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BFH: Umsatzsteuerschuld des Leistungsempfängers bei Organschaft – wirkt die Organschaft im Außenverhältnis?

Bearbeiter: Annika Streicher

UStG 1994: § 19 Abs 1a

dUStG: § 13b

Abstract

In der gegenständlichen Entscheidung war fraglich, ob die umsatzsteuerliche Organschaft für den Übergang der Steuerschuld Außenwirkung entfaltet. Während die leistungsempfangende Organgesellschaft Bauleistungen erbrachte, die für den deutschen Reverse-Charge-Mechanismus für Bauleistungen qualifizieren, erbrachte der Organträger keine solchen Leistungen. Strittig war der Übergang der Steuerschuld auf die Organgesellschaft. Nach Ansicht des BFH hat die Organschaft Außenwirkung: maßgeblich sind daher die vom Organträger bewirkten Umsätze.

BFH 23. 7. 2020, V R 32/19

Sachverhalt

Der Bf war als Bauträger tätig und fungierte im Rahmen einer umsatzsteuerlichen Organschaft als Organträger für eine Reihe von Organgesellschaften. Manche der Organgesellschaften wurden ebenfalls als Bauträger tätig, andere wiederum wurden als Generalübernehmer mit der Erbringung von Bauleistungen beauftragt. Dazu empfingen sie Bauleistungen von außerhalb des Organkreises stehenden Unternehmen und gaben diese ihrerseits an ihre Auftraggeber innerhalb des Organkreises weiter. Das dUStG sieht in § 13b Abs 5 Satz 2 iVm Abs 2 Z 4 einen Reverse-Charge-Mechanismus für Bauleistungen vor. Die Tätigkeit eines Bauträgers gilt nicht als Erbringung von Bauleistungen, weshalb es hier nicht zum Übergang der Steuerschuld auf den Leistungsempfänger kommt. Der Leistungserbringer und die Organgesellschaft gingen zunächst davon aus, dass für den Übergang der Steuerschuld auf die Organgesellschaft abzustellen ist, die Bauleistungen erbrachte. Die Organgesellschaft leistete die Umsatzsteuer. In der Folge beantragte der Bf jedoch die Erstattung der Umsatzsteuer, weil die betreffende Organgesellschaft selbst keine Bauleistungen, sondern bloß organschaftliche Innenumsätze erbringe. Die Steuerschuld habe daher nicht auf sie übergehen können. Ein Übergang auf den Bf sei wegen seiner Bauträgereigenschaft ebenso nicht möglich.

Entscheidung des BFH

§ 13b Abs 5 Satz 2 iVm Abs 2 Z 4 dUStG ist nur anwendbar, wenn der Leistungsempfänger die Leistung zur Erbringung steuerpflichtiger Umsätze in Form von Werklieferungen und sonstigen Leistungen, die der Herstellung, Instandsetzung, Instandhaltung, Änderung oder Beseitigung von Bauwerken dienen, mit Ausnahme von Planungs- und Überwachungsleistungen verwendet. Die Steuerschuld geht ergo weder auf den Organträger noch auf die Organgesellschaft über. Es kommt nämlich darauf an, für welchen dem Organträger zuordenbaren Außenumsatz die Eingangsleistung verwendet wird. Der Organträger erbringt aber Leistungen eines Bauträgers, die lt BFH-Rsp (22. 8. 2013, V R 37/10) nicht unter die genannte Regelung fallen – ein Übergang der Steuerschuld auf den Organträger kommt also nicht in Frage.

Auch auf die Organgesellschaft kann die Steuerschuld nicht übergehen. Diese führt zwar ihrerseits Bauleistungen aus, die grds unter die Norm subsumiert werden könnten, jedoch sind ihre Leistungen im Organkreis nicht steuerpflichtig. Sie erbringt nicht steuerbare Innenumsätze an die anderen Organgesellschaften. Somit kann die Steuerschuld auch nicht auf die Organgesellschaft übergehen. Die Wirkung der Organschaft ist nämlich nicht auf das Innenverhältnis beschränkt, sondern hat Wirkungen auch im Außenverhältnis. Der gegenteiligen Ansicht von Stadie (in Rau/Dürrwächter, UStG, § 13b Rz 384), wonach die Organschaft im Außenverhältnis ausgeblendet werden soll, schließt sich der BFH nicht an. Der BFH bestätigte damit die Entscheidung des FG (12. 9. 2019, 2 K 2161/16) und seine eigene Vorjudikatur (22. 8. 2013, V R 37/10). Der Bf hatte Anspruch auf Erstattung der Umsatzsteuer.

Conclusio

Diese Entscheidung bedeutet erhöhten Verwaltungsaufwand beim Leistungserbringer: Es reicht nicht mehr, nur den Leistungsempfänger und dessen Tätigkeit zu betrachten. Stattdessen muss der Leistungserbringer erforschen, ob der Leistungsempfänger Mitglied einer Organschaft ist und welche Tätigkeit der Organträger ausübt. Erst dann weiß er, ob er mit Umsatzsteuer oder ohne Umsatzsteuer (wegen Übergang der Steuerschuld) fakturieren muss. In der österr Lit wird die Möglichkeit der Außenwirkung der Organschaft zwar anerkannt (Ruppe/Achatz, UStG5, § 2 Rz 104/1), Rsp existiert dazu soweit ersichtlich aber noch nicht.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 30038 vom 02.12.2020