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DBA Deutschland-Luxemburg 2012 (DBA D-LUX): Art 14
Verordnung zur Konsultationsvereinbarung Deutschland-Luxemburg 2012 (KonsV D-LUX): § 7 Abs 2 S 1 Z 1 und Z 2
Abstract
Der BFH setzte in seiner Entscheidung der Verordnung zur Konsultationsvereinbarung Deutschland-Luxemburg 2012 (KonsV D-LUX) enge Grenzen. Der Kl, ein Linienbusfahrer, hatte seine Dienstzeiten in Deutschland und Luxemburg nach Minuten aufgeteilt und nach dem Anteil im jeweiligen Land Steuern gezahlt. Der Ansicht des deutschen FA (dFA) und des deutschen Finanzgerichts, dass eine hälftige Aufteilung des zu besteuernden Lohns iSd § 7 Abs 1 S 1 Z 1 KonsV D-LUX für sämtliche Tage zu erfolgen hat, an denen der Kl in beiden Staaten unterwegs war, erteilte das Höchstgericht eine Absage: Weder ist die KonsV D-LUX auf das „neue“ DBA D-LUX anwendbar, noch kann eine dem Wortlaut der Bestimmung des Art 14 DBA D-LUX (entspricht Art 15 OECD-MA) widersprechende Übung für die Aufteilung der Besteuerungsrechte maßgeblich sein.
BFH 28. 6. 2023, I R 43/20
Sachverhalt
Der in Deutschland ansässige Kl war in den Streitjahren 2015 und 2016 bei einer Firma mit Sitz in Luxemburg beschäftigt. Aus seiner Tätigkeit erzielte er Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit. In seinen entsprechenden Einkommensteuererklärungen teilte der Kl die Einkünfte aus der Tätigkeit nach den jeweiligen Arbeitsminuten in Deutschland und Luxemburg auf und entrichtete die im jeweiligen Staat anteilig anfallende Steuer. Das dFA hingegen berief sich auf § 7 Abs 2 S 1 Z 2 KonsV D-LUX, wonach an Tagen, an denen der StPfl in beiden Vertragsstaaten tätig war, der steuerpflichtige Arbeitslohn stets im Verhältnis 50/50 aufzuteilen ist. Der dem Ansässigkeitsstaat Deutschland zustehende Anteil wurde damit im Vergleich zu den Steuererklärungen massiv erhöht. Der Kl erhob dagegen Klage beim Finanzgericht Rheinland-Pfalz, welche als unbegründet abgewiesen wurde, und daraufhin Revision beim BFH.
Entscheidung des BFH
Zunächst widmet sich der BFH in seinem Urteil den gegenständlich anwendbaren Normen. Grundsätzlich ist der Kl gem § 1 Abs 1 dEStG in Deutschland ansässig und damit unbeschränkt steuerpflichtig. Auf die Einkünfte, die er als Lastkraftfahrer aus nichtselbstständiger Arbeit erzielte, findet gem Art 14 Abs 1 DBA D-LUX (entspricht Art 15 Abs 1 OECD-MA) das Tätigkeitsortprinzip Anwendung. Es wird folglich auf jenen Ort abgestellt, an dem die Arbeit verrichtet wurde – bei einem Berufskraftfahrer also der Ort, an dem sich er und das Fahrzeug physisch befanden. Bei grenzüberschreitenden Berufskraftfahrern kann das dazu führen, dass das Arbeitsentgelt aufzuteilen ist, selbst wenn der StPfl nur stundenweise in einem anderen Staat tätig war (BFH 29. 1. 1986, I R 22/85; 31. 3. 2004, I R 88/03; 22. 1. 2002, I B 79/01).
Die Beurteilung des dt Finanzgerichts, dass jene Arbeitstage, an denen der Kl in beiden Vertragsstaaten tätig war, hälftig aufzuteilen seien, hält der BFH für verfehlt. Zwar kann prinzipiell eine Aufteilung schätzungsweise nach § 162 dt Abgabenordnung (dAO) vorgenommen werden, wenn keine geeigneten Nachweise zum jeweiligen Grenzübertritt vorgelegt werden (vgl BFH 1. 6. 2022, I R45/18). Im vorliegenden Fall reichen die vom Kl vorgelegten Daten aber aus, um eine derartige Beurteilung vornehmen zu können. Die täglichen Dienstpläne geben die planmäßig gefahrenen Minuten an, die zwar abhängig von Tageszeit und Verkehrsverhältnissen von der tatsächlich gefahrenen Zeit abweichen können; allerdings sieht der BFH nicht ein, wie eine hälftige Teilung nachvollziehbarer sein sollte als die vom Kl vorgenommene Ermittlung.
