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*Ergebnis einer Umfrage unter 225 Steuerberater:innen und Rechtsanwält:innen (Mai 2024) durchgeführt von IPSOS im Auftrag von LexisNexis Österreich.
DBA Deutschland-Großbritannien: Art 2 Abs 1 lit l
OECD-MA: Art 5
Abstract
Das Vorliegen einer abkommensrechtlichen Betriebsstätte verlangt nach einer ausreichend nachhaltigen Verwurzelung im Tätigkeitsstaat. Nach hA ist diese bei einer Mindestzeit von sechs Monaten gegeben. Im vorliegenden Fall hatte der BFH sich mit der Konstellation auseinanderzusetzen, dass diese Sechsmonatsfrist nur durch Miteinbeziehung der Abwicklungsphase erreicht werden konnte.
BFH 18. 12. 2024, I R 39/21
Sachverhalt
Die Kläger und Revisionskläger (Kl) wohnten im Streitjahr 2007 in Deutschland. Am 18. 9. 2007 gründeten sie in London eine Personengesellschaft britischen Rechts, die im Metall- und Rohstoffhandel tätig war. Am 28. 10. 2008 wurde der Geschäftsbetrieb veräußert. Ein Mietvertrag für die Nutzung von Büroräumlichkeiten ab 22. 10. 2007 bis 30. 4. 2008 wurde ebenso am 18. 9. 2007 geschlossen, wobei sich in den Räumlichkeiten kein Personal, allerdings Büromaterial und EDV-Zubehör befand. Von hier aus nahmen die Kläger im Zeitraum September 2007 bis April 2008 Tätigkeiten für die Gesellschaft wahr, wobei Tätigkeiten zur Erfüllung des Geschäftszwecks Mitte Jänner eingestellt worden sind. Danach wurden hauptsächlich Abwicklungshandlungen vorgenommen. Die Kl erachteten die Einkünfte aufgrund des Vorliegens einer Betriebsstätte als in GB steuerbar und damit in Deutschland nach Art XVIII Abs 2 lit a DBA Deutschland-Großbritannien (in der Folge DBA D-GB) steuerbefreit. Das FA und das FG München (15. 7. 2020, 7 K 770/18) verneinten das Vorliegen einer Betriebsstätte und sprachen das Besteuerungsrecht für die gesamten Einkünfte Deutschland zu.
Entscheidung des BFH
Bei den Einkünften aus dem Metallhandel handelt es sich abkommensrechtlich um Unternehmensgewinne iSd Art III DBA D-GB. Grundsätzlich dürfen diese nur im Ansässigkeitsstaat besteuert werden, es sei denn, im anderen Vertragsstaat befindet sich eine Betriebsstätte. Eine Betriebsstätte iSd Art II Abs 1 lit l Z i DBA D-GB beschreibt eine feste Geschäftseinrichtung, in der die Tätigkeit des Unternehmens ganz oder teilweise ausgeübt wird. Nach der demonstrativen Aufzählung des Art II Abs 1 lit l Z ii und iii DBA D-GB fällt darunter insb ein Ort der Leitung oder eine Geschäftsstelle, nicht hingegen Tätigkeiten, die vorbereitender Art sind oder eine Hilfstätigkeit darstellen.
Das Merkmal der festen Geschäftseinrichtung ist dann erfüllt, wenn sich bei einer Gesamtwürdigung der in Wechselwirkung zueinander stehenden Merkmale der zeitlichen und örtlichen Festigkeit der Geschäftseinrichtung sowie der dauerhaften Verfügungsmacht des Unternehmens über diese Geschäftseinrichtung eine ausreichende Verwurzelung des Unternehmens mit dem Ort der Ausübung der unternehmerischen Tätigkeit ergibt (siehe BFH 18. 12. 2024, I R 47/21). Als Mindestdauer hat der BFH in seiner bisherigen Rsp für einen Zeitraum von sechs Monaten anerkannt, dass dieser eine ausreichende Verwurzelung darstellt, die eine Ausnahme vom ausschließlichen Besteuerungsrecht des Ansässigkeitsstaats rechtfertigt (zB BFH 28. 6. 2006, I R 92/05). Für die Gegenmeinung, dass eine Mindestdauer von zwölf Monaten vorliegen muss (Züger in Gassner/Lang/Lechner [Hrsg], Die Betriebsstätte im Recht der Doppelbesteuerungsabkommen [1998] 56), erkennt das Höchstgericht keine überzeugenden Anhaltspunkte.
