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BFH: Britische „remittance basis“-Besteuerung als Vorzugsbesteuerung im Sinne des Außensteuerrechts

Bearbeiter: Juliane Beverungen

EStG 1988: § 102

Außensteuergesetz (idF dAStG): § 2

GG: Art 3 Abs 1, 20 Abs 3

EUGrdRCH: Art 45 Abs 1

AEUV: Art 45, 49, 63 Abs 1

Abstract

Im vorliegenden Urteil hatte sich der BFH mit der Frage zu beschäftigen, ob es sich bei der britischen „remittance basis“-Besteuerung, welche für Zugezogene im Vereinigten Königreich und Irland gewährt wird, um eine Vorzugsbesteuerung gem § 2 dAStG handelt. Der BFH kam dabei zu dem Schluss, dass eine Vorzugsbesteuerung gem § 2 Abs 2 Nr 2 dAStG dann vorliegen kann, wenn bestimmte Teile des grundsätzlich steuerpflichtigen Einkommens vollständig steuerfrei gestellt werden. Weiterhin führte der BFH aus, dass die erweiterte beschränkte Steuerpflicht gem § 2 dAStG nicht gegen das deutsche Verfassungsrecht und die unionsrechtlichen Grundfreiheiten verstößt.

BFH 14. 1. 2025, IX R 37/21

Sachverhalt

Die Klägerin (Kl) ist eine deutsche Staatsangehörige, die in Deutschland unbeschränkt einkommensteuerpflichtig war, bevor sie im Jahr 2000 nach Großbritannien umzog. Ihren Wohnsitz in Deutschland gab sie dabei auf. Im Streitjahr erzielte sie neben ausländischen Einkünften sowohl deutsche Vermietungseinkünfte als auch Kapitalerträge einer deutschen Bank.

Für die inländischen Einkünfte behandelte das Finanzamt (FA) die Kl als beschränkt einkommensteuerpflichtig. Dabei bezog es auch die Kapitaleinkünfte gem § 2 dAStG in die steuerliche Bemessungsgrundlage ein, da es die Ansicht vertrat, dass die Kl in Großbritannien einer Vorzugsbesteuerung unterlag.

Der hiergegen eingelegte Einspruch hatte keinen Erfolg. Auch das FG wies eine Klage mit der Begründung ab, dass die britische „remittance-basis“-Besteuerung eine Vorzugsbesteuerung iSd § 2 Abs 1 S 1, Abs 2 Nr 2 dAStG sei. Mit ihrer Revision rügte die Kl eine rechtsfehlerhafte Anwendung des § 2 Abs 2 Nr 2 dAStG, da die „remittance basis“-Besteuerung Teil des allgemeinen Steuersystems Großbritannien sei und daher denklogisch nicht zugleich auch bevorzugend sein könnte. Zudem erhob die Kl verfassungsrechtliche und unionsrechtliche Bedenken.

Entscheidung

Zwischen den Beteiligten ist unstrittig, dass die Kl die persönlichen und sachlichen Voraussetzungen des § 2 Abs 1 S 1 dAStG erfüllt: Eine niedrige Besteuerung liegt gem § 2 Abs 2 dAStG dann vor, wenn die Belastung der Person durch die im Ausland erhobene Einkommensteuer aufgrund einer gegenüber der allgemeinen Besteuerung eingeräumten Vorzugsbesteuerung erheblich gemindert wird. Die Möglichkeit der Kl, die britische „remittance basis“-Besteuerung im Streitjahr in Anspruch zu nehmen, stellt eine solche Vorzugsbesteuerung dar.

Zwar definiert das Gesetz den Begriff der Vorzugsbesteuerung nicht, allerdings ist grds geklärt, dass der Vorzug nicht an sachliche, sondern an persönliche Kriterien gebunden sein muss (s BMF-Schreiben 22. 12. 2023, BStBl I 2023, Rz 23; Kaiser, in Haase [Hrsg], AStG/DBA4 [2024], § 2 AStG Rz 85 ff). Außerdem muss es sich um eine Begünstigung handeln, die den im Zuzugsstaat lebenden Bürgern des Staates nicht zugänglich ist (Hahn, juris PraxisReport Steuerrecht 22/2012, Anm 3).

Vom in Großbritannien grds geltenden Welteinkommensprinzips wird im Rahmen der „remittance basis“-Besteuerung abgewichen. Der Zuzug wird dabei insoweit begünstigt, dass nicht nach Großbritannien transferiertes Auslandseinkommen von der steuerlichen Bemessungsgrundlage ausgenommen wird. Die Möglichkeit der Inanspruchnahme dieses Vorteils knüpft dabei an einen, gegenüber der Allgemeinheit, schwächeren Grad der Verwurzelung in Großbritannien an. Dies ist zum einen ein persönliches Kriterium und sorgt zum anderen dafür, dass der Vorteil nicht allen Bürgern Großbritanniens zugänglich ist. Somit liegt eine Vorzugsbesteuerung vor.

