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dEStG: § 11 Abs 1 S 1, § 20 Abs 1 Nr 1 S 1
öEStG: § 19 Abs 1, § 27 Abs 2 Z 1 lit a
OECD-MA 2017: Art 10
Abstract
Eine in Deutschland ansässige natürliche Person (im Folgenden Kl) ist alleiniger Geschäftsführer und Gesellschafter einer GmbH kroatischen Rechts (d.o.o.). Strittig ist die Höhe der an den Gesellschafter zugeflossenen Ausschüttungen: Das deutsche Finanzamt korrigierte im Nachhinein die Einkommensteuerfestsetzung mit der Begründung, dass die kroatische Gesellschaft weitere Ausschüttungen beschlossen habe, die dem Kl zwar nicht ausgezahlt, aber steuerlich zugeflossen seien. Der Kl wendete ein, die strittigen Einkünfte seien ihm nie zugeflossen. Der BFH wurde folglich mit der Frage befasst, wann Gewinnanteile aus ausländischen Kapitalgesellschaften dem Gesellschafter zuzurechnen sind.
BFH 14. 2. 2022, VIII R 32/19
Sachverhalt
Der Kl bezog in den Streitjahren 2006–2009 mehrere Gewinnausschüttungen aus einer GmbH kroatischen Rechts (d.o.o.). Nach erfolgter Außenprüfung erhöhte das FA die ursprünglichen Einkommensteuerfestsetzungen mit der Begründung, dem Kl seien – abseits der von ihm erklärten Dividenden – weitere von der kroatischen Gesellschaft beschlossene Ausschüttungen zugeflossen. Der Kl hielt dem entgegen, dass eine volle Ausschüttung nicht beschlossen worden sei. Die Übersetzung der gefassten kroatischen Gesellschafterbeschlüsse als Gewinnverwendungsbeschlüsse sei fehlerhaft. Er beantragte folglich die Einholung eines Sachverständigengutachtens. Nach Einholung eines entsprechenden Gutachtens zum kroatischen Gesellschaftsrecht und Vernehmung des Sachverständigen wies das Finanzgericht (im Folgenden FG) die Klage ab: Dem Kläger seien die Dividenden in den Streitjahren in der vom Finanzamt angesetzten Höhe zugeflossen, da die Ausschüttungen beschlossen worden seien. Dem Gutachten sei zu entnehmen, dass es im kroatischen Recht kein gesetzliches Auszahlungshindernis gegeben habe, welches den Kläger daran hätte hindern können, den Fälligkeitszeitpunkt des Auszahlungsanspruchs nach seinem Ermessen zu bestimmen. Überdies sei die Gesellschaft in allen Streitjahren zahlungsfähig gewesen. Gegen die Entscheidung erhob der Kl Revision. Es mangle an Gewinnverwendungsbeschlüssen, die eine sofortige Besteuerung auslösen hätten können; ebenso abwegig sei die Annahme der Zahlungsfähigkeit der Gesellschaft.
Entscheidung des BFH
Der BFH hält zunächst fest, dass nach § 20 Abs 1 Nr 1 S 1 und 2 dEStG zu den Einkünften aus Kapitalvermögen ua Gewinnanteile (Dividenden) aus Anteilen an GmbH gehören, wobei derartige Gesellschaftsanteile auch an ausländischen Kapitalgesellschaften gehalten werden können, wenn ihre Struktur im Wesentlichen einer nach dt Recht errichteten Kapitalgesellschaft entspricht. Das ist – so der BFH – bei einer kroatischen d.o.o. der Fall.
Auch für den Zeitpunkt des Zuflusses der streitigen Ausschüttungen sei dt Recht maßgeblich. Nach dem BFH hält die Würdigung des FG zum Zufluss der nicht ausbezahlten aber beschlossenen Ausschüttungen allerdings einer genaueren Überprüfung nicht stand: Einnahmen gelten nach § 11 Abs 1 S 1 dEStG innerhalb des Kalenderjahres bezogen, in dem sie dem Steuerpflichtigen zugeflossen sind, also in dem er wirtschaftlich über die Einnahmen verfügen kann. In der Regel ist der Zufluss einer Ausschüttung an beherrschende Gesellschafter bereits im Zeitpunkt der Beschlussfassung der Gewinnverwendung anzunehmen, weil der beherrschende Gesellschafter es regelmäßig in der Hand hat, sich die ihm von der Gesellschaft geschuldeten Beträge auszahlen zu lassen. Dies gilt nach dem BFH jedenfalls dann, wenn der Gewinnauszahlungsanspruch des Gesellschafters eindeutig, unbestritten und fällig ist und sich gegen eine zahlungsfähige Gesellschaft richtet (BFH 14. 2. 1984, VIII R 221/80, 17. 11. 1998, VIII R 24/98 und BFH 28. 9. 2021, VIII 25/19). Diese Rechtsgrundsätze finden gleichermaßen für von unbeschränkt Steuerpflichtigen bezogene Gewinnanteile von ausländischen Gesellschaften Anwendung.
