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UStG 1994: § 12 Abs 10
Abstract
Das BFG hatte zu entscheiden, ob es bei innerhalb des Berichtigungszeitraumes veräußerten und dem WGG unterliegenden Wohnungen, an denen in den Jahren zuvor Umbauarbeiten durchgeführt wurden, zu einer Vorsteuerberichtigung kommt. Die Umbauarbeiten wurden zum Teil durch die von den Mietern erbrachten Erhaltungs- und Verbesserungsbeiträge iSd § 14 WGG finanziert. Zudem stellte sich die Frage, ob es sich bei den vorgenommenen Umbauarbeiten um eine Großreparatur iSd § 12 Abs 10 UStG handelt und, ob die Art der Finanzierung für die Notwendigkeit einer Vorsteuerberichtigung relevant ist. Nach Ansicht des BFG ist es für das Vorliegen einer zwingenden Vorsteuerberichtigung unbeachtlich, ob die Umbauarbeiten durch Mieterbeiträge iSd § 14 WGG finanziert wurden. Die Revision erklärte das BFG für zulässig.
BFG 8. 1. 2024, RV/4100285/2021
Sachverhalt
Die Beschwerdeführerin (Bf), eine zum Zwecke des Erwerbes und der Veräußerung sowie der Inbestandgabe von Immobilien errichtete KapGes, veräußerte im Zeitraum 2012–2014 einige Wohnungen aus dem Anlagevermögen umsatzsteuerfrei nach § 6 Abs 1 Z 9 lit a UStG. In den Jahren der Veräußerung und zuvor führte die Bf diverse Umbauarbeiten an den Objekten auf eigenen Namen und eigene Rechnung durch. IdZ machte die Bf für die durch die Instandhaltungsmaßnahmen entstandenen Kosten auch einen Vorsteuerabzug geltend. Die baulichen Maßnahmen wurden aus den iR der Vermietung von den Mietern erbrachten „Erhaltungs- und Verbesserungsbeiträgen“ iSd § 14 WGG finanziert. Teilweise wurden auch nicht von den EVB gedeckte Instandhaltungsmaßnahmen durch Fremdmittel beglichen, die zu einem späteren Zeitpunkt von den EVBs getilgt wurden.
Das FA erließ am 25. 3. 2021 einen Bescheid, in dem die Vorsteuerberichtigung für den Zeitraum 2012–2014 festgeschrieben wurde. Gegen diesen Bescheid erhob die Bf Beschwerde. Aufgrund einer Direktvorlage hatte das BFG ohne vorherige Erlassung einer BVE durch das FA zu entscheiden.
Entscheidung des BFG
Bzgl des Vorbringens der Bf, dass durch die Veräußerung keine Änderung der Verhältnisse einge-treten sei, stellt das BFG fest, dass der alleinige Umstand, dass Aufwendungen auf Dritte überwälzt werden, keinen Ausschluss der Vorsteuerberichtigung bewirkt. Zudem besteht zwischen den finanzierenden Mietern und den Erbringern der Baumaßnahmen keine direkte Leistungsbeziehung. Weiters wurden die baulichen Maßnahmen nicht allein durch die Zahlungen der Mieter, sondern auch durch Drittmittel, die lediglich später durch EVBs ausgeglichen wurden, finanziert. Daher besteht kein ausschließlicher Zusammenhang zwischen den steuerpflichtigen EVBs und den Umbauarbeiten. Insofern liegt eine für die Vorsteuerberichtigung maßgebliche Änderung der Verhältnisse vor. Durch die im ÖkoStRefG 2022, BGBl I 2022/10 erfolgte Änderung des § 12 Abs 10 Satz 4 UStG 1994 wird zudem klar, dass der Gesetzgeber von einem Zusammenhang zwischen Großreparaturen und optionslos getätigten Liegenschaftsveräußerungen ausgeht. Dies ergibt sich, da er direkten Bezug auf Veräußerungen von dem WGG unterliegendem Eigentum nimmt und diesbezüglich eine Sonderregelung in Form einer Verkürzung des Vorsteuerberichtigungszeitraumes schafft. Würde durch die Finanzierung der Aufwendungen durch EVBs keine Änderung der Verhältnisse eintreten, wäre eine Änderung der Bestimmung nicht notwendig gewesen. Das BFG stellt in weiterer Folge auch klar, dass die Vorsteuerberichtigung nicht für die Großreparatur an sich, sondern für das gesamte Gebäude durchgeführt wird und somit entscheidend ist, ob das Gebäude im für den Vorsteuerabzug maßgeblichen Zeitpunkt zur Erzielung steuerpflichtiger Umsätze verwendet wurde. Es sind hierbei lediglich auch die auf die Großreparatur entfallenden Vorsteuerbeträge zu berücksichtigen.
In Bezug auf die Frage des Vorliegens einer Großreparatur iSd § 12 Abs 10 UStG stellt das BFG unter Heranziehung der Definition in § 28 Abs 2 EStG 1972 iVm der Rsp des VwGH (24. 11. 2016, Ro 2014/13/0036) fest, dass, anders als die Bf zuvor angenommen hatte, ein Schaden kein zwingendes Kriterium für das Vorliegen einer Großreparatur ist. Voraussetzung ist, dass es sich um einen nicht aktivierungspflichtigen Aufwand handelt, der nicht regelmäßig erwächst und ins Gewicht fällt. Nach Würdigung des Sachverhaltes liegen diese Voraussetzungen nach Ansicht des BFG, bei einigen der Maßnahmen (Fassadensanierung, Austausch der Fenster und Türen etc) vor.