Zweierlei Einwände der Kl sind bei dieser Qualifikation unerheblich: Zum einen brachte die Kl vor, dass die Freistellung nur bis zu einem Transfer der Einkünfte nach Großbritannien greife. Allerdings wurde nicht festgestellt, dass die Kl die Kapitaleinkünfte jemals überführt habe, wodurch die Steuerfreistellung endgültig wirksam wird. Zum anderen ist unerheblich, ob die Kl die „remittance basis“-Besteuerung tatsächlich in Anspruch genommen hat oder nicht. Allein die Möglichkeit der Inanspruchnahme reicht für die qualitative Betrachtung des § 2 Abs 2 dAStG aus. Dies steht auch im Einklang mit dem Ziel und Zweck der Norm, Steuervorteile durch einen Wegzug ins Ausland zu kompensieren.

Auch die gerügte Verletzung des grundrechtlichen Bestimmtheitsgebot, welches aus dem Rechtsstaatsprinzip gem Art 20 Abs 3 GG abgeleitet wird, ist abzuweisen. Zwar bedient sich der deutsche Gesetzgeber in § 2 dAStG einiger unbestimmter Rechtsbegriffe, allerdings wird deren Verwendung durch das Bestimmtheitsgebot nicht verboten. Da sich die Begrifflichkeiten durch juristische Methoden hinreichend konkretisieren lassen, können Unklarheiten im Wege der Auslegung aus dem Weg geschafft werden. Weiterhin ist bereits höchstrichterlich geklärt, dass § 2 dAStG nicht gegen das wirtschaftliche Leistungsfähigkeitsprinzip, welches sich aus Art 3 Abs 1 GG ergibt, verstößt (s BVerfG 14. 5. 1986, 2 BvL 2/83).

§ 2 dAStG verstößt auch nicht gegen das Freizügigkeitsgrundrecht gem Art 45 Abs 1 EUGrdRCH, da aufgrund der fehlenden Harmonisierung des EU-Rechts im Rahmen des Einkommensteuerrechts der Anwendungsbereich der EUGrdRCH gar nicht erst eröffnet ist. Weiterhin wird durch die Regelung weder die Niederlassungsfreiheit gem Art 49 AEUV noch die Arbeitnehmerfreizügigkeit gem Art 45 AEUV verletzt, da die Kl nicht daran gehindert wird, ihre Niederlassung in einen anderen Mitgliedstaat zu verlegen (s EuGH 11. 3. 2004, C-9/02, De Lasteyrie du Saillant). Auch besteht kein Verstoß gegen die Kapitalverkehrsfreiheit gem Art 63 Abs 1 AEUV (s EuGH 23. 2. 2006, C-513/03, van Hilten – van der Heijden), da ein in ein Niedrigsteuerland gezogener Steuerpflichtige durch die erweiterte beschränkte Steuerpflicht gem § 2 dAStG nicht daran gehindert wird, in Deutschland Kapitalinvestitionen vorzunehmen.

Die Revision ist somit unbegründet und zurückzuweisen.

Conclusio

Das BFH-Urteil unterstreicht die äußerst interessante Beziehung zwischen Zuzugsbegünstigungen auf der einen Seite und einer etwaigen Wegzugsbesteuerung bzw erweiterten beschränkten Steuerpflicht auf der anderen Seite. Da sich heutzutage viele Länder beider steuerlicher Maßnahmen bedienen, ist anzunehmen, das ähnliche Fragen auch in Bezug auf andere Zuzugsbegünstigungen aufgeworfen werden können.

Auch das österreichische Einkommensteuerrecht kennt in § 102 EStG eine Zuzugsbegünstigung vergleichbar der „remittance basis“-Besteuerung in Großbritannien, welche, den Ausführungen des BFH folgend, eine erweiterte beschränkte Steuerpflicht in Deutschland gem § 2 dAStG auslösen könnte. Insb interessant sind die Ausführungen des BFH, dass es für Zwecke des § 2 dAStG nicht darauf ankommt, ob der Steuerpflichtige die Vorzugsbesteuerung im Zuzugsstaat tatsächlich in Anspruch genommen hat, sondern dass die bloße Möglichkeit hierfür ausreicht. Wenn Sinn und Zweck einer solchen Norm aber der Ausgleich eines Steuerprivilegs ist, dann kann infrage gestellt werden, ob die Norm nach ihrem Sinn und Zweck auch dann zur Anwendung kommen soll, wenn der Steuerpflichtige das Privileg gar nicht in Anspruch genommen hat.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 36969 vom 24.07.2025