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BFH zum wirtschaftlichen Eigentum an zur Sicherheit übereigneten Aktien

Bearbeiter: Benjamin Beer

AO: § 39

BAO: § 24

Abstract

Der BFH hatte zu beurteilen, ob einem Steuerpflichtigen (Stpfl), dem Aktien zur Besicherung eines Wertpapierdarlehens übertragen worden waren, diese – als deren wirtschaftlicher Eigentümer – zuzurechnen waren. Nach Ansicht des BFH war das wirtschaftliche Eigentum dieser Aktien an den Stpfl übergegangen, weil ihm die Ausübung der mit den Aktien verbundenen Stimmrechte und die Möglichkeit zur Realisation einer Kursänderung der Aktien rechtlich zugestanden hat und auch tatsächlich möglich war.

BFH 13. 11. 2024, I R 3/21

Sachverhalt

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Kl) wurde zur Absicherung eines Wertpapier-Sachdarlehens von einer Bank das Eigentum an börsennotierten britischen Aktien übertragen. Die Kl durfte frei über die Aktien verfügen, sie war allerdings vertraglich verpflichtet, gattungsgleiche Aktien rückzuübertragen und eine Gebühr iHv 2,2 % der bezogenen Dividenden an die Bank zu zahlen. Dabei wurden Aktien kurz vor ihrem Dividendenstichtag ausgewählt, die dann nach Dividendenausschüttung gegen andere Aktien ausgetauscht wurden. Für die erhaltenen Dividenden leistete die Kl Ausgleichszahlungen iHd Bruttobetrags an die Bank.

Die Kl behandelte die bezogenen Dividenden als steuerfrei nach § 8b Abs 1 und 5 dKStG und die Kompensationszahlungen als Betriebsausgaben. Das Finanzamt erblickte im vorliegenden Sachverhalt einen Gestaltungsmissbrauch zur Erzielung eines steuerlichen Vorteils und die Umgehung von § 8b Abs 7 dKStG. Die nach erfolglosem Einspruch erhobene Klage wies das FG München (14. 12. 2020, 7 K 899/19) als unbegründet ab. Begründend führte das FG München aus, dass die Aktien nicht der Kl nach § 39 AO zuzurechnen seien, weswegen es die Frage, ob ein Gestaltungsmissbrauch vorlag, offenließ.

Entscheidung des BFH

Der BFH hält zunächst fest, dass bei der Ermittlung des Einkommens gem § 8b Abs 1 Satz 1 dKStG Dividenden außer Acht bleiben. Damit die Kl die Befreiung für Dividenden in Anspruch nehmen kann, müssen ihr diese steuerlich zurechenbar sein, wofür sie Anteilseignerin sein muss. Gem § 20 Abs 2a Satz 2 dEStG müssen ihr dafür die Anteile im Zeitpunkt des Gewinnverteilungsbeschlusses gem § 39 AO zurechenbar sein. Nach § 39 AO sind Wirtschaftsgüter dem zivilrechtlichen Eigentümer zuzurechnen, abweichend davon allerdings demjenigen, der die tatsächliche Herrschaft über das Wirtschaftsgut in der Weise ausübt, dass er den Eigentümer im Regelfall für die gewöhnliche Nutzung von der Einwirkung auf das Wirtschaftsgut wirtschaftlich ausschließen kann (wirtschaftliches Eigentum). Bei Kapitalgesellschaftsanteilen ist darauf abzustellen, wer die mit der Beteiligung verbundenen Rechte (insb Gewinnbezugs- und Stimmrechte) ausüben kann und die Wertänderungschancen und -risiken trägt.

