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BFH: Umsatzbesteuerung einer Dinner-Show

Bearbeiter: Juliane Beverungen

dUStG: § 12 Abs 2 Nr 7 lit a, § 12 Abs 2 Nr 15

FGO: § 115 Abs 2 Nr 1

UStG 1994: § 10 Abs 3 Z 6 lit a

Abstract

Vorliegend hatte sich der BFH mit der Umsatzbesteuerung einer Dinner Show zu beschäftigen, welche zum einen aus einem mehrgängigen Menü und zum anderen aus einer Unterhaltung durch Artisten und Musiker bestand. Fraglich war, ob auf die Leistung der Regelsteuersatz oder der ermäßigte Umsatzsteuersatz anzuwenden ist. Hierfür musste bestimmt werden, ob es sich bei der Dinner-Show um eine einheitliche Leistung handelt.

BFH 29. 5. 2024, XI B 3/23

Sachverhalt

Die umsatzsteuerpflichtige Klägerin (Kl) veranstaltet jährlich eine Dinner-Show. Ihren Gästen bietet sie dabei gegen Entgelt ein mehrgängiges Menü mit Unterhaltung durch Artisten und Musiker an. Das Finanzamt (FA) ging davon aus, dass die Umsätze aus dem Vorverkauf für die Dinner-Show dem Regelsteuersatz von 19 % unterliegen würden, und setzte die Umsatzsteuervorauszahlungen der Kl im Streitjahr (2021) dementsprechend fest. Die dagegen eingereichten Beschwerden der Kl wies das FA zurück.

Daraufhin legte die Kl Klage beim FG Sachsen ein. Sie war der Auffassung, dass es sich bei der Dinner-Show um eine einheitliche komplexe Leistung handle, die aus den Bestandteilen „Varieté-Aufführung“ und „Menü-Begleitung“ besteht. Ersteres unterliege einem ermäßigten Steuersatz, während zweiteres dem Regelsteuersatz unterliege. Somit wäre im Grunde auf die Dinner-Show als Ganzes der Regelsteuersatz anzuwenden. Allerdings unterliege aufgrund des Corona-Steuerhilfegesetzes (idF 10. 3. 2021, BFGBl I 10) auch die Menü-Begleitung dem ermäßigten Steuersatz, weshalb die komplexe Leistung als Ganzes auch dem ermäßigten Steuersatz unterliegen würde.

Das FA war dahingegen der Auffassung, dass die Dinner-Show weder gem § 12 Abs 2 Nr 7 lit a dUStG noch gem § 12 Abs 2 Nr 15 dUStG dem ermäßigten Steuersatz zuzuordnen sei. Es handle sich um eine Leistung sui generis, die dem Regelsteuersatz unterliege. Das FG Sachen sah die Klage als begründet an und ließ eine Revision nicht zu (s FG Sachsen 6. 12. 2022, 1 K 281/22). Dagegen legte das FA Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision gegen das Urteil beim BFH ein.

Entscheidung

Das FA warf in seiner Beschwerde die Frage auf, ob eine planwidrige Gesetzeslücke anzunehmen sei, wenn der Gesetzgeber im UStG nicht normiert, ob der ermäßigte Steuersatz auf eine komplexe Leistung anzuwenden ist, wenn alle ihre Hauptelemente bei getrennter Betrachtung jeweils dem ermäßigten Steuersatz unterliegen. Weiterhin fragte es, ob diese planwidrige Gesetzeslücke, wenn sie vorliegen sollte, dahingehend zu schließen sei, dass der ermäßigte Steuersatz auch auf die komplexe Leistung angewendet werden soll.

Dem BFH zufolge kommt der aufgeworfenen Rechtsfrage keine grundsätzliche Bedeutung gem § 115 Abs 2 Nr 1 FGO zu. Die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes auf die komplexe Leistung im Streitfall ergibt sich aus bereits vorhandener Rsp des EuGH sowie des BFH.

