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Abstract
Das BFG hatte erstmals über eine Beschwerde gegen einen Rückforderungsbescheid nach § 241a BAO zu entscheiden. Nach dieser Bestimmung sind Rückzahlung oder Erstattungen, die „ohne Rechtsgrund“ (dh ohne Bescheid) erfolgt sind, zurückzuzahlen. Das BFG gab der Beschwerde Folge und begründete dies damit, dass § 241a BAO nicht rückwirkend anzuwenden und im konkreten Fall außerdem auch bereits Verjährung eingetreten ist. Schließlich spricht, so das BFG, auch der Vertrauensschutz gegen eine rückwirkende Anwendung von § 241a BAO.
BFG 9. 1. 2023, RV/7101097/2022
Sachverhalt
Die Bf, eine in Großbritannien ansässige Bank, kaufte im Jahr 2011 um den Dividendenstichtag Aktien österreichischer Aktiengesellschaften. Die im Rahmen der Dividendenausschüttung einbehaltene KESt wurde von der Bf infolge eines entsprechenden Antrags im Jahr 2012 erstattet, ohne dass ein entsprechender Bescheid erlassen wurde (dies entsprach der damals üblichen Verwaltungspraxis). Im Jahr 2017 wurde eine Außenprüfung begonnen, die 2018 eingestellt wurde. Im Jahr 2019 erließ das FA sodann einen Bescheid gem § 241a BAO, womit die zunächst erstattete KESt wieder rückgefordert wurde. Begründet wurde dies damit, dass die Bf nach Ansicht der Behörde zum als relevant erachteten Dividendenstichtag (sog letzter Cum-Dividende-Tag) nicht wirtschaftliche Eigentümerin der Aktien, ihr die Dividenden damit nicht zurechenbar und sie somit auch nicht KESt-erstattungsberechtigt war. Die Bf erhob gegen diesen Bescheid Beschwerde und machte insb geltend, dass § 241a BAO nicht rückwirkend anwendbar sei und betreffend die KESt-Rückforderungsansprüche ohnedies bereits Festsetzungsverjährung eingetreten sei. Nachdem das FA die Beschwerde abwies, begehrte die Bf Vorlage an das BFG.
Hinweis: Im Verfahren war zunächst auch die Frage strittig, ob die Bf materiell-rechtlich zur Erstattung berechtigt war. Nachdem der VwGH judiziert hat, dass für die Frage der Zurechnung einer Dividendenausschüttung auf den Tag des Hauptversammlungsbeschlusses abzustellen ist (VwGH 28. 6. 2022, Ro 2022/13/0002), schränkte die Bf ihr Beschwerdebegehren entsprechend ein. In der vorliegenden LexisNews wird dieser Aspekt nicht näher behandelt.
Entscheidung des BFG
Das BFG gab der Beschwerde Folge und hob die angefochtenen Rückforderungsbescheide ersatzlos auf:
Rückzahlungsanträge sind von der Behörde grundsätzlich mit Bescheid zu erledigen (Hinweis auf Ritz/Koran, BAO7 § 240 Tz 5). Dies gilt auch, wenn dem Antrag vollinhaltlich stattgegeben wird. Im vorliegenden Fall erfolgte die Rückzahlung jedoch ohne Erlass eines Bescheides; vielmehr wurde nur der Realakt der Auszahlung gesetzt. Dieses Vorgehen ist nicht als Bescheid zu qualifizieren.
§ 241a BAO ermöglicht nun grundsätzlich die Rückforderung von rechtsgrundlos (dh ohne Bescheid) erlangten Rückzahlungen oder Erstattungen. § 241a BAO (BGBl 2020/91) lautet: „Wer Rückzahlungen oder Erstattungen aufgrund abgabenrechtlicher Vorschriften ohne Rechtsgrund erlangt hat, hat die entsprechenden Beträge zurückzuzahlen.“ In § 2 lit d BAO wird festgehalten, dass Rückforderungen nach § 241a BAO Abgaben im Sinne der BAO sind.
Fraglich ist, wann Rückforderungsansprüche nach § 241a BAO verjähren. Dass derartige (negative) Abgabenansprüche gar nicht verjähren, wäre mit der Rechtssicherheit und dem Rechtsfrieden nicht vereinbar.
