News

BFH: Das Erteilen von Flugunterricht für die Privatpilotenlizenz ist umsatzsteuerpflichtig

Bearbeiter: Eric Coenen

MwStSystRL: Art 132 Abs 1 lit i

dUStG: § 4 Z 22 lit a, lit b

Abstract

Der BFH hatte im vorliegenden Fall zu entscheiden, ob das Erteilen von Flugunterricht zur Erlangung einer Privatpilotenlizenz eine nach § 4 Z 22 lit a dUStG umsatzsteuerfreie Leistung ist. Nach Ansicht des BFH ist diese Leistung jedoch nicht umsatzsteuerfrei, weil diese Bestimmung richtlinienkonform iSd Art 132 Abs 1 lit i MwStSystRL auszulegen ist, wonach eine nicht dem beruflichen oder gewerblichen Zweck dienende Ausbildung nicht von dieser Befreiung erfasst ist. Da die Privatpilotenlizenz keinem Beruf dienen kann, war die Umsatzsteuerbefreiung somit nicht einschlägig.

BFH 13. 11. 2024, XI R 31/32

Sachverhalt

Der Kläger ist ein gemeinnütziger Verein zur Förderung des Luftsports. Im Jahr 2015 erwarb er ein Flugzeug, das er Mitgliedern des Vereins gegen Entgelt zum Fliegen überließ. Zudem verwendete er das Flugzeug in den Jahren 2016 und 2017 für die Ausbildung von Flugschülern für die Privatpilotenlizenz. Seit Oktober 2016 weist der Kläger in seinen Rechnungen aus der Überlassung des Flugzeugs den ermäßigten Umsatzsteuersatz aus, die Umsätze aus dem Flugunterricht erklärte er als steuerfreie Umsätze. Nach Ansicht des Finanzamts (FA) stelle die Überlassung des Flugzeugs gemeinsam mit dem Flugunterricht jedoch eine einheitliche Leistung dar, die umsatzsteuerfrei ist, weshalb der Vorsteuerabzug für den Erwerb des Flugzeugs nicht geltend gemacht werden könne. Diese Entscheidung bestätigte das Finanzgericht (Baden-Württemberg 24. 6. 2021, 1 K 3047/19), weil die Überlassung des Flugzeugs eine unselbstständige Nebenleistung zum gem § 4 Z 22 lit a dUStG unecht steuerfreien Flugunterricht sei. In der vorliegenden Revision hatte der BFH nun über die umsatzsteuerliche Behandlung des Flugunterrichts bzw Überlassung des Flugzeugs zu entscheiden sowie die damit zusammenhängende Zulässigkeit eines Vorsteuerabzugs.

Entscheidung des BFH

Nach Ansicht des BFH hat das FG zwar zu Recht angenommen, dass die entgeltliche Überlassung des Flugzeugs an Vereinsmitglieder zusammen mit dem Erteilen des Flugunterrichts eine einheitliche Leistung ist. Allerdings ist das FG zu Unrecht davon ausgegangen, dass der erteilte Flugunterricht umsatzsteuerfrei ist. Daher ist auch der Vorsteuerabzug sowohl aus dem Erwerb des Flugzeugs als auch aus mit der Überlassung des Flugzeugs zusammenhängenden Kosten zu Unrecht verwehrt worden.

Der Flugunterricht ist entgegen der Ansicht des FA und des FG nicht gem § 4 Z 22 lit a dUStG umsatzsteuerfrei. Die Bestimmung ist richtlinienkonform iSd Art 132 Abs 1 lit i MwStSystRL auszulegen. Die Richtlinienbestimmung erfasst nur den Schul- und Hochschulunterricht sowie die Aus- und Fortbildung oder berufliche Umschulung. Schul- und Hochschulunterricht ist nach der Rsp des EuGH dann gegeben, wenn ein integriertes System zur Vermittlung von Kenntnissen sowie eines breiten und vielfältigen Spektrums an Stoffen vorliegt (zB EuGH 14. 3. 2019, C-449/17, A & G Fahrschul-Akademie, Rz 26). Davon ist nach Ansicht des EuGH etwa der Fahrschulunterricht nicht erfasst. Für den BFH ist auch das Erteilen von Flugunterricht kein solches integriertes System zur Vermittlung eines vielfältigen Spektrums an Stoffen, weil es eher darauf abzielt, das Fliegen mit Flugzeugen zu vermitteln. Damit ähnelt es dem Erteilen von Fahrschulunterricht.

