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BFH zum Vorsteuerberichtigungsanspruch in der Insolvenz

Bearbeiter: Eric Coenen

dUStG: § 17 Abs 1 und Abs 2 Nr 1

InsO: § 55 Abs 1 Nr 1

Abstract

Gem § 17 Abs 2 Nr 1 dUStG ist ein Vorsteuerabzug etwa dann zu berichtigen, wenn der Leistende ein bereits vereinnahmtes Entgelt aufgrund der Anfechtung durch einen Insolvenzverwalter eines Dritten zurückzahlt und im Zeitpunkt dieser Rückzahlung bereits ein Insolvenzverfahren über das Vermögen des Leistungsempfängers eröffnet ist. Der daraus entstehende Vorsteuerberichtigungsanspruch ist nach Ansicht des BFH dann als Insolvenzforderung gegenüber dem Leistungsempfänger zu qualifizieren, nicht aber als Masseverbindlichkeit im Insolvenzverfahren des Leistungsempfängers.

BFH 24. 8. 2023, V R 29/21

Sachverhalt

Der Kläger ist Insolvenzverwalter über das Vermögen der A GmbH. Diese A GmbH ist Teil einer Unternehmensgruppe, die unter einer AG als Holdinggesellschaft steht. Über das Vermögen dieser AG sowie mehrerer Tochtergesellschaften (darunter auch die B GmbH) ist ein Insolvenzverfahren eröffnet worden, in denen jeweils der Kläger als Insolvenzverwalter bestellt worden ist. Vor der Insolvenzeröffnung der A GmbH bezog diese Eingangsleistungen, für die sie den Vorsteuerabzug in Anspruch nahm. In den Rechnungen dieser Leistungen wurde die A GmbH als Leistungsempfängerin ausgewiesen, sie wurden aber von der AG und B GmbH gezahlt. Nach erfolgreicher Anfechtung dieser Rechtsgeschäfte durch den Insolvenzverwalter der AG und B GmbH erhielten diese die Entgelte zurück. Im Anschluss daran fand eine Umsatzsteuer-Sonderprüfung durch das Finanzamt (FA) bei der A GmbH statt, welches vom Wiederaufleben der Forderung aufgrund der Rückzahlung der Entgelte an die AG und B GmbH gem § 144 dInsO ausging. Daher war nach Ansicht des FA, eine Vorsteuerberichtigung für die von der A GmbH bezogenen Leistungen gem § 17 Abs 2 Nr 1 dUStG vorzunehmen. Fraglich war, ob dieser Vorsteuerberichtigungsanspruch eine Insolvenzforderung oder Masseverbindlichkeit ist.

Entscheidung des BFH

Durch die Rückgewähr der geleisteten Entgelte an die AG und B GmbH war bei der A GmbH eine Vorsteuerberichtigung vorzunehmen. Gem § 17 Abs 2 Nr 1 Satz 2 dUStG ist diese vorzunehmen, wenn der Leistende ein bereits vereinnahmtes Entgelt nachträglich zurückzahlt. Dies ist etwa der Fall, wenn ein Insolvenzverwalter die Zahlung erfolgreich angefochten hat. Dann hat einerseits der den Umsatz ausführende Unternehmer den geschuldeten Steuerbetrag gem § 17 Abs 1 Satz 1 dUStG zu berichtigen. Andererseits hat auch der Leistungsempfänger den Vorsteuerabzug zu berichtigen. Sinngemäß gilt dies auch bei der Uneinbringlichkeit der vereinbarten Entgelte.

Die Zahlungsansprüche gegen die A GmbH als Leistungsempfängerin sind nach der erfolgreichen Anfechtung gem § 144 Abs 1 dInsO wiederaufgelebt. Da im Zeitpunkt des Wiederauflebens das Insolvenzverfahren der A GmbH bereits eröffnet war, sind die Zahlungsansprüche als Insolvenzforderung gem § 38 InsO anzusehen und somit uneinbringlich iSd § 17 Abs 2 Nr 1 Satz 1 dUStG (BFH 27. 9. 2017, XI R 18/16). Die bloße Tatsache, dass der Leistende die Entgelte bereits vereinnahmt hatte, steht der Uneinbringlichkeit nicht entgegen.

