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*Ergebnis einer Umfrage unter 225 Steuerberater:innen und Rechtsanwält:innen (Mai 2024) durchgeführt von IPSOS im Auftrag von LexisNexis Österreich.
dUStG: § 1 Abs 1 Nr 1, § 2 Abs 1 S 1, § 10 Abs 1 S 1, § 17 Abs 1 S 1
AO: § 40
dStGB: § 73 Abs 1
FGO: § 126 Abs 3 S 1 Nr 2
GG: Art 3 Abs 1
GRC: Art 20
UStG 1994: § 16
Abstract
Im vorliegenden Urteil hatte sich der BFH mit der Frage der umsatzsteuerrechtlichen Bemessungsgrundlage (idF BMG) im Falle einer strafrechtlichen Einziehung von Taterträgen zu beschäftigen. Grundsätzlich wurde unstrittig festgestellt, dass auch Bestechungsgelder Entgelt iSd § 10 Abs 1 S 1 dUStG darstellen und damit umsatzsteuerbar sind. Fraglich war allerdings, ob die umsatzsteuerliche BMG gem § 17 Abs 1 S 1 dUStG gemindert wird, wenn die Bestechungsgelder auf strafrechtlicher Grundlage eingezogen wurden. Der BFH bejahte in diesem Fall die Minderung der umsatzsteuerrechtlichen BMG.
BFH 25. 9. 2024, XI R 6/23
Sachverhalt
Der Kläger (Kl) war bei verschiedenen Unternehmern der Immobilienwirtschaft als Projektbetreuer oder technischer Leiter tätig. In dieser Funktion hatte er Einfluss auf die Vergabe von Bauaufträgen. Dabei ließ sich der Kl die Auftragserteilung an nahestehende Geschäftspartner durch Zuwendungen für sein Privatvermögen, insb seinen privaten Hausbau, bezahlen. Dies geschah nachhaltig und ohne Wissen seines Arbeitgebers.
Daraufhin wurde vom zuständigen Finanzamt (FA) ein Steuerstrafverfahren wegen Verdacht der Einkommen- und Umsatzsteuerhinterziehung sowie eine Ermittlung durch die Staatsanwaltschaft wegen Verdachts der Bestechlichkeit und Bestechung im geschäftlichen Verkehr eingeleitet. Das Landgericht verurteilte den Kl im Jahr 2020 in diesem Punkt und ordnete die Einziehung des Wertes des Erlangten gem §§ 73 ff dStGB an.
Das FA stellte fest, dass der Kl die Bestechungsgelder als Entgelt für steuerpflichtige Leistungen erhalten habe und daher seine Umsätze nach vereinbarten Entgelten der Besteuerung hätte unterwerfen müssen, was er jedoch nicht getan habe. Auf dieser Grundlage erließ das FA einen Umsatzsteuerbescheid für das Jahr 2015. Hiergegen legte der Kl Einspruch ein und brachte vor, dass seine Zahlungen an die Landesjustizkasse als Minderung der BMG gem § 17 dUStG berücksichtigt werden müssten. Dies wies das FA als unbegründet zurück und führte aus, dass eine Einziehung gem §§ 73 ff dStGB keinen Einfluss auf die umsatzsteuerrechtliche BMG habe.
Die hiergegen erhobene Klage wies das FG Berlin-Brandenburg (siehe FG Berlin-Brandenburg 7. 3. 2023, 2 K 2150/21) mit der Begründung ab, dass die eingezogenen Beträge die BMG nicht mindern, obwohl die erlangten Bestechungsgelder Entgelt iSd § 10 Abs 1 S 1 dUStG darstellen. Mit der Revision rügt der Kl eine Verletzung des materiellen Rechts, weil die Außerachtlassung der eingezogenen Beträge nicht mit dem Neutralitätsgrundsatz vereinbar sei und es somit zu einer Doppelbelastung käme.
Entscheidung
Das Einräumen von Vorteilen im Vergabeprozess an Dritte gegenüber Mitbewerbern ist eine umsatzsteuerpflichtige sonstige Leistung. Dabei ist es gem § 40 AO irrelevant, ob die Tätigkeit gegen ein gesetzliches Verbot oder gegen die Sitten verstößt. § 40 AO soll dadurch eine wertneutrale Besteuerung sicherstellen (siehe bereits BFH 28. 11. 1977, GrS 2-3/77; 3. 2. 2016, X R 25/12; 10. 1. 2024, VI R 16/21), sodass auch unerlaubte Tätigkeiten, wie Prostitution oder Hehlerei, steuerbar sein können (siehe BFH 4. 6. 1987, V R 9/79; 28. 2. 2002, V R 19/01; 8. 9. 2011, V R 43/10).
