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BFH: Fahrzeugüberlassung an Arbeitnehmer zu privaten Zwecken als tauschähnlicher Umsatz

Bearbeiter: Rainer Borns

MwStSyst-RL: Art 2 Abs 1

dUStG: § 3

Abstract

Der BFH hatte zu entscheiden, ob die Überlassung eines Fahrzeuges an einen Arbeitnehmer zu privaten Zwecken als tauschähnlicher Umsatz zu sehen ist. Vorangegangen war dieser Entscheidung ein Vorabentscheidungsverfahren, in dem das Finanzgericht des Saarlandes (FG) dem EuGH die Frage vorlegte, wie Art 56 Abs 2 MwStSyst-RL vor dem Hintergrund der Überlassung von Firmenfahrzeugen auszulegen ist. Obwohl der EuGH (EuGH 20. 1. 2021, C-288/19, FA Saarbrücken) die Vorlagefrage und folglich die Entgeltlichkeit der Leistung teilweise verneint hat, war dennoch weiterhin fraglich, ob die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers als Gegenleistung für die Fahrzeugüberlassung gesehen werden kann.

BFH 30. 6. 2022, V R 25/21

Sachverhalt

Eine Luxemburger Aktiengesellschaft überließ zwei in Deutschland lebenden Angestellten für die streitgegenständlichen Jahre 2013 und 2014 geleaste Firmenfahrzeuge. Die Fahrzeuge wurden mitunter zum privaten Gebrauch benutzt. Mit einem der beiden Angestellten wurde eine Eigenbeteiligung von jährlich € 2.640 vereinbart, die aber aufgrund einer vorzeitigen Auflösung des Arbeitsverhältnisses nicht eingefordert wurde. Bei dem anderen Angestellten behielt der Arbeitgeber Gehalt iHv € 5.688 ein, weil die Leasingrate des Fahrzeuges das vereinbarte Budget überstieg. Das Finanzamt Saarbrücken (FA) setzte schließlich die Umsatzsteuer für die Jahre 2013 und 2014 fest, wobei die Bemessungsgrundlage nach der einkommensteuerrechtlichen 1 %-Regelung (§ 6 Abs 1 Z 4 Satz 2 dEStG – die private Nutzung eines Kraftfahrzeuges, das zu mehr als 50 % betrieblich benutzt wird, ist für jeden Kalendermonat mit 1 % des inländischen Listenpreises anzusetzen) für private Fahrten ermittelt wurde. Diese belief sich insgesamt auf € 7.904 für das Jahr 2013 und € 20.767 für 2014. Gegen diese Festsetzung erhob die Luxemburger Aktiengesellschaft Klage an das Finanzgericht des Saarlandes (FG). Das FG setzte das Verfahren aus und legte dem EuGH die Frage vor, ob die Überlassung eines Fahrzeugs an einen Arbeitnehmer in den Anwendungsbereich der MwStSyst-RL fällt, wenn der Arbeitnehmer dafür weder eine Zahlung erbringt noch einen Teil seiner Vergütung dafür verwendet und das Recht zur Nutzung des Fahrzeugs nicht mit seinem Verzicht auf andere Vorteile verbunden ist.

Der EuGH sprach aus, dass die Vermietung von Beförderungsmitteln gem Art 56 Abs 2 MwStSyst-RL eine Leistung gegen Entgelt iSd Art 2 Abs 1 MwStSyst-RL voraussetzt. Das Fehlen einer Zahlung kann laut EuGH nicht durch den Umstand aufgewogen werden, dass im Rahmen der Einkommensteuer die private Nutzung als ein quantifizierbarer geldwerter Vorteil und somit als Vergütung angesehen werden kann. Nach den Ausführungen des EuGH fällt die Überlassung an den ersten Angestellten also mangels Entgelt nicht in den Anwendungsbereich der Richtlinie. Hingegen stellt die Überlassung an den zweiten Mitarbeiter eine entgeltliche Leistung dar, weil dieser auf einen Teil des Gehalts verzichtet. Das Verfahren wurde nach dem EuGH-Urteil vom FG wiederaufgenommen. Das Gericht folgte den Ausführungen des EuGH und sprach aus, dass der Gehaltverzicht des zweiten Mitarbeiters iHv € 5.688 die Bemessungsgrundlage für die Überlassung darstellt. Gegen diese Entscheidung erhob das FA Saarbrücken Revision und brachte vor, dass sich der EuGH im vorliegenden Fall aufgrund der Vorlage nicht mit der Frage auseinandergesetzt habe, ob die Arbeitsleistung der Angestellten als Gegenleistung für die Fahrzeugüberlassung gesehen werden kann.