Ebenso wenig ist der Flugunterricht als Aus- oder Fortbildung oder als berufliche Umschulung gem § 4 Z 22 lit a dUStG zu qualifizieren: Davon sind nach Art 44 Satz 1 Durchführungsverordnung (EU) Nr 282/2011 des Rates v 15. 3. 2011 nur Maßnahmen mit direktem Bezug zu einem Gewerbe oder einem Beruf erfasst sowie solche, die dem Erwerb oder der Erhaltung beruflicher Kenntnisse dienen. Das ist für den vorliegenden Fall aber nicht einschlägig, weil es – entsprechend den Feststellungen des FG – um die Erlangung der Privatpilotenlizenz ging, die nicht für die gewerbliche Erbringung von Flugfahrten geeignet ist.

Auch die Befreiung gem § 4 Z 22 lit b dUStG ist im vorliegenden Fall nicht einschlägig, weil es sich bei der Erteilung von Flugunterricht nicht um eine sportliche Veranstaltung handelt. Die Befreiung des § 4 Z 21 lit a sublit bb dUStG ist ebenfalls nicht einschlägig, weil keine Bescheinigung einer Landesbehörde vorliegt. Da Feststellungen des FG fehlen, in welchem konkreten Ausmaß Vorsteuerbeträge zu Unrecht versagt wurden, verweist der BFH das Verfahren zur Erhebung der relevanten Feststellungen und zur Prüfung des einschlägigen Steuersatzes an das FG zurück.

Conclusio

Im vorliegenden Fall war die Umsatzsteuerfreiheit der einheitlichen Leistung, bestehend aus dem Erteilen des Flugunterrichts und der entgeltlichen Überlassung des Flugzeugs an Mitglieder des Vereins, ua deshalb nicht von § 4 Z 22 lit a dUStG erfasst, weil der erteilte Flugunterricht nicht dem Erwerb eines Gewerbes oder eines Berufes diente. Dies lag daran, weil es sich um die Privatpilotenlizenz (PPL) handelte, die keine Berechtigung zum gewerblichen Anbieten von kostenpflichtigen Flugreisen vermittelt. Im Umkehrschluss wäre die Befreiung wohl etwa dann einschlägig, wenn es sich nicht um eine solche PPL handelt, sondern um eine Berufspilotenlizenz. In einem solchen Fall könnte der erteilte Flugunterricht sehr wohl von der Umsatzsteuerbefreiung des § 4 Z 22 lit a dUStG erfasst sein, weil dieser dann der Ausübung eines Berufes dienen würde. Die hier infrage stehende Umsatzsteuerbefreiung findet sich in Österreich in vergleichbarer Form in § 6 Z 12 UStG.

Fraglich könnte in weiterer Folge evtl sein, ob die umsatzsteuerliche Ungleichbehandlung der PPL im Vergleich zur Berufspilotenlizenz gleichheitsrechtlich gerechtfertigt ist. Vor dem Hintergrund des Zwecks der Befreiungsbestimmung des § 4 Z 22 lit a dUStG, der insb in der steuerlichen Entlastung der Erwachsenenbildung liegt (siehe Heidner in Bunjes, UStG23 § 4 Z 22 Rz 1), würde die Anwendung der Befreiung bloß auf die Berufspilotenlizenz keine gleichheitsrechtlichen Probleme herbeiführen: Diesem Zweck wird dann nicht Rechnung getragen, wenn es sich um eine PPL handelt, weil dadurch eben nicht die Erwachsenenbildung zum Berufspiloten, sondern nur privates „Vergnügen“ für Ausflüge gefördert wird. Insofern erscheint die unterschiedliche umsatzsteuerliche Behandlung von Berufspiloten- und Privatpilotenlizenzen vereinbar mit dem unionsrechtlichen Gleichheitssatz, weil vor dem Hintergrund des Zwecks der Bestimmung keine vergleichbaren Sachverhalte bestehen (näher zur Vergleichbarkeitsprüfung im Umsatzsteuerrecht und den Unterschieden zum nationalen Gleichheitssatz siehe Spies/Pollak, Umsatzsteuer und Verfassungsrecht – Der Gleichheitssatz im Umsatzsteuerrecht, in Kofler/Lang/Rust/Schuch/Spies/Staringer [Hrsg], Steuerpolitik und Verfassungsrecht [2023] 166 [181 ff]).

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 36589 vom 03.04.2025