Damit eine Steuerschuld als Masseverbindlichkeit gilt, muss sie die Insolvenzmasse betreffen. Dies ist dann der Fall, wenn die Verbindlichkeit infolge der Insolvenzverwaltung entsteht oder einen Bezug zur Insolvenzmasse aufweist (BFH 12. 1. 2017, IX ZR 87/16). Im vorliegenden Fall fehlt allerdings eine Handlung des Klägers als Insolvenzverwalter über das Vermögen der A GmbH, die eine solche Masseverbindlichkeit des Vorsteuerberichtigungsanspruchs begründen könnte, so der BFH. Dieser Anspruch beruht vielmehr auf Handlungen des Klägers als Insolvenzverwalter der AG und B GmbH, nicht aber auf Handlungen als Insolvenzverwalter der A GmbH. Die bloße Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der A GmbH, wodurch die Uneinbringlichkeit der Forderung entsteht, stellt keinen ausreichenden Bezug des Vorsteuerberichtigungsanspruchs zur Insolvenzmasse der A GmbH dar.

Dieser Vorsteuerberichtigungsanspruch der A GmbH nach § 17 Abs 2 Nr 1 dUStG ist somit nach Ansicht des BFH nicht als Masseverbindlichkeit iSd § 55 Abs 1 Nr 1 dInsO anzusehen. Als Masseverbindlichkeit gem § 55 Abs 1 Nr 1 dInsO dürfte dieser Anspruch nur dann angesehen werden, wenn dieser durch Handlung des Insolvenzverwalters im Verfahren des Leistungsempfängers oder durch Verwaltung der Insolvenzmasse des Leistungsempfängers entstanden wäre. Aufgrund der insolvenzrechtlichen Trennung der Verfahren der A GmbH, B GmbH sowie der AG ist daher unerheblich, dass der Kläger der Insolvenzverwalter all dieser Gesellschaften ist.

Conclusio

Im vorliegenden Fall wurde der Vorsteuerberichtigungsanspruch nicht als Masseverbindlichkeit qualifiziert, weil er gem § 55 Abs 1 Nr 1 dInsO nicht die Insolvenzmasse der A GmbH betroffen hat. Vielmehr ist dieser Anspruch infolge von Handlungen des Klägers als Insolvenzverwalter der B GmbH und AG – und somit unabhängig von der Insolvenzmasse der A GmbH – entstanden.

Die Bestimmung des Vorsteuerberichtigungsanspruchs iSd § 17 Abs 2 Nr 1 dUStG beruht unionsrechtlich auf Art 185 Abs 2 Unterabs 2 MwStSyst-RL. In Österreich findet sich eine vergleichbare Bestimmung in § 16 Abs 3 Z 1 UStG. In Österreich ist für die insolvenzrechtliche Einordnung des Vorsteuerrückforderungsanspruchs nach § 16 Abs 3 Z 1 UStG der Zeitpunkt des Eintritts der Uneinbringlichkeit des Entgelts entscheidend (Gaedke in Melhardt/Tumpel, UStG3 [2021] Rz 170). Dazu wird die Ansicht vertreten, dass dieser als Insolvenzforderung einzustufen ist (Bachmann, ecolex 1996, 664; K.F. Engelhart in Konecny/Schubert, Insolvenzgesetze [2004] § 46 KO Rz 187), weil davon auszugehen ist, dass die Uneinbringlichkeit grds vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens eintritt (UStR Rz 2405). Nicht näher differenziert wird in der österreichischen Literatur jedoch – wie im vorliegenden Fall durch den BFH –, ob dieser Anspruch infolge einer Anfechtung eines Insolvenzverwalters eines Dritten entsteht oder durch den Insolvenzverwalter des Leistungsempfängers, der die Vorsteuerberichtigung gem § 16 Abs 3 Z 1 UStG vorzunehmen hat.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 35194 vom 18.03.2024