News

BFH: Einlagenrückzahlung als Dividende nach dem DBA Österreich Deutschland

Bearbeiter: Valentin Bendlinger

EStG: § 4 Abs 12

DBA Deutschland Österreich: Art 10

Abstract

Die österreichische I-AG schüttet an einen in Deutschland ansässigen Gesellschafter (im Folgenden Kläger) eine Dividende in Form einer nach österreichischem Recht nicht steuerbaren Einlagenrückzahlung aus. Der BFH hatte zu entscheiden, wie die Ausschüttung abkommensrechtlich einzuordnen war, ob nach deutschem Recht eine nicht steuerbare Einlagenrückgewähr (deutsches Äquivalent zu § 4 Abs 12 EStG) vorlag und ob die deutschen Regelungen zum Nachweis einer nicht steuerbaren Einlagenrückgewähr mit der Kapitalverkehrsfreiheit nach Art 63 AEUV im Einklang stehen.

BFH 27. 10. 2020, VIII R 18/17

Sachverhalt

Der in Deutschland ansässige Revisionskläger (Kl) erhält eine Dividende der österreichischen I-AG. Nach österreichischem Recht handelt es sich um eine nicht steuerbare Einlagenrückzahlung iSd § 4 Abs 12 EStG. Die deutsche Depotbank des Kl behält dennoch KESt ein. Der Kl beantragt die Überprüfung des Steuereinbehalts, mit der Begründung, bei der Ausschüttung der I-AG handle es sich um eine nicht steuerbare Einlagenrückgewähr nach § 27 Abs 1 Satz 3 dKStG. Das zuständige Finanzamt behandelt die Ausschüttung dennoch als steuerpflichtigen Kapitalertrag. Im Weiteren erhebt der Kl Rechtsmittel und führt aus, dass die Ausschüttung der I-AG nach deutschem Recht als eine nicht steuerbare Einlagenrückgewähr zu qualifizieren sei. Nach § 27 Abs 8 dEStG setzt eine Einlagenrückgewähr allerdings voraus, dass die im EU-Ausland auszahlende Gesellschaft die Feststellung der Einlagenrückgewähr beantragt, widrigenfalls die Vermögenszuwendung als steuerpflichtige Gewinnausschüttung und beim Gesellschafter als steuerpflichtiger Kapitalertrag iSd § 20 Abs 1 Nr 1 dEStG gilt. Da die I-AG keinen solchen Antrag stellt, verneint das hessische Finanzgericht das Vorliegen einer Einlagenrückgewähr. Der Kl rügt, dass entgegen der Entscheidung des Finanzgerichts eine Einlagenrückgewähr vorliege und dass ihm aufgrund der Kapitalverkehrsfreiheit nach Art 63 AEUV einzuräumen sei, den Nachweis der Einlagenrückgewähr gegebenenfalls persönlich zu erbringen.

Entscheidung des BFH

Der BFH bestätigt zunächst die Entscheidung des hessischen Finanzgerichts und führt aus, dass mangels Feststellung der Einlagenrückgewähr, nach deutschem Recht ein steuerpflichtiger Kapitalertrag vorliegt. Zudem steht der Bundesrepublik Deutschland nach Art 10 Abs 1 iVm Abs 3 DBA Deutschland Österreich als Wohnsitzstaat des Revisionsklägers das Besteuerungsrecht an den Dividenden zu. Auch Einlagenrückzahlungen iSd § 4 Abs 12 öEStG sind von Art 10 Abs 3 Satz 1 DBA-Deutschland Österreich erfasst (Schuch/Fürnsinn in Wassermeyer, Österreich Art 10 Rz 10). Die Dividende ist sohin zurecht als steuerpflichtiger Kapitalertrag qualifiziert worden.

Auch den unionsrechtlichen Bedenken des Kl erteilt der BFH eine Absage. Ob aufgrund der fehlenden individuellen Nachweismöglichkeit einer Einlagenrückgewähr für Anteilseigner von EU-Kapitalgesellschaften ein Verstoß gegen die unionsrechtliche Kapitalverkehrsfreiheit in Art 63 AEUV vorliegt, ist im Streitfall nicht relevant. Es sind keine Anhaltspunkte dafür erkennbar, dass die Ausschüttung der I-AG nach deutschem Recht als nicht steuerbare Einlagenrückgewähr zu qualifizieren wäre. Selbst wenn dem Kl die Nachweismöglichkeit zugebilligt worden wäre, wäre die Ausschüttung steuerpflichtig gewesen. Der Nachweis einer Einlagenrückgewähr ist nämlich bei inländischen wie auch bei EU-Kapitalgesellschaften gleichermaßen anhand der gesetzlichen Verwendungsreihenfolge des § 27 Abs 1 Sätze 3 und 5 dKStG innerhalb des Feststellungsverfahrens nach § 27 dKStG zu führen.

Conclusio

Wenn ein DBA einem Vertragsstaat ein Besteuerungsrecht gewährt, kann dieser es unbenommen von der rechtlichen Qualifikation im anderen Vertragsstaat wahrnehmen, sofern das DBA nicht in das nationale Recht dieses anderen Vertragsstaates verweist. Nach Art 10 Abs 3 DBA D-Ö fallen zwar sämtliche Einkünfte unter den Begriff „Dividende“, die gem dem Recht des Ansässigkeitsstaats der ausschüttenden Gesellschaft „den Einkünften aus Aktien steuerlich gleichgestellt sind“. Da Österreich die Ausschüttung in gegebenem Fall nach § 4 Abs 12 öEStG als Beteiligungsveräußerung qualifiziert hat, war Deutschland nicht an die negative Qualifikation Österreichs gebunden (vgl EAS 3297 vom 25. 9. 2012). Aus deutscher Sicht lagen iS einer autonomen Auslegung Dividenden iSd Art 10 DBA D-Ö vor. Für die Qualifikation nach nationalem Recht ist die Behandlung im anderen DBA-Staat aber ohnehin irrelevant: Schüttet bspw im umgekehrten Fall eine deutsche Gesellschaft an einen österreichischen Gesellschafter aus, kann nach österreichischem Recht selbst dann eine Einlagenrückzahlung iSd § 4 Abs 12 EStG vorliegen, wenn aus deutscher Sicht Gewinne ausgeschüttet werden. Auch den vom Kl behaupteten Verstoß der Kapitalverkehrsfreiheit verneint der BFH zu Recht: Deutsches Recht gewährt den persönlichen Nachweis auch bei inländischen Beteiligungen nicht. Der grenzüberschreitende Sachverhalt wird nicht benachteiligt und es fehlt an einer Beschränkung. Zudem entspricht es der ständigen Rsp des EuGH, dass Mitgliedstaaten keineswegs verpflichtet sind, „ihr eigenes Steuersystem den verschiedenen Steuersystemen der übrigen Mitgliedstaaten anzupassen“ (EuGH 6. 12. 2007, C-298/05, Columbus Container Services, Rn 51; 12. 2. 2009, C-67/08, Margarete Block, Rn 31).

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 30918 vom 21.05.2021