An diesem Ergebnis vermag auch § 7 Abs 2 S 1 Z 1 KonsV D-LUX nichts zu ändern. Zunächst ist die KonsV D-LUX auf das einschlägige DBA nicht anwendbar. Nach § 1 leg cit bezieht sich die Verordnung nämlich nur auf das DBA D-LUX 1958 idF vom 11. 12. 2009. Eine Erstreckung auf das gegenständliche DBA D-LUX ist in der KonsV D-LUX hingegen nicht explizit vorgesehen. Selbst bei Inhaltsgleichheit der Bestimmung im DBA D-LUX kann nicht von einer automatischen weiteren Geltung ausgegangen werden, und zwar insb deshalb, weil weder eine Aufnahme dieser Regelung ins neue DBA D-LUX erfolgte noch eine entsprechende Protokollerklärung darin enthalten ist. Darüber hinaus verstößt eine derartige Bestimmung über die fixe Aufteilung des Arbeitslohns gegen Art 14 Abs 1 DBA D-LUX und damit höherrangiges Recht. Auch die ursprüngliche Konsultationsvereinbarung vom 7. 9. 2011, auf der die KonsV D-LUX beruht, taugt in dem Fall nicht als Rechtsgrundlage für eine pauschale hälftige Aufteilung der Besteuerungsrechte: Die in Z 10 derselben festgehaltenen Vereinbarung, worin eine Weitergeltung für neuerliche Abkommen manifestiert wird, widerspricht dem Wortlaut des Art 14 Abs 1 DBA D-LUX und kann dementsprechend nicht von Bedeutung sein. Nach stRsp des BFH kann die Abkommenspraxis iSd Art 31 Wiener Vertragsrechtskonvention (WVRK) zwar für die Abkommensauslegung von Bedeutung sein. Dies ist aber nur insoweit möglich, als das Abkommensverständnis vom Wortlaut der Regelung gedeckt ist (BFHE 226, 276, BStBl II 2010, 387; BFHE 250, 110, BStBl II 2016, 326; BFH 30. 5. 2018, I R 62/16). Die hälftige Aufteilung, die nach Ansicht des BMF offenbar eine unwiderlegliche Vermutung unabhängig von der Verweildauer darstellt, entspricht nach der Entscheidung des BFH allerdings weder dem Wortlaut der Ausübung („ausgeübt“) noch ist sie mit dem Art 14 Abs 1 DBA D-LUX inhärenten Tätigkeitsortprinzip unvereinbar, weswegen er den Fall an das deutsche Finanzgericht zur „realitätsgerechteren Schätzung“ zurückwies.
Conclusio
Der Fall scheint in seiner Gesamtheit zunächst Erkenntnisse über die Geltungsreichweite und Grenzen von Konsultationsvereinbarungen an den Tag zu bringen. Dass eine Weitergeltung selbst bei identem Wortlaut der neuen DBA D-LUX-Klausel ausgeschlossen ist, scheint prinzipiell einleuchtend – ansonsten wäre wohl eine Aufnahme ins DBA D-LUX oder ins Protokoll vorgenommen worden, sofern nicht automatisch von einer Weitergeltung ausgegangen worden ist. Letzteres könnte hierbei allerdings tatsächlich der Fall sein: Nachdem in der KonsV D-LUX von einer Weitergeltung für künftige DBA die Rede ist, war eine Fortsetzung für die Verhandler durchaus denkbar. Diese Problematik erklärte der BFH allerdings dahin gehend, dass er den Wortlaut und wahren Zweck des Tätigkeitsortprinzips heranzog: Selbst bei einer aktiven Abkommenspraxis ist das Telos des Art 15 OECD-MA, Vergütungen tunlichst nach der verbrachten Arbeitszeit im jeweiligen Vertragsstaat aufzuteilen. Dies allein entspricht der „Ausübung“, welche für den Art 15 OECD-MA maßgeblich ist.
In diesem Bereich stellt sich damit nur mehr die Frage, aus welchem Grund der BFH erst in dieser Entscheidung einer Annäherung durch Schätzung gegenüber der hälftigen Aufteilung den Vorrang zugestand. In der Entscheidung BFH 1. 6. 2022, I R 45/18 lagen ebenso ausreichend Daten vor, welche – wie es in der streitgegenständlichen Entscheidung der BFH verlangte – „geeignete Nachweise zum jeweiligen Grenzübertritt“ darstellten (vgl die genannte Entscheidung BFH 1. 6. 2022, I R 45/18 in Rz 5: „legte der Kläger […] Aufstellungen […] vor, aus denen […] die dabei durchfahrenen Staaten und die Zeitpunkte der Grenzübertritte hervorgingen“). Eine Annäherung wäre damit auch in diesem Fall „näher an der Realität“ gelegen als durch eine hälftige Schätzung (vgl Schragl, BFH zur Verteilung des Besteuerungsrechts an Bezügen eines grenzüberschreitend tätigen Berufskraftfahrers, ecolex 2023, 160 [163]).
Für Österreich besteht die Relevanz des Falls einerseits im Hinblick auf die Schätzung der Bemessungsgrundlage, andererseits auf die Geltungsreichweite einer derartigen Konsultationsvereinbarung. § 162 Abs 1 dAO entspricht im Wesentlichen § 184 Abs 1 BAO, wonach die Abgabenbehörde eine Schätzung in jenen Fällen vornehmen kann, in denen die Besteuerungsgrundlage nicht ermittelt oder berechnet werden kann. Folglich erschiene im vorliegenden Fall auch nach österreichischem Abgabenrecht eine approximierte Schätzung angemessener als eine hälftige Aufteilung. Hinsichtlich Konsultationsvereinbarungen können auch Erkenntnisse in Bezug auf die österreichische Rechtslage gewonnen werden: In Österreich ist es strittig, ob Konsultationsvereinbarungen einer Umsetzung im Verordnungsweg bedürfen, um für die Gerichte verbindliche Wirkung zu erlangen; jedenfalls bedarf es allerdings eines Mindestmaßes an Publizität (vgl Romstorfer, Besteuerung Schweizer AHV-Renten aus einer früheren öffentlich-rechtlichen Beschäftigung nach dem DBA Schweiz, SWI 2023 [in Druck]). Damit dürfte auch in Österreich die Erstreckung einer Konsultationsvereinbarung auf ein nachfolgendes DBA – ohne entsprechende Publikation der Erstreckung – jedenfalls ohne rechtliche Bindewirkung bleiben.