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DBA DE-USA 1989/2008: Art 7, 23
Abstract
In der gegenständlichen Entscheidung hat sich der BFH mit „guaranteed payments“ und deren Einordnung nach dem DBA DE-USA auseinandergesetzt. Dabei wurden mehrere spannende Rechtsfragen im Bereich des internationalen Steuerrechts betreffend Betriebsstätten, DBA-Interpretation und die Anwendbarkeit einer Rückfallklausel geklärt.
BFH 5. 12. 2023, I R 42/20.
Sachverhalt
Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kl) waren im Streitjahr 2008 Partner bei einer in den USA ansässigen Rechtsanwaltsgesellschaft mit Sitz in den USA (organisiert als US-LLP, iF: „LLP“) und in Deutschland ansässig. Die LLP unterhielt auch Betriebsstätten außerhalb der USA, ua in Deutschland. Die Kl verrichteten ihre Tätigkeit überwiegend für die deutsche Betriebsstätte, nur eine geringe Anzahl an Tagen verbrachten sie in den USA. Sämtliche Partner hatten einen individuellen, vertraglich bestimmten Anspruch auf einen Anteil am weltweiten Gesamtgewinn der LLP. Für die Zwecke der Besteuerung wurde der Gesamtgewinn unter Anwendung des Betriebsstättenprinzips auf die jeweiligen Länder aufgeteilt. In der Folge wurde jedem Partner für jedes Land sein Gewinnanteil zugewiesen, der der Quote am weltweiten Gesamtgewinn entsprach.
Die Kl machten von einer Möglichkeit, einen Teil des Gewinnanteils in Form von „guaranteed payments“ (GP) zu erhalten, Gebrauch. GP sind vorab geleistete Abschlagszahlungen auf die jeweiligen Gewinnanteile, die mit den tatsächlich erzielten Gewinnanteilen verrechnet werden. Am Gesamtbetrag der Vergütungen ändert sich dagegen nichts. In den deutschen Steuererklärungen wurden Einkünfte aus selbständiger Arbeit erklärt, wobei ein Teil hiervon – weil die Voraussetzungen für eine Besteuerung in Deutschland nicht als gegeben angesehen wurden – als unter Progressionsvorbehalt nach dem DBA DE-USA 1989/2008 („DBA“) steuerfrei behandelt wurde. Das FA hingegen erachtete auch die Anteile an den GP, die der Betriebsstätte in den USA zuzurechnen waren, als im Inland steuerpflichtige Einkünfte. Dagegen erhoben die Kl Revision, die vom FG München zu ihren Gunsten entschieden worden ist.
Entscheidung des BFH
Der BFH hob mit seinem Urteil die Entscheidung des FG München aus verfahrensrechtlichen Gründen auf. An die Stelle des Bescheids, der Gegenstand der Vorentscheidung war, ist während des Revisionsverfahrens nämlich ein Änderungsbescheid vom 29. 9. 2021 getreten, der nun gem § 68 S 1 dFGO zum Gegenstand des Revisionsverfahrens geworden ist. Da die str Punkte sich nicht geändert haben und der Rechtsstreit spruchreif ist, verwies der BFH die Rechtssache nicht an das FG zurück und entschied in der Sache gem § 121 S 1 iVm § 100 Abs 1 dFGO selbst.
Weiters hält der BFH fest, dass – insoweit die Gewinnanteile, auf die die GP zurückzuführen sind, einer US-Betriebsstätte zuzuordnen sind – von der Bemessungsgrundlage der deutschen Steuer auszunehmen sind. Als gewerbliche Gewinne iSd Art 7 Abs 1 und 7 DBA sind diese gem Art 23 Abs 3 S 1 lit a DBA unter Progressionsvorbehalt freizustellen. Die Subsumierung der Einkünfte von Freiberufler-Personengesellschaften unter Art 7 DBA erfolgt deshalb, weil iVgl zum DBA idF 1989 kein Art 14 mehr vorhanden ist. Daraus ist der Schluss zu ziehen, dass die dem Urteil des BFH vom 25. 11. 2015, I R 50/14 zu entnehmende generelle Zuordnung der Gewinne nach dem „Ausübungsmodell“ keine Anwendung mehr findet. Nach diesem Modell muss der jeweilige Gesellschafter „seine" Tätigkeit im anderen Vertragsstaat persönlich ausüben und es muss ihm für die Ausübung „seiner" Tätigkeit gewöhnlich eine feste Einrichtung zur Verfügung stehen. Stattdessen gilt auch bei diesen Einkünften nun das allgemeine „Betriebsstättenmodell“ (Richter in Wassermeyer/Richter/Schnittker, Personengesellschaften im Internationalen Steuerrecht2 (2015) Rz 7.61; Kramer, NWB Internationales Steuer- und Wirtschaftsrecht 2003, 361 (375 ff); Thulfaut, Die Besteuerung international tätiger Anwaltssozietäten (2005) 130 ff), wonach ohne Rücksicht auf die tatsächliche Arbeitsausübung der einzelnen Gesellschafter eine Zurechnung aller festen Einrichtungen der Personengesellschaft zu allen Gesellschaftern gleichermaßen erfolgt und die Arbeitsausübung der einzelnen Gesellschafter diesen wechselseitig zugerechnet wird.
