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BFG zur verminderten Inanspruchnahme von außergewöhnlichen Belastungen iSd § 34 Abs 6 EStG bei Übergang des Pflegegeldanspruches auf den Kostenträger

Bearbeiter: Severin Schragl

EStG: § 34 Abs 6 3. TS

Verordnung über außergewöhnliche Belastungen (BGBl 1996/303 idF BGBL II 2010/430): § 5

Abstract

Mehraufwendungen des Stpfl für unterhaltsberechtigte Personen, für die gem § 8 Abs 4 FLAG erhöhte Familienbeihilfe gewährt würde, sind durch Gewährung eines Freibetrages nach § 34 Abs 6 3. TS EStG iVm § 5 Abs 1 Verordnung über außergewöhnliche Belastungen (BGBl 1996/303 idF BGBl II 2010/430) als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen. Im streitgegenständlichen Fall hat das FA den Pauschalbetrag mit dem gesamten Pflegegeld, das dem Bf zustand, verrechnet, obwohl dieser 80 % davon aufgrund gesetzlicher Verpflichtung (§ 13 Abs 1 BPGG) an die Lebenshilfe NÖ überwiesen hat. Entsprechend war insb strittig, ob der gesamte Pflegegeldanspruch zur Kürzung des Freibetrags und damit der außergewöhnlichen Belastung nach § 34 Abs 6 3. TS EStG iVm § 5 Abs 1 der VO herangezogen werden darf oder nur der Teil, der dem Stpfl auch tatsächlich zur freien Verfügung verbleibt. Das BFG entschied dahingehend, dass nur der dem Stpfl verbleibende Betrag mit der außergewöhnlichen Belastung gegenrechnet werden darf.

BFG 9. 11. 2023, RV/7100136.

Sachverhalt

Der Bf bezog im Streitjahr 2021 ua erhöhte Familienbeihilfe für seine Tochter, die stationär in einem Wohnhaus der Lebenshilfe NÖ untergebracht war. Die Kosten für die Unterbringung trug das Land NÖ. An 52 Tagen (inkl Urlaub) befand sich die Tochter nicht bei der Lebenshilfe NÖ. Der Bf bezog ebenso ein Bundespflegegeld iHv monatlich 1.685,10 €. 80 % dieser Leistung wurden als Beitrag direkt an die Lebenshilfe NÖ überwiesen. Insgesamt verblieb dem Bf im Jahr 2021 ein Pflegegeld von insgesamt 560,40 € zur freien Verfügung.

Das FA verrechnete im ESt-Bescheid 2021 den Pauschalbetrag nach § 5 Abs 1 der VO als außergewöhnliche Belastung iSd § 34 Abs 6 EStG zur Gänze mit dem gesamten Pflegegeld iHv 1.685,10 € pro Monat. Dies hatte zur Konsequenz, dass der Bf den Pauschalbetrag im Jahr 2021 gar nicht nutzen konnte. Der Bf erhob gegen den Bescheid Beschwerde, da ein Großteil des Pflegegeldes an die Lebenshilfe NÖ überwiesen wurde.

Entscheidung des BFG

Gem § 34 Abs 6 EStG können Mehraufwendungen des Steuerpflichtigen für Personen, für die gem § 8 Abs 4 FLAG erhöhte Familienbeihilfe gewährt wird, als außergewöhnliche Belastungen ohne Selbstbehalt berücksichtigt werden, soweit sie die Summe der pflegebedingten Geldleistungen (etwa Pflegegeld) übersteigen. Dazu hat der Gesetzgeber in einer VO (Verordnung über außergewöhnliche Belastungen, BGBl 1996/303 idF BGBl II 2010/430) einen Pauschalfreibetrag normiert (§ 5 Abs 1): Die Mehraufwendungen können ohne Nachweis der tatsächlichen Kosten mit monatlich 262,00 € angesetzt werden, vermindert um die Summe der pflegebedingten Geldleistungen. § 5 Abs 2 der VO schränkt diesen Betrag jedoch bei Unterbringung in einem Vollinternat ein. Pro Tag des Internataufenthalts vermindert sich der Pauschalbetrag je um ein Dreißigstel.

