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MwStSyst-RL: Art 2 Abs 1 lit c
Abstract
Der BFH hatte zu entscheiden, ob die Kurtaxe, die von bestimmten kurtaxepflichtigen Personen zu entrichten ist, als Entgelt iSd Art 2 Abs 1 MwStSyst-RL für die Nutzung von Kureinrichtungen der Gemeinde qualifiziert werden kann. Dabei war unklar, ob ein für die Entgeltlichkeit notwendiges umsatzsteuerrechtliches Rechtsverhältnis und ein unmittelbarer Zusammenhang gegeben sind.
BFH 6. 12. 2023, XI R 33/21
Sachverhalt
Die Klägerin (Kl) des Ausgangsverfahrens war eine deutsche Gemeinde, die eine Kureinrichtung betrieb. Zur Deckung ihres Aufwandes für die Herstellung und Unterhaltung besagter Einrichtungen erhob die Kl eine Kurtaxe. Kurabgabepflichtig waren alle ortsfremden Personen, die sich im Gemeindegebiet aufhielten, ohne dort ihren gewöhnlichen Aufenthalt zu haben, und die die Möglichkeit zur Nutzung der Kureinrichtungen hatten. Die Abgabe war unabhängig von der tatsächlichen Nutzung der Einrichtungen zu zahlen. Personen, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Kurgemeinde hatten, waren von der Kurtaxe befreit. Diese erhielten eine Einwohnerkarte, wodurch eine Nutzung der Einrichtungen auch ohne Entrichtung der Kurabgabe möglich war. Wurde die Kurabgabe entrichtet, wurde eine Gästekarte ausgestellt, die auf Verlangen des Aufsichtspersonals der Kureinrichtungen vorzuzeigen war. Die Kl war der Ansicht, dass diese Kurabgabe der Umsatzsteuer unterlag und zog daher die ihr in Rechnung gestellte Umsatzsteuer für die Fremdenverkehrswerbung in vollem Umfang als Vorsteuer ab.
Im Rahmen einer Außenprüfung versagte der Prüfer den Vorsteuerabzug teilweise, weil die Fremdenverkehrswerbung nicht zur Gänze der Kureinrichtung zugeordnet werden könne. Teilweise profitiere auch die Gemeinde als solche, weshalb die Eingangsleistungen zum Teil auch mit nicht wirtschaftlichen Tätigkeiten zusammenhängen. Das von der Kl angerufene FG gab der Klage statt und führte aus, dass die Werbeleistungen in vollem Umfang für das Unternehmen des Kurbetriebs bezogen wurden. Da der Kurbetrieb – so das FG – ausschließlich wettbewerbs- und profitorientiert arbeitet und seine Leistungen gegen Entgelt erbringt, ist die Kl zum vollen Vorsteuerabzug berechtigt. Dagegen erhob das FA Revision, in der auf das inzwischen ergangene Urteil des EuGH in der Rs Gemeinde A (EuGH 13. 7. 2023, C-344/22, Gemeinde A) Bezug genommen wurde Basierend auf der Entscheidung des Gerichtshofes führte das FA aus, dass eine Kurtaxe nicht als Entgelt iSd Art 2 Abs 1 MwStSyst-RL qualifiziert werden könne, wenn die Kureinrichtungen von den kurtaxepflichtigen Personen nicht tatsächlich benutzt werden. Folglich sei der Vorsteuerabzug zu versagen. Demgegenüber führt die Kl aus, dass der dem EuGH zugrundeliegende Sachverhalt nicht mit dem vorliegenden vergleichbar sei. Aufgrund der Unterschiede handle es sich bei der gegenständlichen Kurtaxe um ein steuerbares Entgelt.
Entscheidung des BFH
Das deutsche Höchstgericht führt zuallererst aus, dass ein Unternehmer einen Vorsteuerabzug geltend machen kann, wenn der Unternehmer die Leistungen für sein Unternehmen und damit für seine wirtschaftliche Tätigkeit zur Erbringung entgeltlicher Leistungen zu verwenden beabsichtigt. Damit ein Leistungsaustausch und damit eine Leistung gegen Entgelt gegeben ist, muss ein umsatzsteuerrechtliches Rechtsverhältnis bestehen, in dessen Rahmen gegenseitig Leistungen ausgetauscht werden. Entscheidend dafür ist, dass der Leistungsempfänger identifizierbar ist und einen Vorteil erhält, der zu einem Verbrauch iSd Mehrwertsteuerrechts führt. Dabei hält der BFH mit Verweis auf die stRsp des EuGH fest, dass bereits die bloße Leistungsbereitschaft einen solchen Leistungsaustausch begründen kann. Auf die tatsächliche Inanspruchnahme der Leistung durch den Leistungsempfänger kommt es somit nicht an (siehe etwa EuGH 23. 12. 2015, C-250/14, Air France-KLM, Rn 28).
