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Abstract
Das BFG hatte darüber zu entscheiden, ob ein nach § 45 Abs 1 Z 1 VStG eingestelltes Verwaltungsstrafverfahren nach Einstellung des staatsanwaltlichen Ermittlungsverfahrens wiederaufgenommen werden kann. Im Vorerkenntnis nahm das BFG im Wege einer Vorfragenbeurteilung an, dass im Zusammenhang mit der Hinterziehung der Wiener Parkometerabgabe ein Betrug iSd § 146 StGB begangen wurde und erklärte seine Unzuständigkeit. Nun scheiterte die Wiederaufnahme nach § 32 Abs 1 Z 3 VwGVG, wodurch es weder zu einer (gerichtlich) strafrechtlichen noch zu einer verwaltungsstrafrechtlichen Verfolgung kommt.
BFG 26. 9. 2023, RV/7500458/2023
Sachverhalt
Der Beschuldigte war Lenker eines mehrspurigen Pkw und stellte diesen in einer gebührenpflichtigen Kurzparkzone in Wien ab. Im Kraftfahrzeug war kein gültiger Parkschein hinterlegt und es wurde auch kein elektronischer Parkschein aktiviert. Der Beschuldigte hatte lediglich einen abgelaufenen und auf den Namen seiner Ehefrau – die zu diesem Zeitpunkt Beifahrerin war – lautenden Behindertenparkausweis iSd § 29b StVO hinterlegt, dessen Gültigkeitsdatum überdies durch eine FFP2-Maske verdeckt war. Hierdurch wurde nach Ansicht des Magistrats der Stadt Wien die Befreiung von der Entrichtung der Parkometerabgabe vorgetäuscht und eine Abgabenhinterziehung gem § 5 Abs 2 ParkometerabgabeVO iVm § 4 Abs 1 Parkometergesetz 2006 begangen, weshalb ein Straferkenntnis erlassen wurde. In der dagegen erhobenen Beschwerde brachte der Beschuldigte vor, dass seine Ehefrau bereits einen neuen gültigen Behindertenparkausweis besessen und er nur aufgrund eines Versehens den alten Ausweis hinterlegt hat. In der Folge hob das BFG das Straferkenntnis auf und stellte das Verwaltungsstrafverfahren ein (BFG 25. 4. 2023, RV/7500204/2023). Aus der jüngeren OGH-Judikatur ergebe sich nach Ansicht des BFG nämlich, dass das ordentliche Strafrecht – aufgrund der möglichen Verwirklichung eines Betrugs iSd § 146 StGB – vorgehen würde. Das BFG richtete anschließend eine Sachverhaltsdarstellung an die Staatsanwaltschaft Wien. Amtsrevision wurde nicht erhoben. Da die Staatsanwaltschaft in der Folge aber das Ermittlungsverfahren gem § 190 Z 2 StPO eingestellt hat, begehrte der Magistrat nunmehr die Wiederaufnahme des Verfahrens. Der Magistrat argumentierte, dass über die Vorfrage, ob ein gerichtlich strafbarer Tatbestand erfüllt ist, nun anders – als vom BFG – entschieden wurde und daher eine Wiederaufnahme gem § 32 Abs 1 Z 3 VwGVG möglich sei.
Entscheidung des BFG
Gem § 32 Abs 1 Z 3 VwGVG ist dem Antrag einer Partei auf Wiederaufnahme eines durch Erkenntnis eines Verwaltungsgerichts abgeschlossenen Verfahrens stattzugeben, wenn das Erkenntnis von Vorfragen iSd § 38 AVG abhängig war und nachträglich über eine solche Vorfrage von der zuständigen Verwaltungsbehörde oder vom zuständigen Gericht in wesentlichen Punkten anders entschieden wurde. Im vorliegenden Fall argumentiert der Magistrat, dass die Vorfrage, ob durch das Einlegen des abgelaufenen Behindertenparkausweis der Ehefrau des Beschuldigten neben § 4 Parkometergesetz 2006 zugleich auch eine Straftat erfüllt ist, erst durch die Einstellung des Ermittlungsverfahrens durch die Staatsanwaltschaft entschieden wurde. Das BFG folgt dieser Argumentation jedoch nicht: Aus der Rsp des VwGH ergibt sich zwar, dass die Frage, ob die dem Beschuldigten vorgeworfene Tat den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet, eine Vorfrage darstellt (vgl VwGH 22. 11. 2016, Ra 2016/03/0095). Diese Vorfrage ist aber (im Beschwerdeverfahren) vom Verwaltungsgericht als Vorfrage zu beurteilen (vgl VwGH 5. 5. 2023, Ra 2022/03/0280, Rz 12). Im vorliegenden Fall wurde die Vorfrage, ob eine gerichtlich strafbare Tat vorliegt, vom BFG bereits im Vorerkenntnis (BFG 25. 4. 2023, RV/7500204/2023) entsprechend entschieden, da das BFG gem § 22 Abs 1 VStG vom Vorrang des gerichtlichen Tatbestands ausging und das Verwaltungsstrafverfahren einstellte. Dem Magistrat wäre es freigestanden die Vorfragenbeurteilung des BFG mit Amtsrevision zu bekämpfen, was jedoch nicht erfolgte. Zudem hat die Staatsanwaltschaft das Ermittlungsverfahren nach § 190 Z 2 StPO eingestellt; wohl deshalb, weil ein Schuldspruch nicht wahrscheinlicher als ein Freispruch war. Die Einstellung erfolgte aber gerade nicht nach § 190 Z 1 StPO, was erfordern würde, dass die dem Ermittlungsverfahren zugrundeliegende Tat nicht mit gerichtlicher Strafe bedroht ist. Nach Ansicht des BFG scheint daher die Staatsanwaltschaft ebenfalls davon ausgegangen zu sein, dass die zugrundeliegende Tat mit gerichtlicher Strafe bedroht ist. Somit liegt durch die Einstellung seitens der Staatanwaltschaft keine in wesentlichen Punkten anders – also vom BFG – entschiedene Vorfrage vor. Der Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens war daher abzuweisen. Die Revision wurde zugelassen, aber soweit ersichtlich nicht erhoben.
Conclusio
§ 22 Abs 1 VStG stellt ausschließlich auf die Tat und deren abstrakte gerichtliche Strafbarkeit ab; auf die tatsächliche Einleitung oder gar einen bestimmten Ausgang eines Strafverfahrens kommt es nicht an (vgl Raschauer in Raschauer/Wessely, VStG3 [2023] § 22 Rz 17). Die Vorfragenbeurteilung durch das BFG wurde durch die Entscheidung der Staatsanwaltschaft zur Verfahrenseinstellung gem § 190 Z 2 StPO bestätigt, da hierdurch die gerichtliche Strafbarkeit anerkannt wurde (andernfalls hätte die Staatsanwaltschaft nach § 190 Z 1 StPO einstellen müssen). Im Ergebnis führt dies nun dazu, dass der Beschuldigte straffrei ausgeht. Das Verwaltungsstrafverfahren wurde durch das nicht weiter verfolgte gerichtliche Strafverfahren verdrängt. Eine Verfahrenswiederaufnahme ist nicht möglich. Diese hätte nur erfolgen können, wenn die Staatsanwaltschaft das Ermittlungsverfahren gem § 190 Z 1 StPO eingestellt hätte (vgl hierzu VwGH 24. 4. 2018, Ro 2017/03/0016). In einem solchen Fall wäre die Vorfrage anders – als vom BFG beurteilt – entschieden worden und eine Wiederaufnahme des Verwaltungsstrafverfahrens wohl möglich gewesen.