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BFH: Besteuerung von Abfindungen nach dem DBA Deutschland-Frankreich

Bearbeiter: Juliane Beverungen

DBA Deutschland-Frankreich (idF DBA D-F): Art 13 Abs 1 und 5

OECD-MA: Art 15 Abs 1

dEStG: § 1 Abs 4, § 24 Nr 1, § 39b Abs 6, § 49 Abs 1 Nr 4 lit d

Abstract

Im vorliegenden Urteil hatte sich der BFH mit der Frage zu beschäftigen, wie Abfindungen nach dem DBA D-F zu besteuern sind. Es war fraglich, ob die Grenzgängerregelung gem Art 13 Abs 5 DBA D-F einer Besteuerung gem Art 13 Abs 1 DBA D-F entgegensteht. Der BFH kam zu dem Ergebnis, dass eine Abfindung im Rahmen des DBA D-F im Tätigkeitsstaat besteuert werden darf, soweit sie auf die Zeit entfällt, die der Steuerpflichtige in diesem Staat unbeschränkt steuerpflichtig war. Dem steht die Grenzgängerregelung nicht entgegen.

BFH 1. 8. 2024, VI R 52/20

Sachverhalt

Der Kläger (Kl) war zwischen 1995 und 2015 bei unterschiedlichen Unternehmen des A Konzerns beschäftigt, wobei er immer im selben Werk tätig war. Bis zum 31. 10. 2005 begründete er einen Wohnsitz in Deutschland, seitdem war er ausschließlich in Frankreich ansässig. Bis zu seinem Wegzug führte sein Arbeitgeber (AG) aufgrund des inländischen Wohnsitzes Lohnsteuer und Lohnsteuerabzugsbeträge an das zuständige Finanzamt (FA) ab. Von November 2005 bis zu seinem Tätigkeitsende im Juni 2015 wurde der Kl als Grenzgänger gem Art 13 Abs 5 DBA D-F von der deutschen Lohnsteuer freigestellt und in Frankreich der Einkommensteuer unterworfen. Demnach war er während seines insgesamt 245 Monate andauernden Arbeitsverhältnisses 129 Monate in Deutschland und 116 Monate in Frankreich ansässig.

Im Rahmen einer Kündigung des Kl durch seinen AG wurde dem Kl eine Abfindung iHv 180.000 € zugesprochen, welche ihm zum Ende seines Arbeitsverhältnisses ausgezahlt werden musste. Das FA bestätigte dem AG, dass beim Kl aufgrund seiner Grenzgängereigenschaft gem § 39b Abs 6 dEStG vom Lohnsteuerabzug abgesehen werden könnte. Außerdem bestätigte der Kl, dass er seinen Wohnsitz in Frankreich nach Auszahlung der Abfindung beibehalten wird und nicht vorhat wieder nach Deutschland zurückzukehren.

Das FA teilte dem AG mit, dass die Abfindung als Entschädigungszahlung nur insoweit der beschränkten Steuerpflicht unterliegen würde, als die ausgeübte Tätigkeit auch der inländischen Besteuerung unterlegen habe. Somit ist ein Anteil von 129/245 der insgesamt 180.000 € (95.775,51 €) in Deutschland steuerpflichtig. Für diesen Anteil seien Lohnsteuer und Solidaritätszuschlag unter Anwendung der Steuerklasse I abzuführen. Der Anteil von 116/245 (85.224,49 €) sei dahingegen steuerfrei. Dies wurde vom AG befolgt.

Daraufhin beantragte der Kl die vollständige Freistellung dieser Abzugsbeträge. Er war der Ansicht, dass er als Grenzgänger mit seinen inländischen Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit in Frankreich und nicht in Deutschland steuerpflichtig sei. Dies wurde vom FA abgelehnt, woraufhin der Kl Klage vor dem FG Baden-Württemberg erhob. Dieses wies die Klage ab (s FG Baden-Württemberg v 11. 2. 2020, 6 K 055/18). Mit seiner Revision rügte der Kl eine Verletzung materiellen Rechts.