Der wohl umfangreichste Spruchpunkt betrifft allerdings die Rückfallklausel („Switch-over“) des Art 23 Abs 4 lit b DBA. Das FG hatte hierzu festgestellt, dass die doppelte Nichtbesteuerung nicht auf einem abweichenden Auslegungsverständnis des DBA oder Sachverhalts beruht, sondern im nationalen Steuerrecht der USA begründet ist. Dass die USA die GP ggf auch abkommensrechtlich anders einordnen, vermag an diesem Ergebnis nichts zu ändern. Auch die Ausnahme für Dividenden ist nicht einschlägig, da Betriebsstättengewinne iSd Art 7 DBA vorliegen. Somit verbleibt nur mehr für die dritte Variante Raum: Die Rückfallklausel kommt auch zur Anwendung, „wenn [die USA] diese Einkünfte oder dieses Vermögen nach dem Abkommen besteuern können, durch ihr innerstaatliches Recht jedoch daran gehindert werden.“ Der BFH hält hierzu fest, dass eine qualitativ-konditionale Verknüpfung („wenn“) vorliegt, weswegen nach stRsp die Anwendbarkeit der Switch-over Klausel verneint wird (zB BFH 27. 8. 1997, I R 127/95; 20. 5. 2015, I R 68/14; 15. 11. 2017, I R 55/15 uvm). Nach Art 31 Abs 1 WVK ist ein Vertrag „nach Treu und Glauben in Übereinstimmung mit der gewöhnlichen, seinen Bestimmungen in ihrem Zusammenhang zukommenden Bedeutung und im Lichte seines Zieles und Zweckes auszulegen", wobei insb der Wortlaut (Abs 2) und die gewöhnliche Bedeutung der verwendeten Ausdrücke von Bedeutung sind. Nach dem Wortlaut ist der Anwendungsbereich der Norm grds eröffnet. Ein Rückfall entfällt allerdings deshalb, weil die Nichtbesteuerung nicht den gesamten Gewinnanteil betrifft. Eine Zerlegung der Gewinnanteile in „Einzelteile“ sei nicht zulässig. Das zeigen sowohl der Wortlaut als auch die Systematik der Bestimmung. Auch wenn für den deutschen Begriff „wenn“ im Englischen „where“ und nicht „if“ verwendet wird, kann deshalb nicht auf ein „soweit“ geschlossen werden. Dafür spricht auch die Verknüpfung des „where“ mit „income“, also dem Gesamteinkünften, und nicht „items of income“. Keinen Unterschied macht es hingegen, dass im Deutschen auch „items of income“ als „Einkünfte“ und nicht „Teile von Einkünften“ übersetzt wird.
Auch ein anderweitiges Verständnis im OECD-MK ändert nichts an diesem Auslegungsergebnis. Zwar kann dieser grds für die Auslegung von Vertragsbestimmungen verwendet werden, allerdings nur insoweit als ein vergleichbarer Wortlaut besteht. Mangels ausreichend vergleichbarer Regelungen war der MK hierbei deshalb nicht heranzuziehen. Weiters ist ein DBA – auch trotz eines widersprechenden BMF-Schreibens (19. 4. 2023, BStBl I 2023, 60) – statisch und nicht dynamisch auszulegen (vgl etwa Lang, Die Auffassung des BMF zur Bedeutung des OECD-Kommentars für die Auslegung von DBA, IStR 2023, 549 [555]). Auch eine spätere Übereinkunft oder spätere Übung können dem DBA keinen anderen Bedeutungsgehalt zuordnen, als dem Zustimmungsgesetz entspricht (BFH 11. 7. 2018, I R 44/16). Dies gilt erst recht für den OECD-MK, der nicht einmal durch ein Zustimmungsgesetz in deutsches Recht umgesetzt worden ist. Selbst wenn die International Law Commission (ILC) der Vereinten Nationen solche „Schlussfolgerungen“ (Draft Conclusion) offiziell zur Kenntnis genommen haben, ändert das nichts am Ergebnis: Der OECD-MK wurde nicht zwischen Deutschland und den USA beschlossen und gilt auch nur für das OECD-MA. Darüber hinaus sind Wortlaut und Systematik eindeutig und derartige Schlussfolgerungen werden ebenso wenig mittels Zustimmungsgesetz umgesetzt.
