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BFH: Kein Eigenverbrauch bei fehlender Gefahr unversteuerten Endkonsums

Bearbeiter: Annika Streicher

MwStSyst-RL: Art 16

dUStG: § 3 Abs 1b

UStG 1994: § 3 Abs 2

Abstract

Mit der vorliegenden Entscheidung setzt der BFH das EuGH-Urteil Mitteldeutsche Hartstein-Industrie AG (Urteil vom 16. 9. 2020, C-528/19) um. Es kommt zum Judikaturwandel, weil für den Vorsteuerabzug nur mehr ein mittelbarer Zusammenhang zwischen Eingangs- und Ausgangsleistung gefordert wird. Außerdem wird eine steuerbare unentgeltliche Wertabgabe (österr Terminologie: Eigenverbrauch) dann nicht mehr angenommen, wenn die unentgeltlich erbrachte Leistung nicht geeignet ist, zu einem unversteuerten Endverbrauch zu führen. § 3 Abs 1b Satz 1 Nr 3 dUStG wird unionsrechtskonform reduziert.

BFH vom 16. 12. 2020, XI R 26/29 (veröffentlicht am 14. 5. 2021)

Sachverhalt

Die Klägerin wollte in der deutschen Stadt X einen Kalksteinbruch eröffnen. Die zuständige Bezirksregierung genehmigte den Neuaufschluss des Steinbruchs unter der Auflage der Erschließung über die öffentliche Gemeindestraße. Dafür war es notwendig, die Straße auszubauen, um dem Schwerlastverkehr standzuhalten. Die Straße befand sich im Eigentum der Stadt X und wurde auch für den Pkw-Verkehr genutzt. Die Klägerin und Stadt X schlossen einen Vertrag über den Straßenausbau; die Klägerin beauftragte ein Unternehmen mit den Arbeiten. Die Klägerin machte den Vorsteuerabzug für die vom Bauunternehmen bezogene Eingangsleistung geltend. Im Zuge einer Außenprüfung vertrat das Finanzamt die Auffassung, die Klägerin habe mit dem Ausbau der Straße eine umsatzsteuerpflichtige unentgeltliche Wertabgabe gem § 3 Abs 1b Satz 1 Nr 3 dUStG (Umsetzung von Art 16 MwStSystRL) bewirkt. Der Vorsteuerabzug wurde verwehrt, weil nach der Rsp des BFH (Urteil vom 31. 1. 2011, V R 12/08) ein Unternehmer kein Recht auf Vorsteuerabzug hat, wenn er schon beim Bezug der Eingangsleistung beabsichtigt, diese ausschließlich oder unmittelbar iSd § 3 Abs 1b dUStG zu verwenden. Im Vorlageverfahren entschied der EuGH erstens, dass der Vorsteuerabzug zusteht, wenn die Straße für die wirtschaftliche Tätigkeit des Unternehmers benutzt wird, soweit die Ausbauarbeiten nicht über das erforderliche Maß hinausgehen und die Kosten kalkulatorisch im Preis der Ausgangsumsätze enthalten sind. Zweitens entschied der EuGH, dass kein Tatbestand iSd Art 16 MwStSystRL vorliegt, wenn die unentgeltlich durchgeführten Arbeiten nicht geeignet sind, zu einem unversteuerten Endverbrauch zu führen.

Entscheidung des BFH

Der BFH führt zum Recht auf Vorsteuerabzug aus, dass ein mittelbarer Zusammenhang zwischen Eingangs- und Ausgangsumsatz ausreichen soll. Hier kommt es zu einem Judikaturwandel, denn bislang forderte der BFH stets das Vorliegen eines unmittelbaren Zusammenhangs (s zB Urteil vom 15. 10. 2009, XI R 82/07; 14. 3. 2012, XI R 8/10). Ein solcher mittelbarer Zusammenhang liegt hier vor, weil die Straße ausgebaut wurde, um sie dem Schwerlastverkehr anzupassen und so den Betrieb des Steinbruchs erst zu ermöglichen. Der BFH geht in diesem Aspekt aber über den Wortlaut des EuGH-Urteils hinaus, denn der EuGH spricht nicht explizit aus, dass ein „mittelbarer Zusammenhang“ ausreichen soll. Hinsichtlich des Vorliegens einer unentgeltlichen Wertabgabe spezifiziert der BFH, dass ein unversteuerter Endverbrauch nicht droht, wenn die Eingangsleistung va für die Bedürfnisse des Steuerpflichtigen genutzt wird, sie für das Unternehmen erforderlich ist und nicht über das Erforderliche hinausgeht, die Kosten kalkulatorisch im Preis der Ausgangsleistung enthalten sind und der Vorteil des Dritten – hier der Allgemeinheit – allenfalls nebensächlich ist. Etwaige Vorteile für die Allgemeinheit sind dann bloße Reflexe, die nicht zu einer Steuerbarkeit führen. § 3 Abs 1b Satz 1 Nr 3 dUStG wird also unionsrechtskonform reduziert.

Conclusio

Die vorliegende Entscheidung ist auch für die österreichische Eigenverbrauchsbesteuerung relevant, weil § 3 Abs 2 TS 3 öUStG § 3 Abs 1b Satz 1 Nr 3 dUStG entspricht. Errichtet ein Unternehmer zur besseren unternehmerischen Nutzung seiner Liegenschaft einen Kreisverkehr, den er in Bundeseigentum übertragt, liegt nach öRsp eine „andere unentgeltliche Zuwendung“ iSd § 3 Abs 2 TS 3 öUStG vor (VwGH vom 25. 7. 2013, 2011/15/0055; Ruppe/Achatz, UStG5 § 3 Rz 226/1). Diese Ansicht wird vor dem Hintergrund der EuGH Rs Mitteldeutsche Hartstein-Industrie AG und der folgenden Umsetzung in Deutschland zu hinterfragen sein. Interessant ist auch, ob die öRsp sich der BFH-Rsp anschließen und das Vorliegen eines mittelbaren Zusammenhangs für das Recht auf Vorsteuerabzug genügen lassen wird.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 31094 vom 25.06.2021