Das FG hatte zum Sachverhalt bereits ausgeführt, dass die Kl mit ihrer Dinner-Show eine einheitliche komplexe Leistung erbracht hatte. Diese liegt vor, wenn der Steuerpflichtige eine Leistung erbringt, die aus zwei oder mehr Elementen besteht, die so eng miteinander verbunden sind, dass sie objektiv eine einzige untrennbare wirtschaftliche Leistung bilden, deren Aufspaltung realitätsfremd wäre (s EuGH 17. 1. 2013, C-224/11, BGZ Leasing, EU:C:2013:15, Rz 30). Wenn bei der komplexen Leistung, wie vorliegend, kein Haupt- oder Nebenelement bestimmt werden kann, sind alle Elemente als gleichwertig anzusehen (s EUGH 10. 11. 2016, C-432/15, Baštová, EU:C:2016:855, Rz 72).

Wenn der ermäßigte Steuersatz nur auf eines der gleichwertigen Elemente anzuwenden ist, auf die anderen aber nicht, dann kann der ermäßigte Steuersatz nicht auf die einheitliche komplexe Leistung angewendet werden (EUGH 10. 11. 2016, C-432/15, Baštová, EU:C:2016:855, Rz 75; BFH 13. 6. 2018, XI R 2/16, Rz 14; BFH 14. 2. 2019, V R 22/17, Rz 30). Vorliegend unterliegen allerdings beide Elemente der Leistung dem ermäßigten Steuersatz, das Menü gem § 12 Abs 2 Nr 15 dUStG und die Unterhaltung durch Artisten und Musiker gem § 12 Abs 2 Nr 7 lit a dUStG. Im Umkehrschluss unterliegt daher auch die einheitliche komplexe Leistung der Kl dem ermäßigten Steuersatz. Die Beschwerde wegen der Nichtzulassung der Revision gegen das Urteil des FG Sachsen wird als unbegründet zurückgewiesen.

Conclusio

Genau wie § 10 UStG regelt § 12 dUStG, welche Steuersätze auf steuerbare Tatbestände anzuwenden sind. Die Steuersätze sind dabei gegenstandsbezogen, also muss bei jedem Einzelumsatz geprüft werden, um welche Art der Leistung es sich handelt. Teilweise gibt es aber auch Umsätze, die aus Sicht eines Durchschnittsverbrauchers so eng miteinander verbunden sind, dass hier von einem einheitlichen wirtschaftlichen Vorgang gesprochen wird (s EuGH 27. 10. 2005, C-41/04, Levob Verzekeringen, ECLI:EU:C:2005:649). Der auf die einheitliche Leistung anzuwendende Steuersatz ist davon abhängig, ob es einen dominierenden Bestandteil der Leistung gibt oder ob sie aus mehreren gleichwertigen Elementen besteht (s EuGH 21. 2. 2013, C-18/12, Město Žamberk, Rz 30; EuGH 16. 10. 2016, C-432/15, Baštová, EU:C:2016:855, Rz 75; EuGH 19. 7. 2012, C-44/11, Deutsche Bank, ECLI:EU:C:2012:484, Rn 41; BFH 10. 1. 2013, V R 31/10). Bei zwei gleichwertigen Elementen ist grds der Regelsteuersatz anzuwenden (s Pernegger in Melhardt/Tumpel, UStG3 [2021] § 10 Rz 3). Da in Deutschland allerdings aufgrund von Corona-Sonderbestimmungen (idF 10. 3. 2021, BFGBl I 10) beide Elemente dem ermäßigten Steuersatz unterliegen, war dieser im Umkehrschluss auch auf die einheitliche komplexe Leistung anzuwenden.

In Österreich könnte das Element der „Varieté-Aufführung“ unter die Begünstigung gem § 10 Abs 3 Z 6 lit a UStG fallen, allerdings wird in der Lit die Meinung vertreten, dass Dinner-Shows als Ganzes nicht unter die Begünstigung fallen (s Pernegger in Melhardt/Tumpel, UStG3 [2021] § 10 Rz 709). Somit ist der Regelsteuersatz anzuwenden.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 36060 vom 06.11.2024