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BFH: Abfindungen iSd Art 13 Abs 2 DBA Deutschland-Frankreich sind nach dem Tätigkeitsortsprinzip aufzuteilen

Bearbeiter: Severin Schragl

DBA Deutschland-Frankreich: Art 13

OECD-MA: Art 15

Abstract

Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit dürfen nach Art 15 Abs 1 OECD-MA im Quellenstaat besteuert werden, insoweit die Tätigkeit dort physisch ausgeübt wird. Selbiges Prinzip unterliegt auch dem Art 13 Abs 1 DBA Deutschland-Frankreich, allerdings in Form einer geschlossenen Verteilungsnorm: Dort dürfen die Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit nur in dem Staat besteuert werden, in dem diese Arbeit ausgeübt wird. Im vorliegenden Fall hatte sich der BFH damit auseinanderzusetzen, ob dieses Prinzip auch für Abfindungen und Mitarbeiterbeteiligungen gilt und ob die vom Finanzamt vorgenommene hälfteweise Aufteilung gerechtfertigt war.

BFH 20. 11. 2024, VI R 33/21

Sachverhalt

Der Kläger und Revisionskläger (idF Kl) verfügte im Streitzeitraum 2012–2014 über einen Wohnsitz in Deutschland und in Frankreich. Hauptwohnsitz und familiärer Lebensmittelpunkt lagen dabei in Frankreich. Der Kl war als leitender Angestellter bei einer deutschen GmbH beschäftigt und übte seine Tätigkeit zum Teil in Deutschland aus. Im Jahr 2012 belief sich der auf Deutschland entfallende Zeitanteil auf 60,6 %, 2013 auf 53,7 % und 2014 auf 49,3 %. Entsprechend teilte das deutsche Finanzamt die Einkünfte aus dem Arbeitsverhältnis zwischen den Vertragsstaaten auf und besteuerte nur den auf Deutschland entfallenden Teil, während der Rest unter Progressionsvorbehalt freigestellt wurde. Mit Ende des Jahres 2014 hat der Kl seine Tätigkeit eingestellt, das arbeitsrechtliche Ende der Beschäftigung fiel auf den 20. 1. 2015. Im Aufhebungsvertrag wurde ua eine Abfindungszahlung statuiert. Bereits zuvor wurden dem Kl Mitarbeiterbeteiligungen gewährt, die er im Februar und März 2015 ausüben konnte.

Der Kl sah die Einkünfte aus der Abfindung und den Mitarbeiterbeteiligungen als in Deutschland steuerbefreit an, das Finanzamt erachtete die geldwerten Vorteile hingegen als in Deutschland zu 50 % steuerpflichtig.

Entscheidung des BFH

Der BFH hält zunächst fest, dass der Kl in Deutschland aufgrund seines Wohnsitzes mit seinem Welteinkommen unbeschränkt steuerpflichtig ist. Abkommensrechtlich ist er hingegen in Frankreich ansässig, weil sich dort nach Art 2 Abs 1 Z 4 lit b DBA Deutschland-Frankreich (idF: DBA D-F) der Mittelpunkt der Lebensinteressen befindet.

Gem Art 13 Abs 1 S 1 DBA D-F können Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit nur in dem Vertragsstaat besteuert werden, in dem die Arbeit ausgeübt wird. Unter diese Einkünfte fallen nach S 2 leg cit insb Gehälter, Besoldungen und alle ähnlichen Vorteile, die nicht von bestimmten öffentlichen Kassen gezahlt oder gewährt werden. Entgegen der Ansicht des Kl sind vom objektiven Regelungsgegenstand auch Abfindungen erfasst (BFH 1. 8. 2024, VI R 52/20, Rz 36 mwN) Damit steht Deutschland das Besteuerungsrecht für Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit zu, insoweit diese auf die in Deutschland physisch ausgeübte Tätigkeit entfallen (zB BFH 24. 7. 2013, I R 8/13; 16. 1. 2019, I R 66/17).

