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dUStG: §§ 2 Abs 2 Nr 2
dAktG: §§ 76 Abs 1, 84 Abs 4, 118 Abs 1 S 1, 291, 319
MwStSystRL: Art 11
FGO: § 115 Abs 2
Abstract
Der BFH bestätigt die Unionsrechtskonformität seiner stRsp zu § 2 Abs 2 Z 2 dUStG, wonach der Organträger bei der Organgesellschaft seinen Willen durchsetzen können muss. Diese sog organisatorische Eingliederung kann durch personelle Verflechtungen von leitenden Mitarbeitern zwischen Organträger und Organgesellschaft erreicht werden. Der Organträger muss dabei seine Weisungsbefugnisse gegenüber seinen leitenden Mitarbeitern in deren Eigenschaft als Geschäftsführer bei der Organgesellschaft auch gesellschaftsrechtlich durchsetzen können.
BFH 13. 3. 2024, V B 67/22
Sachverhalt
Die Klägerin (Kl) war eine AG, die bankübliche Geschäfte aller Art betrieb. Im September 2020 war sie Alleinaktionärin der A-AG. Deren einzige Tätigkeit umfasste die entgeltliche und umsatzsteuerfreie Vermietung von in ihrem Eigentum stehenden Liegenschaften an die Kl, welche die Liegenschaften als Bürogebäude nutzte.
Zwischen der A-AG und der Kl bestand zwar ein Gewinnabführungsvertrag iSd § 291, der sie verpflichtete, ihren gesamten Gewinn an die Kl abzuführen. Allerdings bestand kein Beherrschungsvertrag iSd § 291 dAktG. Auch eine Eingliederung gem § 319 dAktG lag nicht vor.
Der Vorstand und Aufsichtsrat der A-AG bestand aus Angestellten der Kl, die bei der Kl weder Vorstands- oder Aufsichtsratsmandate innehatten, noch leitende Angestellte waren. Die Kl stellte diese Mitarbeiter im Innenverhältnis von der Haftung für ihre Tätigkeit bei der A-AG frei — mit Ausnahme von vorsätzlichem oder grob fahrlässigem Handeln. Weiterhin traf die Kl Zielvereinbarungen mit den Angestellten, die die Tätigkeit der A-AG und die Tätigkeit der Mitglieder als Vorstands- bzw Aufsichtsratsmitglieder der A-AG betrafen. Außerdem nahm die Kl die Mehrjahresplanung und die Investitionsentscheidungen der A-AG vor und zeichnete die Vorstandsvorlagen der A-AG gegen.
Die Kl ging von einer Eingliederung der A-AG iSd umsatzsteuerlichen Organschaft gem § 2 Abs 2 Nr 2 UStG aus. Die Einbeziehung der Besteuerungsgrundlagen der A-AG würde zum anteiligen Vorsteuerabzug bei der auch teilweise umsatzsteuerpflichtige Ausgangsumsätze ausführenden Kl führen. Eine für die Jahre 2015–2017 durchgeführte Außenprüfung lehnte allerdings das Vorliegen einer Organschaft mangels organisatorischer Eingliederung ab.
Gegen die UVA für September 2020 legte die Kl Einspruch ein, welchen das FA als unbegründet zurückwies. Daraufhin richtete die Kl eine Klage an das FG Hessen (30. 6. 2022, 6 K 396/21), welche ebenfalls abgewiesen wurde. Das FG ging in seiner Entscheidung davon aus, dass die organisatorische Eingliederung, wonach der Organträger seinen Willen in der laufenden Geschäftsführung der Organgesellschaft tatsächlich durchsetzen können müsse, nicht durch den Einsatz einfacher Mitarbeiter der Kl in der A-AG erfüllt gewesen wäre. Bei deren Einsatz in der Organgesellschaft wäre ein unmittelbares Abberufungsrecht durch den potenziellen Organträger erforderlich gewesen. Ein derartiges Durchgriffsrecht wäre aber auf Grundlage der aktienrechtlichen Besonderheiten in diesem Fall nicht ersichtlich gewesen, da es eine zivilrechtliche Trennung zwischen dienstvertraglicher Stellung bei der Kl und Organstellung des Vorstands bei der A-AG auf Basis der sog Trennungstheorie gegeben hätte. Weiterhin ergäbe sich keine Eingliederung, da es an schriftlich fixierten Vereinbarungen gefehlt hätte, womit der Organträger in der Lage gewesen sein hätte müssen, gegenüber Dritten seine Entscheidungsbefugnis schlüssig darzulegen.
Gegen die Nichtzulassung der Revision richtete die Kl eine Beschwerde. Hierfür machte sie eine grundsätzliche Bedeutung der Rs iSd § 115 Abs 2 Nr 1 FGO geltend.
Entscheidung
Die Klägerin macht drei Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung geltend.