Das Recht zur Rückforderung von zu Unrecht erhaltenen KESt-Erstattungen verjährt nach der hM gem § 207 Abs 4 BAO nach fünf Jahren; dies wurde auch von der belangten Behörde in der BVE vertreten (Hinweis auf Ritz/Koran, BAO7 § 241a Tz 10). Es bestehen keine Hinweise, dass die gegenständlichen KESt-Erstattungen den Tatbestand der Abgabenhinterziehung erfüllen, weshalb nicht von der zehnjährigen Festsetzungverjährungsfrist auszugehen ist. Fraglich ist jedoch, inwiefern es zur Verlängerung der Verjährungsfrist gekommen ist. Nach Ansicht der belangten Behörde wurden durch die begonnene Außenprüfung sowie deren Einstellung mit Betriebsprüfungsbericht sowohl im Jahr 2017 als auch im Jahr 2018 die Verjährungsfrist verlängernde Amtshandlungen gesetzt. Somit sei, so das FA, erst mit Ablauf des Jahres 2019 Verjährung eingetreten, weshalb die Rückforderungsbescheide aus November 2019 noch rechtzeitig erlassen worden wären.
Zu Prüfungsbeginn wurde die Bf aufgefordert, die Aktienkäufe im Jahr 2011 im Detail darzulegen (Vorhalt). Dieser Aufforderung kam die Bf im September 2017 vollumfänglich nach. Außer diesem Vorhalt ist eine weitere Prüfungshandlung oder sonstige Amtshandlung im Zusammenhang mit den KESt-Erstattungen nicht erkennbar.
Im Betriebsprüfungsbericht aus November 2018 finden sich sodann nur Angaben zum Sachverhalt, die der Behörde zweifelsohne schon zuvor bekannt waren. Schließlich wurde darin lediglich darauf hingewiesen, dass die beschränkt steuerpflichtige Bf in Österreich keiner Buchführungs- und Aufzeichnungspflicht unterliege, deshalb keine Rechtsgrundlage für die Außenprüfung bestehe und diese sohin abgebrochen werde.
Zwar hat das Schriftstück die Form eines Betriebsprüfungsberichts, inhaltlich liegt jedoch ein Einstellungsbericht vor. Es handelt sich somit nicht, wie § 209 Abs 1 BAO für die verjährungsverlängernde Wirkung erfordert, um eine Amtshandlung zur Geltendmachung des Abgabenanspruchs. Der Einstellungsbericht stellt vielmehr das Gegenteil einer Verfolgungshandlung dar. Im Jahr 2018 ist sohin nach Ansicht des BFG keine die Verjährung verlängernde Amtshandlung erfolgt, weshalb mit Ablauf des Jahres 2018 Verjährung eingetreten ist.
Hinzu kommt, dass der Behörde erst mit Inkrafttreten des § 241a BAO am 23. 10. 2019 ein Rückforderungsanspruch zustand. Es ist denkunmöglich, dass eine vor diesem Zeitpunkt vorgenommene Amtshandlung auf diese Abgabe (Rückforderung der KESt-Erstattung) gerichtet war. Der negative Abgabenanspruch der Bf (KESt-Erstattung) ist ein anderer Abgabenanspruch als der Rückforderungsanspruch der Behörde nach § 241a BAO. Nach Ansicht des BFG war die gegenständliche Prüfung des KESt-Erstattungsanspruchs somit auch nicht mittelbar auf die Geltendmachung des Rückforderungsanspruchs gerichtet.
Fraglich ist weiters, inwiefern der am 23. 10. 2019 in Kraft getretene § 241a BAO überhaupt rückwirkend anzuwenden ist. Ausschlaggebend ist, ob es sich um eine Bestimmung des Verfahrensrechts oder des materiellen Rechts handelt. Bestimmungen des Verfahrensrechts sind im Allgemeinen auch auf Sachverhalte anzuwenden, die sich vor deren Inkrafttreten ereignet haben. Dagegen kommen die materiell-rechtlichen Bestimmungen zur Anwendung, die im Zeitpunkt der Entstehung des Abgabenanspruchs in Geltung waren. Allein aus dem Umstand, dass die gegenständliche Bestimmung in der BAO enthalten ist, lassen sich keine Rückschlüsse ziehen: So finden sich in der BAO auch zahlreiche materiell-rechtliche Regelungen (zB Anspruchszinsen und Säumniszuschläge), während in den Materiengesetzen auch Verfahrensbestimmungen enthalten sind.