Bei der Abfindung ist somit auf die damit in Zusammenhang stehende Arbeitsleistung abzustellen (BFH 24. 7. 2013, I R 8/13). Der über die Jahre gerechnete durchschnittlich in Deutschland gearbeitete Zeitanteil beträgt 54,53 %, weswegen die vom FG herangezogene hälfteweise Besteuerung nicht zu beanstanden ist. Bei den Mitarbeiterbeteiligungen ist auf den Zeitraum der Gewährung (oder Zusage) bis zum Zeitpunkt der erstmaligen Ausübbarkeit abzustellen. Als „Anreizlohn“ müssen diese anteilig dem Erdienenszeitraum zugeordnet werden und ggf von der Besteuerung in Deutschland freigestellt werden (vgl BFH 21. 12. 2022, I R 11/20). Damit ist auf den gleichen Aufteilungsschlüssel wie bei der Abfindung abzustellen, weswegen die 50%-Grenze erneut nicht zu beanstanden ist. Eine etwaige andere Auslegung durch das französische Finanzamt müsste im Rahmen eines Verständigungsverfahrens gem Art 25 DBA D-F geklärt werden. Den Einwand des Kl, dass die Besteuerung der Abfindung nach Art 13 Abs 1 DBA D-F mangels Vorliegen einer Konsultationsvereinbarung europarechtswidrig sei, vermag sich der BFH nicht anzuschließen: Die Kl haben keinen europarechtlichen Anspruch auf den Abschluss einer Konsultationsvereinbarung.

Conclusio

Der BFH kommt zum Schluss, dass sowohl Abfindungen als auch Mitarbeiterbeteiligungen im Arbeitsverhältnis ihren Ursprung haben und deshalb anteilig nach Arbeitsausübung in den Vertragsstaaten aufzuteilen sind. Zu Abfindungen besteht hierbei gefestigte Rsp des BFH zu Art 13 DBA D-F (etwa BFH 24. 7. 2013, I R 8/13). Bei anderen DBA setzt das Höchstgericht allerdings einen anderen Maßstab an: Erst in einer jüngeren Entscheidung (BFH 1. 8. 2024, VI R 23/22) hat der BFH bestätigt, dass nach stRsp „Abfindungen anlässlich der Beendigung des Dienstverhältnisses nach Art. 15 Abs. 1 Satz 1 DBA-Schweiz nicht im Tätigkeitsstaat, sondern ausschließlich im Ansässigkeitsstaat zu besteuern“ sind. Die Abfindung wird hierbei nicht für eine konkrete Tätigkeit gezahlt, sondern für den Verlust des Arbeitsplatzes (siehe hierzu auch Schragl, Besteuerungsrecht nach DBA Deutschland-Schweiz 1971/2010 in der Freistellungsphase eines Arbeitsverhältnisses, LexisNexis Rechtsnews 36115 vom 22. 11. 2024, lexis360.at).

Das Besteuerungsrecht des Tätigkeitsstaates nach dem DBA D-F hingegen begründet das Gericht damit, dass Art 13 Abs 1 DBA D-F von Art 15 Abs 1 OECD-MA abweicht, indem es ausdrücklich auf die zahlende Person verweist und daher „alle Einkünfte dem Besteuerungsrecht des Tätigkeitsstaats zugewiesen würden, welche aus der betreffenden Tätigkeit herrühren würden“ (BFH 24. 7. 2013, I R 8/13). Eine Veranlassung durch die Tätigkeit im weiteren Sinne genüge damit. Im Ergebnis entspricht das auch der hA in Österreich: Abfindungszahlungen für eine vorzeitige Beendigung eines Arbeitsverhältnisses werden aufgrund des Kausalitätsprinzips der ehemaligen aktiven Tätigkeit zugeordnet und dürfen folglich im Quellenstaat besteuert werden (Waser in Aigner/Kofler/Tumpel, DBA2 Art 15 Rz 68 und 71 mwN).

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 36649 vom 23.04.2025