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BFH: Art 135 Abs 2 lit c MwStSyst-RL normiert kein Aufteilungsgebot

Bearbeiter: Rainer Borns

MwStSyst-RL: Art 135 Abs 1 lit l und Art 135 Abs 2 lit c

Abstract

Während die Vermietung und Verpachtung von Grundstücken gem Art 135 Abs 1 lit l MwStSyst-RL von der Umsatzsteuer befreit ist, sieht Art 135 Abs 2 lit c MwStSyst-RL vor, dass die Vermietung von auf Dauer eingebauten Vorrichtungen und Maschinen von den Befreiungen nach Abs 1 leg cit ausgenommen ist. Der EuGH hat entschieden, dass die Verpachtung von auf Dauer eingebauten Vorrichtungen gem Art 135 Abs 2 lit c MwStSyst-RL dennoch steuerbefreit ist, sollte diese als Nebenleistung einer gem Art 135 Abs 1 lit l MwStSyst-RL steuerbefreiten Grundstücksverpachtung qualifiziert werden. Der BFH hat sich nun mit der Frage auseinandergesetzt, ob die Verpachtung einer Betriebsvorrichtung im gegenständlichen Fall eine eigenständige Leistung oder eine unselbstständige Nebenleistung der Gebäudeverpachtung darstellt.

BFH 17. 8. 2023, V R 7/23

Sachverhalt

Der Beschwerdeführer (Bf) verpachtet ein Stallgebäude zur Putenaufzucht mit auf Dauer eingebauten Vorrichtungen und Maschinen. Zu diesen Maschinen gehören ua eine Industrieförderspirale zur Fütterung der Puten sowie ein Heizungs-, Lüftungs- und Beleuchtungssystem zur Sicherung einer der Tiere entsprechenden Temperatur und Ausleuchtung. Der Bf erhält laut Pachtvertrag ein einheitliches Entgelt für die Überlassung des Stalles sowie der Vorrichtungen und Maschinen.

Während der Bf davon ausging, dass die Verpachtung der gesamten Liegenschaft inkl Maschinen eine umsatzsteuerfreie Leistung ist, vertrat das FA die gegenteilige Auffassung und brachte vor, dass einzig und allein die Verpachtung des Stalles umsatzsteuerbefreit sei. Demgegenüber stelle die Verpachtung der Vorrichtungen und Maschinen eine umsatzsteuerpflichtige Leistung dar. Das Finanzgericht gab der dagegen erhobenen Beschwerde Folge und führte mit Verweis auf die Rsp des BFH und EuGH aus, dass die Verpachtung der Vorrichtungen und Maschinen eine unselbstständige Nebenleistung zur Verpachtung des Stalles ist. Die Nebenleistung folgt dem umsatzsteuerrechtlichen Schicksal der Hauptleistung. Das FA erhob daraufhin Amtsrevision. Der BFH hatte Zweifel bezüglich der Auslegung von Art 135 Abs 2 lit c MwStSyst-RL und legte dem EuGH die Frage vor, ob die Steuerpflicht der Verpachtung auf Dauer eingebauter Vorrichtungen und Maschinen iSd Art 135 Abs 2 lit c MwStSyst-RL nur die isolierte (eigenständige) Verpachtung derartiger Vorrichtungen oder auch die Verpachtung derartiger Vorrichtungen als Nebenleistung zu einer gem Art 135 Abs 1 lit l MwStSyst-RL steuerbefreiten Gebäudevermietung erfasst.

Der EuGH (EuGH 4. 5. 2023, C-516/21, Finanzamt X) führte zu dieser Frage aus, dass eine wirtschaftlich einheitliche Leistung nicht künstlich aufgespalten werden darf. Sollten Einzelleistungen aus Sicht des Kunden so eng miteinander verbunden sein, dass sie objektiv eine einzige untrennbare wirtschaftliche Einheit bilden, müssen diese auch umsatzsteuerrechtlich eine Einheit bilden. Aus Art 135 Abs 2 lit c MwStSyst-RL ergibt sich nicht das Erfordernis, einen einheitlichen wirtschaftlichen Vorgang in eigenständige Leistungen aufzuteilen. Letztendlich überließ es der EuGH jedoch dem BFH zu entscheiden, ob die vorliegende Verpachtung der Liegenschaft und die Verpachtung der sonstigen Vorrichtungen als eine solche einheitliche Leistung anzusehen ist.

Entscheidung des BFH

Der BFH führt aus, dass er in bisheriger Rsp (BFH 28. 5. 1998, V R 19/96) aus § 4 Nr 12 S 2 dUStG (Art 135 Abs 2 lit c MwStSyst-RL) ein Aufteilungsgebot ableitete. Selbst wenn die Vermietung von Betriebsvorrichtungen eine wirtschaftliche Einheit mit der steuerbefreiten Verpachtung von Liegenschaften bildet, spaltete der BFH in bisheriger Rsp diese einheitliche Leistung basierend auf Art 135 Abs 2 lit c MwStSyst-RL auf. Aufgrund der Entscheidung des EuGH im vorliegenden Fall (EuGH 4. 5. 2023, C-516/21, Finanzamt X) geht der BFH nun von seiner bestehenden Rsp ab und folgt dem EuGH. Bilden die Verpachtung von Vorrichtungen und die Verpachtung einer Liegenschaft eine umsatzsteuerrechtliche einheitliche Leistung, ist diese (somit sowohl die Verpachtung der Vorrichtungen als auch die Verpachtung der Liegenschaft) gem Art 135 Abs 1 lit l MwStSyst-RL steuerbefreit.