Diese sechsmonatige Frist bezieht sich nicht auf die Räumlichkeiten allein, sondern auch auf die unternehmerische Tätigkeit, die in diesen Räumlichkeiten ausgeübt wird (vgl Görl/Gradl in Vogel/Lehner [Hrsg], DBA7 [2021] Art 5 Rz 32). Besonders deutlich zeigt sich dies in der englischen Fassung, da „permanent establishment“ bereits begrifflich die Dauerhaftigkeit hervorhebt. Ausgehend von den Feststellungen des FG war die unternehmerische Tätigkeit nicht für eine Dauer von mehr als sechs Monaten geplant und hat auch schon Mitte Jänner 2008 geendet. Ob hierbei auf den Abschluss des Mietvertrags (18. 9. 2007) oder den im Vertrag genannten Zeitpunkt (22. 10. 2007) abgestellt wird, kann im vorliegenden Fall dahingestellt bleiben, weil in beiden Fällen die Sechsmonatsfrist nicht erreicht wird. Daran vermag auch ein Abstellen auf die voraussichtliche Dauer der Betriebsstätte nichts zu ändern (vgl Wassermeyer/Kaeser in Wassermeyer, MA, Art 5 Rz 37a; Fresch/Strunk in Strunk/Kaminski/Köhler, AStG/DBA, Art 5 Rz 54). Es kann folglich nicht vom Vorliegen einer Betriebsstätte ausgegangen werden.
Eine Gesamtwürdigung der konkreten Umstände rechtfertigt auch keine Ausnahme von der Sechsmonatsfrist. Die vollständige Ausführung der unternehmerischen Tätigkeit in der Geschäftseinrichtung der Betriebsstätte reicht jedenfalls nicht aus. Der Gegenauffassung (insb Wassermeyer/Kaeser in Wassermeyer, MA Art 5 Rz 37a), die auf den im Streitjahr anwendbaren OECD-MK verweisen, kann das Höchstgericht nichts abgewinnen. Abgesehen von dem Umstand, dass das DBA D-GB aus einer Zeit vor dem ersten OECD-MK entstammt (vgl BFH 5. 12. 2023, I R 42/20), hat Deutschland diesbezüglich einen Vorbehalt aufgenommen. Darüber hinaus kann die Verwurzelung in einem Staat nicht am Umfang der Tätigkeit in anderen Staaten gemessen werden, sondern allein an den Tätigkeiten im Staat der (potenziellen) Betriebsstätte.
Schlussendlich wirkt sich die Phase der Abwicklung der Gesellschaft auch nicht auf die Sechsmonatsfrist aus. Dies ergibt sich maßgeblich aus dem Umstand, dass Abwicklungstätigkeiten auf das Verlassen des Betriebsstättenstaates gerichtet sind. Auch die Durchführung einzelner Geschäfte während der Abwicklungsphase ändert nichts an dieser Einordnung, selbst wenn sie vom ursprünglichen Geschäftszweck gedeckt sind. Aufgrund des geringen wirtschaftlichen Volumens kann nicht von einer Fortführung der ursprünglichen Tätigkeit ausgegangen werden.
Conclusio
Die Voraussetzung der Sechsmonatsfrist entspricht auch der Rsp und Ansicht der FinVerw in Österreich (vgl Bendlinger in Aigner/Kofler/Tumpel, DBA2 [2019] Art 5 Rz 67 mwN). Der BFH hat die Frage, ob für die Erfüllung des zeitlichen Kriteriums einer Betriebsstätte auf die tatsächliche Dauer oder auf die voraussichtliche Dauerhaftigkeit abgestellt werden muss, hierbei offengelassen. In der österr Lit (Bendlinger/Kofler, Die Verteilungsnormen im OECD-MA [Art 6–22 OECD-MA] – Teil 1, in Bendlinger/Kanduth-Kristen/Kofler/Rosenberger [Hrsg], Internationales Steuerrecht2 [2018] Rz 70; Bendlinger in Aigner/Kofler/Tumpel, DBA2 Art 5 Rz 69) erfolgt die Einordnung als Betriebsstätte jedenfalls aus dem Blinkwinkel der voraussichtlichen Dauerhaftigkeit. Muss die Geschäftseinrichtung etwa aufgrund mangelnder Ertragskraft bereits nach kurzer Zeit wieder aufgegeben werden, so liegt dennoch eine Betriebsstätte vor, solange ursprünglich eine längere Verweildauer geplant war (Bendlinger/Kofler, Die Verteilungsnormen im OECD-MA [Art 6–22 OECD-MA] – Teil 1, in Bendlinger/Kanduth-Kristen/Kofler/Rosenberger, Internationales Steuerrecht2 [2018] Rz 70). Damit wäre derselbe Fall aus einer österr Perspektive wohl bereits an dieser Stelle anders gelöst worden.