Der EuGH hat dahin gehend auch entschieden, dass der Grundsatz der steuerlichen Neutralität zwar grds eine Differenzierung zwischen erlaubten und unerlaubten Tätigkeiten verbietet, illegale Tätigkeiten unter bestimmten Umständen allerdings trotzdem nicht steuerbar sind (siehe EuGH 5. 7. 1988, C-289/86, Happy Family gegen Inspecteur der Omzetbelasting). Bspw ist die verbotene Lieferung von Betäubungsmitteln nicht steuerbar, weil diese schon ihrem Wesen nach einem vollständigen Verkehrsverbot in allen Mitgliedstaaten unterliegen (s ua EuGH 29. 6. 2000, C-455/98, Salumets ua). Da diese Ausnahme vorliegend nicht einschlägig ist und der Streitfall einen Wirtschaftssektor betrifft, der an sich rechtmäßig ist, unterliegen die Zuwendungen der Umsatzsteuer in Deutschland.
Soweit der Kl Abschöpfungsbeträge an den Staat gezahlt hat, mindern die eingezogenen Beträge die BMG für seine Dienstleistungen gem § 10 Abs 1 dUStG. Die Berichtigung des geschuldeten Steuerbetrags hat dabei nach § 17 Abs 1 S 1 dUStG zu erfolgen. Zwar ergibt sich aus dem Wortlaut des § 10 Abs 1 dUStG an sich erstmal nicht, dass etwaige Abschöpfungsbeträge die BMG vermindern müssen, dies ist allerdings trotzdem unions- und verfassungsrechtlich geboten, weil der Gleichbehandlungsgrundsatz gem Art 3 Abs 1 GG sowie Art 20 GRC ansonsten verletzt wäre.
Das BVerfG hat in seiner stRsp zum Ertragsteuerrecht festgestellt, dass Täter durch eine Vermögensabschöpfung und eine Besteuerung nicht doppelt belastet werden dürfen (s BVerfG 23. 1. 1990, 1 BvL 4-7/87). Dieses Vorgehen ist unvereinbar mit dem Leistungsfähigkeitsprinzip, welches aus Art 3 Abs 1 GG abgeleitet wird. Auch im Umsatzsteuerrecht stellt ein solches Vorgehen also eine Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes dar. Weiterhin würde eine solche Doppelbelastung gegen Unionsrecht verstoßen, weil die MwSt nur den Endverbraucher belasten soll und nicht die Steuerpflichtigen auf den vorgelagerten Produktions- oder Vertriebsstufen. Wäre die Minderung der BMG um eingezogene Beträge nicht erlaubt, würde der Kl im Rahmen seiner wirtschaftlichen Tätigkeit nicht vollständig von der MwSt entlastet werden. Daher hat lt BFH eine Korrektur gem § 17 Abs 1 S 1 dUStG zu erfolgen. Es ist dafür auch unerheblich, ob die eingezogenen Beträge an den Leistungsempfänger oder an einen Dritten, vorliegend die Landesjustizkasse, zurückgezahlt wurden.
Die Revision ist daher begründet. Sie führt zu einer Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG Berlin-Brandenburg zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung gem § 126 Abs 3 S 1 Nr 2 FGO.
Conclusio
Im vorliegenden Urteil beschäftigt sich der BFH mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz in der Umsatzsteuer. Bei strafrechtlichen Vorgängen darf ein Täter nicht dadurch doppelt belastet werden, dass es zum einen zu einer Abschöpfung des Vermögensvorteils und zum anderen zu einer Besteuerung dieses zu Unrecht erlangten Vermögens kommt (s BFH 14. 5. 2014, X R 23/12; BVerfG 23. 1. 1990, 1 BvL 4-7/87). Zwar kann eine Übertragung der Diskussion auf Österreich, aufgrund des unterschiedlichen Stellenwerts des Leistungsfähigkeitsprinzips in den beiden Ländern (s bereits Gassner/Lang, Das Leistungsfähigkeitsprinzip im Einkommen- und Körperschaftsteuerrecht, 14. ÖJT Band III/1 [2000]), nicht ohne weiteres erfolgen, allerdings ist hier die Argumentation hinsichtlich des Unionsrechts zu beachten: Der Grundsatz der Steuerneutralität verbietet eine Doppelbesteuerung der unternehmerischen Tätigkeiten eines Steuerpflichtigen (s EuGH 8. 3. 2001, C-415/98, Bakcsi). Vorliegend handelt es sich zwar um keine Doppelbesteuerung, da die Umsatzsteuer nur einmal erhoben wird, allerdings würde eine Doppelbelastung des Kl vorliegen, wenn er zum einen Umsatzsteuer auf die steuerpflichtige sonstige Leistung zahlen müsste und zum anderen den gesamten Wert der ordnungswidrig erlangten Leistung an den Staat zurückzahlen müsste. Somit ist eine Minderung der umsatzsteuerlichen BMG um den Wert der strafrechtlich eingezogenen Beträge geboten und das Ergebnis des BFH ist nachvollziehbar.