Erstens geht es um die Frage, ob es weiterhin des Erfordernisses einer organisatorischen Eingliederung mit Durchgriffsrechten zur Begründung einer umsatzsteuerlichen Organschaft bedarf oder die in Art 11 MwStSystRL geforderte enge Verbindung durch gegenseitige organisatorische Beziehungen bereits im Regelfall ausreichend ist. Diese Frage ist laut BFH nicht klärungsbedürftig, da sie durch die Rsp des BFH bereits hinreichend geklärt wurde (s EuGH 1. 12. 2022, C-141/20; daran anschließend BFH 18. 1. 2023, XI R 29/22; 8. 8. 2013, V R 18/13; 2. 12. 20215, V R 15/14; 27. 11. 2019, XI R 35/17). Somit entspricht das Erfordernis der organisatorischen Eingliederung mit Durchgriffsrechten den unionsrechtlichen Anforderungen. Die Kl kann darüber hinaus keine neuen Gesichtspunkte vortragen, die eine weitergehende Prüfung erforderlich machen.
Zweitens wirft die Kl die Frage auf, ob eine AG organisatorisch eingegliedert ist, wenn Mitarbeiter der Mutter, den Vorstand der Tochter bilden, deren Geschäfte führen und sie entsprechend § 84 Abs 4 dAktG abberufen werden können. Im Bezug auf diese Rechtsfrage bezieht sich die Kl auf ein BFH-Urteil (s BFH 7. 7. 2011, V R 53/10), welches für eine GmbH ergangen ist. Hier wurde eine organisatorische Eingliederung angenommen, als einer der Geschäftsführer der Organgesellschaft leitender Mitarbeiter und somit noch nicht einmal Vorstand des Organträgers war. Demgegenüber legt die Kl aber nicht dar, warum diese Besonderheiten auch auf eine AG zu übertragen sind. Bspw führt sie nicht aus, inwiefern das von ihr angenommene dienstvertragliche Weisungsrecht hinsichtlich ihrer als Vorstandsmitglieder der A-AG bestellten Mitarbeiter gesellschaftsrechtlich bei der A-AG hätte durchgesetzt werden können und inwiefern dies mit § 76 Abs 1 dAktG vereinbar sein könnte.
Im Übrigen kann die Kl nicht darlegen, dass die Beantwortung der Rechtsfrage sich nicht in der Entscheidung eines konkreten Einzelfalls erschöpft (BFH 24. 10. 2006, I B 41/06). Die Entscheidung des FG Hessen beruht auf einer Einzelfallwürdigung, welche durch mehrere Besonderheiten geprägt ist, wie etwa die Beherrschung der Hauptversammlung der A-AG durch die Kl als Alleinaktionärin. Diese Umstände entsprechen nicht der vom Gesetzgeber intendierten Kompetenzverteilung innerhalb einer AG gem § 118 Abs 1 S 1 dAktG.
Die dritte und letzte aufgeworfene Rechtsfrage der Kl ist, ob es für die Annahme der organisatorischen Eingliederung gem § 2 Abs 2 Nr 2 dUStG genügt, dass Mitarbeiter der Mutter ohne Leitungsfunktion den Vorstand der Tochter bilden. Diese Frage wird nicht weiter erörtert, da gilt, dass wenn ein FG sein Urteil kumulativ auf mehrere Gründe gestützt hat, hinsichtlich jeder Begründung ein Zulassungsgrund iSd § 115 Abs 2 FGO dargelegt werden und vorliegen muss (BFH 3. 11. 2023, VI B 2/23). Da die ersten beiden Fragen der Kl bereits als nicht zulässig erklärt wurden, sieht der BFH von einer weiteren Begründung ab.
Die Beschwerde wird wegen Nichtzulassung der Revision als unbegründet zurückgewiesen.
Conclusio
Die stRsp des BFH, welche in diesem Urteil abermals bestätigt wird, besagt, dass die organisatorische Eingliederung, welche für eine umsatzsteuerliche Organschaft benötigt wird, dann besteht, wenn der Organträger sicherstellen kann, dass sein Willen auch tatsächlich in der Organgesellschaft umgesetzt wird (BFH 28. 1. 1999, V R 32/98; 3. 4. 2003, V R 63/01; 8. 8. 2013, V R 18/13; 2. 12. 2015, V R 15/14; ebenso UStAE zu § 2 UStG, Nr 2.8.7). Dies wird in der Regel durch eine personelle Verflechtung der Leitungen im Organträger und den Organgesellschaften erreicht. Anhand des vorliegenden Urteils wird nun deutlich, dass eine personelle Verflechtung nicht nur sehr stark von den Gegebenheiten des Einzelfalls beeinflusst wird, sondern auch durch die gesellschaftsrechtlichen Unterschiede zwischen einer GmbH und AG.
Auch die österreichische Rechtslage kennt die organisatorische Eingliederung als Voraussetzung für eine umsatzsteuerliche Organschaft. Diese ist gegeben, wenn die tatsächliche Durchsetzung des Willens des beherrschenden Unternehmens bei der beherrschten Gesellschaft durch organisatorische Maßnahmen gesichert ist, sei es durch personelle Maßnahmen oder die Übernahme wesentlicher organisatorischer Aufgaben (VwGH 9. 4. 1970, 0135/68). Ähnlich wie in Deutschland, ist es auch in Österreich nicht ausreichend, dass die Obergesellschaft den Geschäftsführer der Untergesellschaft durch die beherrschte Generalversammlung wieder abberufen kann (s VwGH 3. 11. 1966, 1884/65; ebenso UStR 2000, Rz 239).