Gem § 1 Bundespflegegeldgesetz (BPGG) hat die Gewährung des Pflegegeldes den Zweck, in Form eines Beitrages pflegebedingte Mehraufwendungen pauschaliert abzugelten (Greifeneder/Liebhart, Pflegegeld4 Rz 2.2). Nach § 13 Abs 1 BPGG geht der Anspruch auf Pflegegeld bis zur Höhe der Verpflegungskosten, höchstens jedoch bis zu 80 % auf den jeweiligen Kostenträger über, wenn die pflegebedürftige Person auf Kosten oder unter Kostenbeteiligung eines Landes, einer Gemeinde oder eines Sozialhilfeträgers in einem Pflege-, Wohn-, Alten- oder Erziehungsheim stationär gepflegt wird. Für die Dauer des Anspruchsüberganges gebührt der pflegebedürftigen Person ein Taschengeld in Höhe von 10 % des Pflegegeldes der Stufe 3; im Übrigen ruht der Anspruch auf Pflegegeld. Entsprechendes ist gegenständlich der Fall: Die Tochter des Bf war ganzjährig in einem Pflegeheim untergebracht, 80 % des Anspruches gehen somit auf den Kostenträger über. Insgesamt bleiben dem Bf somit nur mehr 46,70 € pro Monat, also 560,40 € pro Jahr, aus dem Pflegegeld über.

Folglich erachtet es das BFG – im Gegensatz zum FA – als unzutreffend, das gesamte Pflegegeld mit dem Pauschalbetrag zu verrechnen. Da dem Bf nur der verbleibende Betrag zur Deckung von Mehraufwendungen zur Verfügung steht, kann nur dieser als pflegebedingte Geldleistung gegengerechnet werden (vgl auch UFS 20. 11. 2008, RV/1616-W/08; BFG 11. 5. 2022, RV/7105830/2019).

Allerdings gilt es zu berücksichtigen, dass auch § 5 Abs 2 der VO zur Anwendung kommt. Nachdem die Tochter des Bf im Streitjahr 52 Tage außerhalb des Vollinternats verbracht hat, ist der Freibetrag im Ausmaß von zweiundfünfzig Monatsdreißigstel zu gewähren. Das ergibt 454,13 € pro Jahr. Insgesamt liegt der Pauschalbeitrag damit unter dem Pflegegeld (454,13 < 560,49), weswegen ein pauschalierter Mehraufwand nicht gewährt werden kann. Da sich insgesamt also keine Änderung des Bescheides ergab, war die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

Mangels Rsp des VwGH zur Rechtsfrage zur Höhe der Gegenrechnung der pflegebedingten Geldleistungen mit der außergewöhnlichen Belastung nach § 34 Abs 6 3. TS EStG bei Übergang des Anspruches auf den Kostenträger nach § 13 Abs 1 BPGG hat das BFG die ordentliche Revision zugelassen, die allerdings nicht erhoben worden ist.

Conclusio

Das Ergebnis des BFG scheint insgesamt stimmig zu sein. Eine anteilsweise Verrechnung des Pflegegelds bei eingeschränkter Verfügungsmöglichkeit entspricht dem Telos des BPGG. Diese Ansicht wurde ursprünglich vom UFS geprägt (UFS 20. 11. 2008, RV/1616-W/08) und vom BFG beibehalten (BFG 11. 5. 2022, RV/7105830/2019). Interessant ist dabei, dass trotz mittlerweile drei Entscheidungen zur iW selben Thematik bisher keine höchstgerichtliche Rsp ergangen ist, obwohl das BFG in beiden Fällen die ordentliche Revision für zulässig erklärt hat. Eine finale höchstgerichtliche Klärung der Thematik bleibt daher abzuwarten.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 35360 vom 29.04.2024