Bzgl der Frage, ob einige der Baumaßnahmen, die primär den Außenbereich betreffen (Carport, Erweiterung Parkplätze, Asphaltierungsarbeiten etc), überhaupt an einem Gebäude iSd § 12 Abs 10 UStG stattfanden, führt das BFG bezugnehmend auf die Rsp des VwGH (12. 12. 1985, 85/16/0064) aus, dass ein Bauwerk dann ein Gebäude ist, wenn es durch eine räumliche Umfriedung Menschen und Sachen Schutz vor äußeren Witterungseinflüssen gestattet. Zudem muss es den nicht nur vorübergehenden Aufenthalt von Menschen gestatten und fest mit dem Boden verbunden sein. Es reicht demnach im vorliegenden Fall nicht aus, dass die baulichen Maßnahmen mit dem Boden verbunden sind. Es wird eine Vorsteuerberichtigung gem § 12 Abs 10 UStG iZm nachträglichen Anschaffungs- und Herstellungskosten angenommen. Da etwa die Carportanlagen neu errichtet wurden, liegt eine Herstellung vor. In Bezug auf die Erweiterung der Parkplätze liegt eine nicht wesensverändernde Werterhöhung vor. Solche Erhaltungsaufwendungen sind laut VwGH nicht als Herstellungskosten zu betrachten und somit einer Vorsteuerberichtigung nicht zugänglich (VwGH 4. 9. 2007, 2006/15/0333).
Für den Teil der Investitionen, der in dem Jahr der Veräußerung der Immobilien erfolgt ist, sind Berichtigungen gem § 12 Abs 10 UStG nicht möglich. Eine Berichtigung gem § 12 Abs 3 Z 1 UStG ist jedoch in den Fällen zulässig, in denen der im selben Veranlagungszeitraum bejahte Zusammenhang mit steuerpflichtigen Umsätzen wegfällt. Somit kann für die baulichen Maßnahmen, die im Veranlagungszeitraum der Veräußerung erfolgt sind, eine Vorsteuerberichtigung durchgeführt werden. Bei den Umbauarbeiten, die im selben Kalenderjahr wie der Verkauf aber im, der Veräußerung zeitlich vorausgehenden, mit dem Kalenderjahr nicht übereinstimmenden, Veranlagungszeitraum erfolgten, ist eine Berichtigung gem § 12 Abs 11 UStG denkbar. Dies betrifft Gegenstände, die für das Unternehmen erworben wurden, aber zurzeit nicht als Anlagevermögen verwendet werden. Die Berichtigung erfolgt ohne Aliquotierung und unbefristet. Eine Änderung der Verhältnisse ist auch hier ein notwendiges Tatbestandsmerkmal. Das BFG hat die Revision für zulässig erklärt.
Conclusio
Das BFG geht in der vorliegenden Entscheidung davon aus, dass eine Änderung der Verhältnisse bei der Veräußerung der dem WGG unterliegenden Immobilien vorliegt. Diese Änderung der Verhältnisse ergibt sich nach der Rsp des VwGH etwa durch die Änderung des Verwendungszwecks des Gegenstands oder der für den Vorsteuerabzug maßgeblichen Rechtslage (VwGH 18. 12. 2017, Ra 2016/15/0084). Hier führt die Veräußerung der Immobilien zu einer Änderung der Verhältnisse. Der Umstand, dass die Bauarbeiten mit umsatzsteuerpflichtigen Mieterbeiträgen in Verbindung stehen, ändert daran nichts. Die Beurteilung des BFG zur „Großreparatur“ steht im Einklang mit der Rsp des VwGH (24. 11. 2016, Ro 2014/13/0036) und knüpft nicht an strenge Kriterien wie etwa das zwingende Vorhandensein eines Schadens an. Entgegen den Ausführungen der Bf ist auch festzustellen, dass die Vorsteuerberichtigung nicht für die Großreparatur an sich, sondern für das Gebäude vorgenommen wird. Die auf die Großreparatur entfallenden Beträge sind hierbei jedoch in die Vorsteuerberichtigung miteinzuberechnen (Ruppe/Achatz, UStG5 [2017] § 12 Rz 318). In der Literatur wird die Einbeziehung der Großreparaturen in den Tatbestand von § 12 Abs 10 UStG tw kritisch betrachtet, da eine Vorsteuerberichtigung gem Art 187 ff MwStSyst-RL nur für Investitionsgüter vorgesehen wird. Hierbei gilt es jedoch anzumerken, dass die Regelung nicht etwa eine dem Unionsrecht widersprechende Erweiterung des Begriffs des Investitionsgutes auch auf Großreparaturen vornimmt, sondern lediglich den bei der Berichtigung zu berücksichtigenden Steuerbetrags festlegt (Ruppe/Achatz, UStG5 [2017] § 12 Rz 318).
Die Revision wurde für zulässig erklärt, da es noch keine hg Rsp zur Frage gibt, ob es sich bei der unecht steuerbefreiten Veräußerung von Wohnobjekten, an denen, tw durch EVBs iSd § 14 WGG finanzierte, bauliche Maßnahmen durchgeführt wurden, eine Änderung der Verhältnisse mit anschließender zwingender Vorsteuerberichtigung handelt. Derzeit ist in Bezug auf die verfahrensrechtlichen Aspekte der Entscheidung eine Beschwerde beim VfGH anhängig.