohl nichts erwartet werden, weil bereits die Behandlung der – vermutlich inhaltlich identen – Beschwerde (VfGH E 2094/2023) gegen das Erkenntnis im Verfahren zum Veranlagungsjahr 2020 (BFG 1. 6. 2023, RV/7101374/2023) mit Beschluss v 12. 3. 2024 abgelehnt wurde. Die Thematik erscheint jedoch zumindest dadurch entschärft, dass sich der OGH – in einem obiter dictum –der Meinung des VwGH angenähert hat (OGH 15. 12. 2011, 13 Os 62/11h). Nichtsdestoweniger verbleibt eine unbefriedigende Gesamtsituation (vgl Doralt, Veruntreuung und Arbeitslohn – eine Ergänzung, ÖJZ 2021, 256 mit Hinweis auf legistische Anpassungsmöglichkeiten).

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 35666 vom 16.07.2024