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BFH: Einlagerung von eingefrorenen Eizellen umsatzsteuerbefreit?

Bearbeiter: Rainer Borns

dUStG: § 4 Z 14 lit a

MwStSyst-RL: Art 132 Abs 1 lit c

Abstract

Der BFH hatte zu entscheiden, ob die Einlagerung von eingefrorenen Eizellen gemäß § 4 Z 14 lit a dUStG als Heilbehandlung von der Umsatzsteuer befreit ist. Dabei stellte sich insbesondere die Frage, ob die Einlagerung selbst dann von der Steuer befreit ist, wenn vorgehende oder sich anschließende Fruchtbarkeitsbehandlungen von einem anderen Unternehmer oder Dritten durchgeführt werden. Laut dem BFH ist unerheblich, ob die Einlagerung und die Behandlungen von unterschiedlichen Unternehmen durchgeführt werden, solange ein therapeutisches Kontinuum gegeben ist.

BFH 7. 7. 2022, V R 10/20

Sachverhalt

Die Beschwerdeführerin (Bf) war eine GesbR, deren Gesellschaftszweck in der Lagerung von eingefrorenen Eizellen oder Spermien bestand. Gesellschafter waren Fachärzte für Frauenheilkunde und Geburtshilfe. Neben dieser GesbR betrieben die Fachärzte eine zweite Gesellschaft, ein medizinisches Versorgungszentrum, das Fruchtbarkeitsbehandlungen rund um die Kryokonservierung vornahm. Die erstgenannte GesbR verrechnete ihre Leistungen aufgrund der Steuerbefreiung gemäß § 4 Z 14 lit a dUStG ohne Umsatzsteuer.

Das Finanzamt verwehrte die Anwendung der Umsatzsteuerbefreiung für Heilbehandlungen gemäß § 4 Z 14 lit a dUStG gegenüber der erstgenannten GesbR mit der Begründung, dass die bloße Lagerung – im Gegensatz zu den Fruchtbarkeitsbehandlungen der zweiten GesbR – keine Heilbehandlung darstellte. Das FG hob diesen Bescheid in weiterer Folge auf und wandte die Befreiung auch für die bloße Lagerung an. Der Anwendbarkeit der Steuerbefreiung stand nicht entgegen, dass die Fruchtbarkeitsbehandlungen von einem anderen Unternehmer durchgeführt wurden. Dies wurde damit begründet, dass die Lagerung und die Behandlungen einen unerlässlichen, festen und untrennbaren Bestandteil eines Gesamtverfahrens der künstlichen Befruchtung bilden. Zudem war laut FG entscheidend, dass die Lagerung der eingefrorenen Eizellen einen medizinischen Zweck verfolgt. Im vorliegenden Fall ist daher nicht von einem „social freezing“ auszugehen, bei dem dieser Zweck fehlt. Das Fehlen würde nämlich die Anwendbarkeit der Steuerbefreiung ausschließen. Gegen dieses Urteil erhob das FA Revision und brachte vor, dass Leistungen zweier Unternehmen getrennt voneinander beurteilt werden müssen. Während das medizinische Versorgungszentrum steuerfreie Heilbehandlungen in Form der Fruchtbarkeitsbehandlungen erbrachte, stellte die Lagerung durch die GesbR eine eigenständige steuerpflichtige Leistung dar.

Entscheidung des BFH

Der BFH hält die Revision für unbegründet und spricht aus, dass die GesbR mit der Einlagerung von Eizellen und Samenzellen eine steuerbefreite Heilbehandlung erbringt. Dem Einwand des FA, dass die bloße Lagerung keine Heilbehandlung darstellen kann, ist laut BFH nicht zu folgen, wenn ein therapeutisches Kontinuum gegeben ist. Ein therapeutisches Kontinuums iSd Rechtsprechung des EuGH (EuGH 13. 3. 2014, C-366/12, Klinikum Dortmund) liegt vor, wenn eine Heilbehandlung ohne eine andere Leistung, die für sich betrachtet keine Heilbehandlung darstellen muss, sinnlos ist. Im vorliegenden Fall können die Fruchtbarkeitsbehandlungen ohne die Einlagerung der Eizellen nicht erfolgen. Das Höchstgericht führt aus, dass das Tätigwerden von zwei unterschiedlichen Unternehmen im Rahmen dieses Kontinuums jedenfalls dann unerheblich ist, wenn wie im vorliegenden Fall für beide Unternehmer dieselben Personen tätig sind. Letztendlich ist für die Anwendbarkeit der Steuerbefreiung entscheidend, dass die künstliche Befruchtung – mit der die Einlagerung zusammenhängt – medizinisch indiziert ist. Fehlt diese Indikation, liegt ein steuerpflichtiges „social freezing“ vor. Aufgrund der Tatsache, dass im vorliegenden Fall kein „social freezing“ gegeben ist, ist auch die bloße Lagerung von Eizellen gemäß § 4 Z 14 lit a dUStG steuerbefreit.

Conclusio

Der BFH hat bereits in der Vergangenheit entschieden, dass die weitere Lagerung von einer im Rahmen einer Fruchtbarkeitsbehandlung eingefrorenen Eizelle durch einen Arzt gegen ein vom Patienten gezahltes Entgelt steuerfrei ist, wenn damit ein therapeutischer Zweck (zB bei der Herbeiführung einer weiteren Schwangerschaft im Hinblick auf eine andauernde organisch bedingte Sterilität) verfolgt wird (BFH 29. 7. 2015, XI R 23/13). Auch in diesem Beschluss betont der BFH, dass die Lagerung zum Zweck einer medizinisch indizierten künstlichen Befruchtung steuerbefreit ist. Insofern bestätigt das Höchstgericht die Ansicht der vorhergehenden Instanz, dass das „social freezing“ nicht von § 4 Z 14 lit a dUStG erfasst wird. Beim „social freezing“ werden Eizellen ohne medizinischen Anlass eingefroren. Dies ist vor dem Hintergrund des Sinnes und Zwecks der Befreiung konsequent. Die Steuerbefreiung soll die Kosten von Leistungen medizinischer Art, die zum Schutz und zur Aufrechterhaltung oder Wiederherstellung der menschlichen Gesundheit erbracht werden, senken. Aufgrund der Tatsache, dass das „social freezing“ keine Wiederherstellung der menschlichen Gesundheit darstellt, ist die Einlagerung von Eizellen/Samenzellen nur in jenen Fällen umsatzsteuerbefreit, in denen eine medizinische Indikation, wie zB eine organisch bedingte Sterilität bei einem der beiden fortpflanzungswilligen Partner, vorliegt.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 33420 vom 20.12.2022