Auch aus teleologischer Sicht ist das Ergebnis eindeutig. Zwar wird in der Bezeichnung des DBA die Vermeidung von Steuerverkürzung ausdrücklich angesprochen. Ein unilateraler Verzicht auf Besteuerungsrecht durch eingeschränkte Nutzung der Besteuerungsrechte fällt allerdings nicht darunter. Letztlich hat der BFH zu diesem Punkt noch festgehalten, dass die „Sezierung“ von Einkünften in anderen BFH Urteilen einen anderen Hintergrund hatten und entsprechend nicht vergleichbar seien.
Auch die Voraussetzungen der unilateralen Rückfallklausel des § 50d Abs 9 S 1 dEStG hat der BFH nicht als erfüllt angesehen. Ähnlich wie in Art 23 Abs 4 lit b DBA stellte das Wort „wenn“ in der damaligen Fassung iVgl zu „soweit“ in der heutigen Fassung auf die Ausnahme der gesamten Einkünfte ab, was – wie bereits dargelegt – nicht erfüllt ist. Die mit Anfang 2017 in Kraft getretene Fassung hingegen hat keine Auswirkungen auf die Besteuerung im Streitjahr.
Conclusio
Das Urteil des BFH behandelt eine ganze Bandbreite an Themen. Spannend ist jedenfalls, dass das deutsche Höchstgericht der Entscheidung des FG München inhaltlich in den Ergebnissen zugestimmt hat und die Entscheidung nur aus formellen Gründen aufgehoben hat.
Einige Punkte stechen in der Entscheidung besonders hervor: Zunächst der Umstand, dass – iVgl zum Urteil des BFH vom 25. 11. 2015, I R 50/14 – das sog „Ausübungsmodell“ verworfen wurde. In dieser ähnlich gelagerten Entscheidung lag das betreffende Streitjahr (2004) noch vor der Neufassung des DBA, weswegen Art 14 auf Einkünfte aus einer selbständigen Tätigkeit anwendbar war. Demnach wird personenbezogen nur auf die eigene Ausübung der Arbeit des jeweiligen Gesellschafters und das Bestehen einer festen Einrichtung für die Ausübung „seiner“ Tätigkeit abgestellt (vgl Leich, Besteuerungsrecht für Einkünfte aus einer Freiberufler-Personengesellschaft nach Art 14 DBA USA 1989 aF, SteuK 2016, 331 [331]). Beim Betriebsstättenmodell hingegen erfolgt ohne Rücksicht auf die tatsächliche Arbeitsausübung der jeweiligen Gesellschafter eine anteilige Zurechnung aller festen Einrichtungen der Personengesellschaft zu allen Gesellschaftern gleichermaßen. Die Arbeitsausübung der einzelnen Gesellschafter wird diesen folglich wechselseitig zugerechnet (BFH 25. 11. 2015, I R 50/14 mwN). Mit dem Wegfall des Art 14 aus dem OECD-MA im Jahr 2000 wurde die Bestimmung seitdem auch aus zahlreichen DBA gestrichten oder schlicht in einer Neufassung nicht mehr aufgenommen. Daher wird das Ausübungsmodell wohl weiterhin an Bedeutung verlieren.
Hinsichtlich der Auslegung des Art 24 Abs 4 lit b DBA hat der BFH gem seiner stRsp argumentiert und auch rezente Literaturmeinungen miteinbezogen (etwa Lang, Die Auffassung des BMF zur Bedeutung des OECD-Kommentars für die Auslegung von DBA, IStR 2023, 549 [555]). Besonders spannend ist hierbei das Schreiben des dBMF (19. 4. 2023, BStBl I 2023, 60). Das Ministerium geht – unter Berufung auf den OECD-MK und den Umstand, dass dieser von staatlichen Delegationen ausverhandelt wird – davon aus, dass „die Auslegung eines Abkommens nicht auf den Zeitpunkt seines Abschlusses ‚eingefroren‘ wird.“ Zwar wird hierzu das Argument vorgebracht, dass auch Voten und Resolutionen für die spätere Übung iSd Art 31 Abs 3 lit a WVK in Betracht kommen (vgl Nr 22 des Kommentars der Völkerrechtskommission der Vereinten Nationen zu Schlussfolgerung Nummer 6 Paragraph 2, in: UN-Doc.: A/73/10, 50). Allerdings ändert dies nichts am Umstand, dass der OECD-MK kein verbindlicher Vertrag ist und auch nicht ein einzelnes DBA selbst behandelt. Im Ergebnis wird die Sichtweise der statischen Betrachtungsweise damit durch die Judikatur des BFH bekräftigt.