Entscheidung des BFH

Der BFH ließ die Revision zu und sprach aus, dass das FG einen unmittelbaren Zusammenhang zwischen der Arbeitsleistung und der Fahrzeugüberlassung rechtsfehlerhaft verneint hat. Zwar folgte das FG den Ausführungen des EuGH, allerdings ist der EuGH ausschließlich auf die Vorlagefrage des FG eingegangen, wobei jedoch unerwähnt blieb, ob die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers als Gegenleistung angesehen werden kann. Daher ergibt sich der Rechtsfehler des FG daraus, dass es bei seinem Vorabentscheidungsersuchen die Unentgeltlichkeit der Fahrzeugüberlassung unterstellt hat, ohne dem EuGH eine Auslegungsfrage zur Arbeitsleistung als Sachentgelt zu stellen. Der EuGH ließ also eine nicht gestellte Frage unbeantwortet, was nicht darauf hindeutet, dass er nunmehr von seiner bisherigen Rsp abweicht. Nach stRsp des EuGH liegt eine Leistung gegen Entgelt iSd Art 2 Abs 1 MwStSyst-RL vor, wenn zwischen Leistung und einem erhaltenen Gegenwert ein unmittelbarer Zusammenhang besteht und sich dieser Zusammenhang aus einem Rechtsverhältnis zwischen Leistendem und Leistungsempfänger ergibt. Dabei sind Gegenleistungen in Form von Geldzahlungen und in Form von Sachleistungen gleich zu behandeln, solange die Gegenleistung in Geld ausgedrückt werden kann (EuGH 3. 7. 1997, C-330/95, Goldsmiths, Rz 23; EuGH 19. 12. 2012, C-549/11, Orfrey, Rz 35 und 44).

Laut BFH ist im Streitfall der erforderliche unmittelbare Zusammenhang zu bejahen, weil die Aktiengesellschaft und der jeweilige Angestellte das Recht zur Privatnutzung des Dienstfahrzeuges individuell arbeitsvertraglich vereinbart haben. Mit dem einen Angestellten wurde eine Eigenbeteiligung vereinbart, die einem Gehaltverzicht gleichkommt. Die Tatsache, dass der vereinbarte Abzug aufgrund der vorzeitigen Auflösung des Arbeitsverhältnisses unterblieb, ändert nichts an der zuvor getroffenen Vereinbarung. Beim zweiten Angestellten behielt die Aktiengesellschaft einen Teil des Gehalts ein, um den die monatliche Leasingrate, die arbeitsvertraglich zustand, überschritten wurde. Bei der Bemessungsgrundlage ist laut BFH alles einzubeziehen, was der Empfänger aufwendet, um die Leistung zu erhalten. Dies umfasst zum einen den Gehaltsverzicht und zum anderen die Arbeitsleistung der beiden Angestellten, da diese in Geld ausgedrückt werden kann. In weiterer Folge führt der BFH aus, dass der Ort der Überlassung gem § 3a Abs 3 Nr 2 Satz 3 dUStG in Deutschland liegt und die Bemessung der Umsatzsteuer auf Grundlage von lohnsteuerrechtlichen Werten (1 %-Regelung bei privaten Fahrten) aus Vereinfachungsgründen zulässig ist.

Conclusio

Der BFH beseitigt mit dieser Entscheidung die Zweifel, die nach der EuGH-Entscheidung in der Rs Finanzamt Saarbrücken aufgekommen sind: Kann die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers eine Gegenleistung für die Fahrzeugüberlassung darstellen? Das Höchstgericht führt überzeugend aus, dass die Vorabentscheidung des EuGH nichts an der bisherigen Rsp bezüglich tauschähnlicher Umsätze ändert, weil die Vorlagefrage des FG mangelhaft war. Eine erneute Vorlage zur Frage, ob die Arbeitsleistung als Gegenleistung der Fahrzeugüberlassung angesehen werden kann, ist aufgrund der bereits bestehenden Rsp (EuGH 3. 7. 1997, C-330/95, Goldsmiths, Rz 23) nicht notwendig. Aufgrund der Tatsache, dass die Arbeitsleistung in Geld ausgedrückt werden kann und unmittelbar mit der Fahrzeugüberlassung zusammenhängt, wird im vorliegenden Fall ein steuerbarer tauschähnlicher Umsatz begründet. Die Bemessungsgrundlage ergibt sich zu einem Teil aus dem Gehaltsverzicht und zum anderen Teil aus der Arbeitsleistung.

Relevant ist diese Entscheidung auch für grenzüberschreitende Sachverhalte: Derartige tauschähnliche Umsätze werden nämlich in dem Land besteuert, in dem der Mitarbeiter seinen Wohnsitz hat. Aufgrund der Tatsache, dass in einigen Ländern, wie zB Österreich (§ 12 Abs 2 Z 2 lit b UStG 1994), der Vorsteuerabzug für bestimmte Pkw ausgeschlossen ist, könnte es zu Fällen wirtschaftlicher Doppelbesteuerung kommen.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 33231 vom 03.11.2022