Entscheidung

Der Kl unterliegt mit seinen Einkünften seit seinem Wegzug nach Frankreich der beschränkten Steuerpflicht in Deutschland gem § 1 Abs 4 dEStG. Gem § 49 Abs 1 Nr 4 lit d dEStG gehören zu den Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit auch solche, die als Entschädigung iSd § 24 Nr 1 dEStG für die Auflösung eines Dienstverhältnisses gezahlt werden, wenn die Einkünfte aus der zuvor ausgeübten Tätigkeit einer Besteuerung in Deutschland unterlagen (s auch BFH 13. 10. 1978, VI R 91/77). Die Parteien waren sich einig, dass die Abfindung als Ausgleich für den Schaden des Kl durch den Verlust seines Arbeitsplatzes gezahlt wurde. Deutschland hat daher ein innerstaatliches Besteuerungsrecht für die in Rede stehende Abfindung, soweit sie anteilig auf den Zeitraum der Tätigkeit entfällt, in dem der Kl in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtig war.

Weiterhin äußerte der Kl Bedenken hinsichtlich des Aufteilungsmaßstabs, welchen das FA wählte, nämlich die Monate der Inlandsbesteuerung im Verhältnis zur Gesamtdauer des Arbeitsverhältnisses. Diese wies der BFH zurück, da die gesamte Tätigkeit des Kl bei verschiedenen Unternehmen desselben Konzerns ausgeübt wurde und daher alle Tätigkeiten zusammengerechnet werden können, wie es das FA getan hatte.

Gem Art 15 Abs 1 S 2 OECD-MA handelt es sich bei Abfindungen nicht um ein zusätzliches Entgelt für eine frühere Tätigkeit, sondern gerade um eine Zahlung für den Verlust des Arbeitsplatzes. Dieser Meinung schließen sich die dt FinVw und der erkennende Senat grds an (s dt BMF v 14. 9. 2006, BStBl I 2006, 532, Tz 6.3; ebenso BFH 2. 9. 2009, I R 111/08; BFH 24. 7. 2013, I R 8/13). Allerdings weicht Art 13 Abs 1 DBA D-F vom Wortlaut des Art 15 Abs 1 OECD-MA ab und lässt einen bloßen Anlasszusammenhang zwischen Arbeitsverhältnis und Abfindung zu. Damit reicht Art 13 Abs 1 S 1 DBA D-F als Grundlage aus, um das Besteuerungsrecht für die Abfindung dem früheren Tätigkeitsort Deutschland zuzuordnen. Dem steht auch die Grenzgängerregelung gem Art 13 Abs 5 DBA D-F nicht entgegen, da das FA für den Zeitraum, in dem der Kl Grenzgänger war, sowieso von der Besteuerung der Abfindung abgesehen hatte. Damit steht das DBA D-F dem innerstaatlichen Besteuerungsrecht Deutschlands nicht entgegen und die Revision wurde als unbegründet abgewiesen.

Conclusio

Beim vorliegenden BFH-Urteil handelt es sich um eines der ersten des 6. Senats im Bereich des Internationalen Steuerrechts nach Änderung der Zuständigkeiten zum 1. 1. 2024 (s Geschäftsverteilungsplan BFH, 1. 1. 2025). Diese Änderungen erfolgten ua mit dem Ziel, den 1. Senat zu entlasten und gingen mit Befürchtungen oder Hoffnungen einer Abkehr von der stRsp des 1. Senats einher. Diese scheinen sich vorerst allerdings nicht zu bestätigen, da sich der erkennende Senat nicht nur in diesem Urteil der bisherigen Rsp anschließt (s bspw BFH 1. 8. 2024, VI R 23/22, Rz 41).

Weiterhin ist das Urteil interessant, da der BFH den Meinungsstreit über die Besteuerung von Abfindungen im DBA-Recht thematisiert. Diese ist grds davon abhängig, wofür die Abfindung gezahlt wurde, sei es also eine Zahlung für Arbeitsleistungen vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses, eine Zahlung für die vorzeitige Auflösung eines Arbeitsverhältnisses oder eine Zahlung mit Versorgungscharakter (s Waser in Aigner/Kofler/Tumpel [Hrsg], DBA2 [2019] Art 15 Rz 67 ff). Aufgrund des vom Wortlaut des Art 15 OECD-MA abweichenden Art 13 DBA D-F kommt der BFH zu dem Schluss, dass eine Besteuerung der Abfindung im Tätigkeitsstaat zu erfolgen hat, da die Einkünfte aus diesem Staat „herrühren“ (s Art 13 Abs 1 S 1 DBA D-F). Diese Argumentation überzeugt, da in jedem Fall ein Kausalzusammenhang zwischen der Abfindung und der vorherigen Tätigkeit besteht. Somit rührt die Abfindung aus dem vorherigen Dienstverhältnis her, was eine Besteuerung im Tätigkeitsstaat erlaubt.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 36371 vom 06.02.2025