Bezogen auf die Frage, ob die Kurtaxe im vorliegenden Fall als Entgelt iSd Art 2 Abs 1 MwStSyst-RL eingeordnet werden kann, ist laut BFH entscheidend, dass die Kureinrichtungen nicht für jedermann frei und unentgeltlich zugänglich sind. Auch wenn eine Bedingung für die Kurtaxepflicht der Aufenthalt eines Ortsfremden im Kurgebiet ist, so kann nach der gegenständlichen Kurbeitragssatzung nur dann eine Kurtaxe erhoben werden, wenn die Gemeinde auch tatsächlich Kureinrichtungen zur Verfügung stellt. Folglich muss den Ortsfremden von den Kurgemeinden auch ein Vorteil (Zurverfügungstellen der Einrichtungen) vermittelt werden, der die Erhebung der Kurtaxe rechtfertigt. Dieser Vorteil ist aus umsatzsteuerlicher Sicht verbrauchsfähig. Des Weiteren geht das deutsche Höchstgericht auch auf die in der Revision vorgebrachte EuGH-Entscheidung (EuGH 13. 7. 2023, C-344/22, Gemeinde A) ein und folgt dem Argument der Kl. Der Sachverhalt, der der EuGH-Entscheidung zugrunde gelegen ist, kann nicht mit dem gegenständlichen Fall verglichen werden. Im vorliegenden Fall können die Kureinrichtungen nämlich nicht von jedermann frei und unentgeltlich genutzt werden. Vielmehr dürfen nur die Personen, die über einen gültigen Ausweis (Einwohnerkarte oder Gästekarte) verfügen, die Einrichtungen nutzen. Eine Gästekarte kann wiederum nur erlangt werden, wenn die Kurtaxe abgeführt wird. Dadurch wird – so der BFH – ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen der Kurabgabe und der Zurverfügungstellung der Kureinrichtungen hergestellt, weshalb von einem steuerbaren Leistungsaustausch auszugehen ist. Der BFH hält allerdings fest, dass der Vorsteuerabzug dennoch nicht in vollem Umfang ausgeübt werden kann, da die Einwohnerkarten an die Bewohner unentgeltlich ausgegeben werden, weshalb dadurch eine unentgeltliche Nutzung der Kureinrichtungen möglich ist. Folglich kann der Vorsteuerabzug nur zu jenem Teil geltend gemacht werden, zu dem die Kureinrichtungen entgeltlich zur Verfügung gestellt werden.
Conclusio
Während der EuGH in der Rs Gemeinde A (EuGH 13. 7. 2023, C-344/22, Gemeinde A) entschieden hat, dass Kurtaxen nicht der Umsatzsteuer unterliegen, kommt der BFH in dieser Entscheidung zum entgegengesetzten Ergebnis. Die gegenständliche Abweichung von der EuGH-Entscheidung ergibt sich aus den Unterschieden in den Sachverhalten. In der Rs Gemeinde A konnten zum einen Personen die Einrichtung nutzen, die in der Gemeinde beherbergt und somit kurtaxepflichtig waren. Zum anderen konnten auch Tagesgäste, die mangels Beherbergung nicht kurtaxepflichtig waren, die Einrichtungen betreten. Folglich hing die Nutzung der Kureinrichtungen nicht von der Bezahlung der Kurtaxe ab. Vielmehr stand die Nutzung jedermann frei, weshalb der EuGH und im fortgesetzten Verfahren auch der BFH (BFH 18. 10. 2023, XI R 21/23) eine Umsatzsteuerbarkeit der Kurtaxe verneinten. Die Kurtaxepflicht hängt nämlich nicht mit der Zurverfügungstellung der Kureinrichtung, sondern mit anderen Umständen (hier: Beherbergung) zusammen.
Im Gegensatz dazu können im gegenständlichen Fall nur jene Personen die Einrichtungen nutzen, die entweder über eine Einwohnerkarte oder über eine Gästekarte verfügen. Während Personen mit einem gewöhnlichen Aufenthalt in der Gemeinde unentgeltlich eine Einwohnerkarte erhalten, müssen ortsfremde Personen für den Erhalt einer Gästekarte die Kurtaxe bezahlen. Folglich hängt die Kurtaxe unmittelbar mit der Zurverfügungstellung der Einrichtungen zusammen.
Diese beiden Fälle zeigen, dass Gemeinden bei richtiger Gestaltung der Kurbeitragssatzung weiterhin in den Genuss eines Vorsteuerabzugs für Eingangsleistungen kommen können. Der Vorsteuerabzug für den Betrieb einer Kureinrichtung steht allerdings nur zu, wenn die Einrichtungen entgeltlich zur Verfügung gestellt werden. Da die Bewohner der Gemeinde die Einwohnerkarte unentgeltlich erhalten, steht im gegenständlichen Fall nur ein Vorsteuerabzug für den Teil der Eingangsleistungen zu, der auf die entgeltlichen Gästekarten entfällt. Für einen Vorsteuerabzug in voller Höhe müssten auch die Einwohner für die Nutzung der Kureinrichtungen zahlen – etwa in Form einer Kurtaxe.