Im vorliegenden Fall handelt es sich bei den Vorrichtungen und Maschinen um speziell abgestimmte Ausstattungselemente, die nur dazu dienten, die vertragsgemäße Nutzung des Putenstalls unter optimalen Bedingungen in Anspruch zu nehmen. Der BFH kommt unter Verweis auf eine Auffassung im Schrifttum (Heinrichshofen, EuGH kippt Aufteilungsgebot des § 4 Nr 12 Satz 2 UStG, UStB 2023, 173 [174]) zum Ergebnis, dass die Gebäudeverpachtung die Hauptleistung ist, nach der auch das umsatzsteuerrechtliche Schicksal der Verpachtung der Betriebsvorrichtungen zu beurteilen ist. Der BFH bestätigt somit die Entscheidung des FG und befreit sowohl die Gebäudeverpachtung als auch die Verpachtung der Betriebsvorrichtung von der Umsatzsteuer.

Conclusio

Bisher ist der BFH (BFH 28. 5. 1998, V R 19/96) davon ausgegangen, dass Art 135 Abs 2 lit c MwStSyst-RL (§ 4 Nr 12 S 2 dUStG) ein gesetzliches Aufteilungsgebot normiert, weshalb die Verpachtung von Liegenschaften und die Verpachtung von Betriebsvorrichtungen niemals als einheitliche Leistung qualifiziert werden konnte. Im vorliegenden Fall geht der BFH basierend auf die Entscheidung des EuGH (EuGH 4. 5. 2023, C-516/21, Finanzamt X) explizit von seiner bisherigen Rsp ab. Demnach kann aus § 4 Nr 12 S 2 dUStG nicht zwingend geschlossen werden, dass die Vermietung und Verpachtung von Grundstücken und die Verpachtung von Maschinen und sonstigen Einrichtungen zwei eigenständige Leistungen iSd Umsatzsteuerrechts sind. Dies unterliegt vielmehr einer Einzelfallbeurteilung, wobei der BFH im vorliegenden Fall überzeugend entschieden hat, dass es sich um eine einheitliche Leistung handelt, deren umsatzsteuerrechtliches Schicksal sich nach der Hauptleistung – der Gebäudeverpachtung – richtet.

Art 135 Abs 2 lit c MwStSyst-RL wird in Österreich durch § 6 Abs 1 Z 16 TS 2 UStG umgesetzt. Demnach ist die Vermietung und Verpachtung von Maschinen und sonstigen Vorrichtungen aller Art, die zu einer Betriebsanlage gehören, nicht steuerbefreit, auch wenn diese wesentliche Bestandteile eines Grundstückes sind. Vor der Entscheidung des EuGH in der Rs Mailat (EuGH 19. 12. 2018, C-17/18, Mailat) sind Teile der Lit davon ausgegangen, dass sich aus § 6 Abs 1 Z 16 TS 2 UStG ein Aufteilungsgebot ergibt. Folglich wurde die Vermietung von sonstigen Vorrichtungen aller Art jedenfalls als steuerpflichtig angesehen (siehe Ruppe/Achatz in Ruppe/Achatz [Hrsg], UStG [2017] Rz 399). Nach der Entscheidung des EuGH in der Rs Mailat gehen Vertreter der Lit hingegen davon aus, dass auch die Vermietung von sonstigen Vorrichtungen aller Art unter die Steuerbefreiung des § 6 Abs 1 Z 16 UStG fallen kann, wenn sie als unselbstständige Nebenleistung zur Grundstücksvermietung zu qualifizieren ist (Rattinger in Melhardt/Tumpel [Hrsg], UStG [2021] Rz 501; siehe auch Mayr, SWK 2019, 596 [599]). Die Entscheidung des EuGH in der Rs Finanzamt X und die gegenständliche Entscheidung des BFH untermauern diese Ansicht. Zudem hat das deutsche Höchstgericht entschieden, dass die deutsche Umsetzungsbestimmung (§ 4 Nr 12 S 2 dUStG) richtlinienkonform interpretiert werden muss, damit dem Verständnis des Art 135 Abs 2 lit c MwStSyst-RL entsprochen wird. Da der Wortlaut der deutschen und der österreichischen Umsetzungen ident ist, ist davon auszugehen, dass dieses einschränkende Auslegungsergebnis auch bei § 6 Abs 1 Z 16 TS 2 UStG im Zuge einer richtlinienkonformen Interpretation erzielt werden kann.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 34695 vom 02.11.2023