Abgabenrechtliche Erstattungsansprüche des Steuerpflichtigen werden in Umkehrung des Abgabenanspruchs der Behörde als „negative Abgabenansprüche“ definiert und als materiell-rechtlich beurteilt. Setzt man diese Beurteilung fort, wäre der abgabenrechtliche Rückforderungsanspruch ein umgekehrter Erstattungs- oder Vergütungsanspruch (Hinweis auf Drüen in Tipke/Kruse, AO § 37 Rz 111) und muss daher auch zum materiellen Recht zählen.
Im Unterschied zu § 26 FLAG, der dem § 241a BAO den Erläuterungen zufolge als Vorbildbestimmung diente, wurde bei § 241a BAO eine Rückwirkung nicht ausdrücklich angeordnet. Bei § 241a BAO hat der Gesetzgeber – wohl aufgrund der Schranken des Verfassungsrechts – bewusst von der rückwirkenden Anwendung Abstand genommen, so das BFG.
Selbst wenn man von einer rückwirkenden Anwendung des § 241a BAO ausgehen würde, da man darin eine Verfahrensvorschrift erblickt, steht das verfassungsrechtlich verankerte Vertrauensschutzprinzip einer Rückforderung entgegen: Hätte das FA, wie eigentlich vorgesehen war, mit Bescheid über den Rückerstattungsantrag abgesprochen, so hätte die Behörde die Beträge anschließend nur infolge einer Bescheidaufhebung nach § 299 BAO oder einer Wiederaufnahme des Verfahrens gem § 303 BAO zurückfordern können. Käme es zu einer rückwirkenden Anwendung des § 241a BAO, würden diejenigen Steuerpflichtigen, über deren Anspruch nicht mittels Bescheid abgesprochen wurde, schlechter gestellt als diejenigen, über deren Anträge gesetzeskonform per Bescheid entschieden wurde (wie dies zB im Falle einer nur teilweisen Stattgabe der Fall war).
Hätte der Gesetzgeber eine Rückwirkung des § 241a BAO gewollt, hätte er diese an die Voraussetzungen der §§ 299 und 303 BAO geknüpft. So wäre eine Gleichbehandlung aller Steuerpflichtigen gewährleistet – unabhängig von der Frage, ob ihnen rechtswidrig ein Bescheid vorenthalten wurde oder sie einen solchen erhalten haben. Nach Ansicht des BFG verlangt das Vertrauensschutzprinzip somit eine Auslegung des § 241a BAO in verfassungskonformer Weise, weshalb eine rückwirkende Anwendung nicht rechtmäßig ist.
Die Revision ließ das BFG zu. Amtsrevision wurde bereits erhoben.
Conclusio
In der vorliegenden Entscheidung beschäftigte sich das BFG erstmals mit der Anwendung des § 241a BAO, der Steuerpflichtige zur Zurückzahlung von „rechtsgrundlosen“, dh ohne Bescheid erfolgten Rückzahlungen und Erstattungen verpflichtet. Einer Zurückzahlung iSd § 241a BAO kann nach Ansicht des BFG die Festsetzungsverjährung, die mangelnde Rückwirkung der Bestimmung und der Vertrauensschutz entgegenstehen. Im Hinblick auf alle drei Punkte kam das BFG im vorliegenden Fall zum Ergebnis, dass die Anwendung des § 241a BAO nicht zulässig ist.
Sowohl für die Frage der (Verlängerung der) Verjährungsfrist als auch für die der Rückwirkung scheint die Einstufung des § 241a BAO als Vorschrift des materiellen Rechts oder des Verfahrensrechts von zentraler Bedeutung zu sein, womit sich nun der VwGH zu beschäftigen hat. Zur Frage der Unzulässigkeit der Rückwirkung (allein) aus Gründen des Vertrauensschutzes ist anzumerken, dass die faktische Schlechterstellung der Steuerpflichtigen, deren Anträge rechtswidrig ohne Bescheid erledigt wurden, freilich unbefriedigend erscheint. Dennoch ist zu hinterfragen, ob hier wirklich der gleichheitsrechtliche Vertrauensschutz eine Rückwirkung verhindern kann: So erfordert der Vertrauensschutz nach der Rsp des VfGH ein „berechtigtes Vertrauen auf die Rechtslage“. Das Vertrauen in die (rechtswidrige) Verwaltungsübung erfüllt dieses Kriterium nicht (siehe dazu etwa Klokar, Vertrauensschutz und Rückwirkung im Steuerrecht, in Kofler et al [Hrsg], Steuerpolitik und Verfassungsrecht [2023], 225 mwN).