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BFH: Taxifunkzentrale erfüllt abkommensrechtliche Betriebsstättenanforderungen

Bearbeiter: Severin Schragl

DBA D-CH: Art 5 Abs 1, Art 7 Abs 1

OECD-MA: Art 5 Abs 1

Abstract

Das Vorliegen einer Betriebsstätte iSd Art 5 Abs 1 DBA Deutschland-Schweiz (D-CH) (entspricht im Wesentlichen Art 5 Abs 1 OECD-MA 2017) bestimmt sich maßgeblich danach, ob eine feste Geschäftseinrichtung vorliegt, durch die die Geschäftstätigkeit eines Unternehmens ganz oder teilweise ausgeführt wird. Im vorliegenden Fall war insb strittig, ob eine Taxifunkzentrale – in der administrative Tätigkeiten erbracht worden sind – die Schwelle der Betriebsstätte erreicht oder iSd Art 5 Abs 4 OECD-MA von untergeordneter Bedeutung ist.

BFH 18. 12. 2024, I R 47/21

Sachverhalt

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kl) hatte im Streitzeitraum (2009 und 2010) seinen abkommensrechtlichen Wohnsitz in Deutschland. Er betrieb seit 2003 ein Taxiunternehmen, das in der Schweiz angemeldet war und deren Geschäftssitz sich in einer Taxizentrale in einem Schweizer Kanton befunden hat. Bei der Zentrale handelt es sich um einen Zusammenschluss selbstständiger Taxihalter zu einer Funkzentrale, über die Fahraufträge abgewickelt werden. Der Kl war Mitglied der Taxizentrale und hatte uneingeschränkten Zugang zu den Büro- und weiteren Räumlichkeiten. Das Büro umfasste drei Schreibtische mit PC-Ausstattung, von denen der Kl einen ein bis zwei Mal pro Woche für organisatorische und buchhalterische Zwecke benutzte. Ihm stand auch ein mit seinem Namen beschrifteter Standcontainer zur Aufbewahrung zur Verfügung, zu dem nur er Zugang hatte.

Die Einkünfte aus dem Taxiunternehmen wurden in der Schweiz zur Gänze der kantonalen Einkommensteuer sowie der direkten Bundessteuer unterworfen. Das deutsche FA unterwarf die Einkünfte zur Gänze der Besteuerung in Deutschland, da das DBA D-CH mangels Betriebsstätte in der Schweiz Deutschland das alleinige Besteuerungsrecht zuordne. Das FG Baden-Württemberg gab der Klage statt, woraufhin das FA Revision erhob.

Entscheidung des BFH

Zunächst hält der BFH fest, dass der Kl aufgrund seines inländischen Wohnsitzes gem § 8 dAO in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtig ist. Damit ist er für Abkommenszwecke in Deutschland ansässig (Art 1 und Art 4 Abs 1 DBA D-CH) und der subjektive Anwendungsbereich des DBA eröffnet. Das Taxiunternehmen ist abkommensrechtlich ein deutsches Unternehmen, weil es von einer in Deutschland ansässigen Person betrieben wird (Art 3 Abs 1 lit f DBA D-CH). Damit sind gem Art 24 Abs 1 Z 1 Satz 1 lit a und Satz 2 iVm Art 7 DBA D-CH nur diejenigen Einkünfte in Deutschland unter Progressionsvorbehalt von der Besteuerung auszunehmen, die einer Betriebsstätte in der Schweiz zugerechnet werden können.

Der zwischen den Parteien strittige Punkt betrifft das Vorliegen einer Betriebsstätte iSd Art 5 Abs 1 DBA D-CH in der Schweiz. Voraussetzung hierfür ist das Vorliegen einer festen Geschäftseinrichtung, in der die Tätigkeit des Unternehmens ganz oder teilweise ausgeübt wird. Zur Bestimmung der festen Geschäftseinrichtung verweist der BFH auf die Rsp zum in § 12 dAO enthaltenen Begriff „feste Geschäftseinrichtung oder Anlage“. Darunter fallen körperliche Gegenstände mit einer festen Beziehung zur Erdoberfläche, die von einer gewissen zeitlichen Dauer ist, wobei der Unternehmer ausreichend Verfügungsmacht über deren Verwendung haben muss. Die einzelnen Merkmale sind dabei nicht isoliert zu betrachten, sondern stehen in Wechselwirkung zueinander. Eine besonders starke örtliche Verbindung kann etwa als Indiz für einen längeren Verbleib an dieser Stelle sein. Die ausreichende Verfügungsmacht verlangt hierbei, dass der Unternehmer einen dauerhaften rechtlichen (Mit-)Nutzungsanspruch hat, wobei die Verfügungsmacht keine alleinige sein muss (siehe etwa BFH 18. 3. 2009, III R 2/06). Nicht ausreichend ist hingegen eine tatsächliche Benutzung ohne korrespondierendes Recht oder eine zeitlich beschränkte Berechtigung (BFH 7. 6. 2023, I R 47/20). Ein Indiz für ein dauerhaft erteiltes Mitnutzungsrecht ist die dauerhafte Überlassung personenbeschränkter Nutzungsstrukturen an ortsbezogenen Geschäftseinrichtungen (BFH 7. 6. 2023, I R 47/20; 9. 1. 2019, I B 138/1). Auf den vorliegenden Fall umgemünzt stellt der Büroraum der Taxizentrale eine feste Geschäftseinrichtung iSd Art 5 Abs 1 DBA D-CH dar. Eine feste Verbindung zur Erdoberfläche und dauerhafte Nutzung liegen jedenfalls vor. Die ausreichende Verfügungsmacht ist ebenfalls gegeben, weil dem Kl ein jederzeitiger Mitnutzungsanspruch eingeräumt worden ist; die Dauerhaftigkeit der Verfügungsmacht wird – entgegen der Ansicht des FA – durch das Vorliegen des Standcontainers indiziert. Dem Argument des FA, dass dem Kl kein konkreter Arbeitsplatz zur ausschließlichen Nutzung zugewiesen war, entgegnet der BFH damit, dass der Bf jederzeit einen von drei Arbeitsplätzen nutzen konnte, weil nur zwei weitere Genossenschaftsmitglieder den Büroraum in Anspruch nahmen.