Beim Sicherungseigentum fallen gem § 39 Abs 2 Nr 1 Satz 2 AO zivilrechtliches und wirtschaftliches Eigentum auseinander. Ungeachtet der Bezeichnung liegt aber hier kein solcher Fall des Sicherungseigentums vor, weil die Kl die übertragenen Aktien auch ohne Eintritt des Sicherungsfalls veräußern konnte und lediglich die Rückübertragung gattungsgleicher Aktien geschuldet war. Daher ist der vorliegende Fall eher mit einem Wertpapierdarlehen vergleichbar. Nach Ansicht des BFH sind der Kl die Aktien gem § 39 AO zurechenbar. Zwar hat das FG München zutreffend festgestellt, dass die laufenden Erträge wirtschaftlich aufgrund der Kompensationszahlungen weiterhin der Bank zustehen. Bei der Beurteilung der Innehabung der Gesellschafterrechte hat das FG München jedoch zu Unrecht ausschließlich auf die subjektive Absicht der Kl abgestellt. Im Rahmen einer objektiven Betrachtung wäre darauf abzustellen gewesen, ob der Kl die Ausübung der mit den Aktien verbundenen Stimmrechte und die Möglichkeit der Realisation einer Kursänderung rechtlich zustehen und tatsächlich möglich sind. Das ist nach Ansicht des BFH hier erfüllt. Denn es ergeben sich aus den Feststellungen des FG München keine rechtlichen oder faktischen Verfügungsbeschränkungen. Im Ergebnis folgt der BFH daher der Ansicht der Kl, nach der ihr die Aktien zuzurechnen seien und verweist das Verfahren an das FG München zur Prüfung des Gestaltungsmissbrauches zurück.

Conclusio

Auch nach der österr Rechtslage hängt die Zurechnung von Wirtschaftsgütern vom wirtschaftlichen Eigentum ab (§ 24 Abs 1 lit d BAO). Zwar fällt damit nicht notwendigerweise auch die Einkünftezurechnung zusammen (vgl genauer Beer/Krenn, Zum Übergang des wirtschaftlichen Eigentums an Kapitalgesellschaftsanteilen bei vereinbarten Doppeloptionen in M&A-Transaktionen – Wann und unter welchen Voraussetzungen geht das wirtschaftliche Eigentum an Kapitalanteilen bei wechselseitigen Kauf- und Verkaufsoptionen vom anbietenden Gesellschafter auf den Käufer über? ecolex 2024, 259 [260]). Bei Dividenden aus zentralverwahrten Aktien ist jedoch die Zurechnungsbestimmung des § 32 Abs 4 EStG maßgeblich, der mit dem AbgÄG 2023 neu eingeführt wurde (vgl dazu genauer Beer/Krenn, Einkünftezurechnung und KESt-Rückerstattung nach § 32 Abs 4 EStG, ecolex 2025, 227 [Teil I] und 300 [Teil II]). Nach § 32 Abs 4 Z 1 EStG setzt die „Zurechnung der Einkünfte […] wirtschaftliches Eigentum an den zugrundeliegenden Anteilen am Ende des Record-Tages voraus“, das ist „der erste Handelstag nach dem Tag, an dem die Anteile erstmals ohne Auszahlungsanspruch gehandelt werden.“ Es kommt hier also zu einem Gleichlauf zwischen wirtschaftlichem Eigentum und Einkünftezurechnung.

Die Kriterien, anhand derer das wirtschaftliche Eigentum bei Kapitalgesellschaftsanteilen geprüft wird, entsprechen einander in Österreich und Deutschland: Maßgeblich ist, wer die Gesellschafterrechte, also Gewinnbezugsrecht, Stimmrecht und Substanzverwertungsrecht ausüben kann (vgl genauer Krenn/Beer, ecolex 2024, 259 [265 f]). In der vorliegenden Entscheidung hatte sich der BFH damit auseinanderzusetzen, dass das Gewinnbezugsrecht beim Übertragenden verblieb, die anderen Gesellschafterrechte allerdings auf den Inhaber der Aktien übergingen und im Ergebnis die anderen Gesellschafterrechte als überwiegend bewertet. Es zeigt sich somit, dass Fragen des wirtschaftlichen Eigentums in besonderem Maße von den Gegebenheiten spezifischer Sachverhalte abhängen und es schwierig ist, allgemeingültige Aussagen zu treffen (vgl auch Meyer, BFH: Wirtschaftliches Eigentum an zur Sicherheit übereigneten Aktien, BB 2025, 943 [946] mVa Anzinger, Zur subjektiven Zurechnung von Aktien bei echten Pensions- und wechselseitigen Wertpapierleihgeschäften im Handels- und Steuerbilanzrecht und im System des Kapitalertragsteuerabzugs, StuW 2022, 194 [201 ff] mwN).

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 36760 vom 23.05.2025