Auch dem Argument des FA, es läge eine in Art 5 Abs 3 DBA D-CH aufgezählte, nicht ausreichende Tätigkeit vor, erteilt der BFH eine Absage. Art 5 Abs 1 DBA D-CH, der festhält, dass die Geschäfte „mit Hilfe“ der Geschäftseinrichtung getätigt werden müssen, bewirkt – trotz Abweichung vom Wortlaut des OECD-MA – materiell-rechtlich keine höheren Anforderungen an eine Betriebsstätte als nach dem OECD-MA (ebenso Häck/Korff in Flick/Wassermeyer/Kempermann [Hrsg], Doppelbesteuerungsabkommen Deutschland-Schweiz, Art 5 Rz 5; Obenhaus in Wassermeyer, Schweiz, Art 5 Rz 11). Es liegt auch keine – die Betriebsstätteneigenschaft ausschließende – ausschließliche Lagertätigkeit, Tätigkeit vorbereitender Art oder Hilfstätigkeit iSd Art 5 Abs 3 lit a und e DBA D-CH vor. Von einer Lagerung von Gütern oder Waren kann bereits deswegen nicht gesprochen werden, weil im Standcontainer zwar Betriebsunterlagen hinterlegt wurden, diese aber nicht Teil des bilanzierbaren Anlage- oder Umlaufvermögens darstellen; darüber hinaus besteht die Tätigkeit jedenfalls nicht aus ausschließlichem Aufbewahren von Betriebsunterlagen. Ebenso wenig handelt es sich um eine ausschließlich vorbereitende Tätigkeit oder eine Hilfstätigkeit: Zumindest tw wurden dort nämlich geschäftsleitende Tätigkeiten sowie zentrale unternehmerisch administrative Tätigkeiten ausgeführt (zB Personalverwaltung, Rechnungswesen etc). Auch der zeitliche Umfang oder eine angebliche fehlende Berufsspezifität bereiten hier keine Probleme: Die wöchentliche Durchführung der Tätigkeit sowie die Stellung des Unternehmers als Arbeitgeber sorgen dafür, dass keine Tätigkeit von untergeordneter Bedeutung vorliegt.

Da im vorliegenden Fall keine andere Betriebsstätte besteht, sind sämtliche Einkünfte der Betriebsstätte in der Schweiz zuzuordnen. Aus diesen Gründen ist die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Conclusio

Der BFH kommt zum Ergebnis, dass eine Taxifunkzentrale – bei den im Fall gegebenen Voraussetzungen – entgegen der Ansicht des FA eine Betriebsstätte darstellt, weil eine fest Geschäftseinrichtung vorliegt, in der die Geschäftstätigkeit des Unternehmens ausgeführt wird. Bei der Definition der festen Einrichtung stellt der BFH auf die zur (deutschen) innerstaatlichen Bestimmung der Betriebsstätte (§ 12 dAO) ergangene Rsp ab, weil darin der Begriff der „festen Einrichtung“ ebenfalls ein maßgebliches Kriterium darstellt. Die Definition der Betriebsstätte an sich – die in § 12 Abs 1 dAO sehr dem § 29 Abs 1 öBAO ähnelt – ist im nationalen Recht weiter gefasst als im DBA-Recht, weil die Tätigkeit nicht „durch“ die feste Geschäftseinrichtung ausgeübt werden muss, sondern die feste Geschäftseinrichtung der Unternehmenstätigkeit dienen muss (Bendlinger in Aigner/Kofler/Tumpel [Hrsg], DBA2 [2019] Art 5 Rz 10). In den meisten Fällen werden sich die Einordnungen allerdings decken.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 36840 vom 16.06.2025