Unverzichtbare Bedingung für den Zufluss ist im Inlands- wie im Auslandsfall aber, dass der Gesellschafter über diejenigen Gewinnanteile, deren Ausschüttung durch die Gesellschafterversammlung beschlossen wurde, wirtschaftlich verfügen kann. Die Bejahung des Zuflusses trotz fehlender tatsächlicher Auszahlung der Gewinnanteile ist daher nur dann gerechtfertigt, wenn und soweit keine rechtlichen oder tatsächlichen Hinderungsgründe bestehen, die eine wirtschaftliche Verfügungsmacht über die Gewinnanteile vereiteln. In Betracht kommen insoweit nicht nur Hindernisse des Gesellschaftsrechts oder allgemeinen Zivilrechts, sondern auch Hindernisse insolvenzrechtlicher, steuerrechtlicher oder bilanzrechtlicher Art. Der BFH stellt sohin fest, dass aus einem sofort fälligen Gewinnauszahlungsanspruch nicht zwingend abgeleitet werden kann, dass der beherrschende Gesellschafter bei Zahlungsfähigkeit der Gesellschaft unmittelbar die wirtschaftliche Verfügungsmacht erlangt, mag doch die Dispositionsmöglichkeit des Gesellschafters über die Auszahlung nach ausländischem Recht dennoch ausgeschlossen sein. Der BFH rügt sohin, dass das FG im Streitfall zu Unrecht allein aus der Fälligkeit der beschlossenen Ausschüttungsbeträge unmittelbar auf die Verfügungsmacht des Kl geschlossen hat, ohne zu prüfen, ob seiner Verfügungsmacht nach Maßgabe des kroatischen Rechts Hindernisse entgegenstanden. Der BFH befindet die Sache daher für nicht spruchreif und verweist die Rs zur neuerlichen Entscheidung an das FG.
Für den Fall, dass das FG im zweiten Rechtsgang befindet, dass dem Kläger die Ausschüttungsbeträge tatsächlich zugeflossen sind, hält der BFH fest, dass Art 10 DBA Deutschland-Kroatien einer inländischen Besteuerung weder dem Grunde nach noch in zeitlicher Hinsicht entgegenstünde. Nach dem BFH erfasst der Begriff „zahlt“ in Art 10 DBA Deutschland-Kroatien nämlich die Zuwendung jedes Vorteils, der nach Art 10 Abs 3 DBA Deutschland-Kroatien als Dividende zu qualifizieren ist.
Conclusio
Die Entscheidung des BFH ist aus mehrerlei Gesichtspunkten auch für den österr Rechtsanwender von Interesse. Zum einen kennt das öEStG mit § 19 Abs 1 und § 27 Abs 2 Z 1 lit a EStG 1988 inhaltsgleiche Rechtsgrundlagen betreffend die Besteuerung von bezogenen Gewinnanteilen und deren Zeitpunkt. Zum anderen nimmt der BFH auch zur zeitlichen Komponente von Gewinnausschüttungen im Abkommensrecht Stellung. Zunächst ist festzuhalten, dass das Judikat in engem Zusammenhang mit einer erst kürzlich entwickelten Rechtsprechungslinie des BFH steht, in der dieser davon ausgeht, dass Gewinnanteile nicht schon mit Gesellschafterbeschluss als zugeflossen gelten, sondern erst mit dem Gewinnverteilungsbeschluss der Gesellschaft (siehe BFH 28. 9. 2021, VIII R 25/19). Abweichend davon wird in der österr Verwaltungspraxis (siehe EStR 2000 Rz 4618) davon ausgegangen, dass beschlossene Gewinnausschüttungen immer auch als zugeflossen gelten. Lediglich wenn ex ante die Zahlungsunfähigkeit der ausschüttenden Gesellschaft feststeht, soll der Zufluss ausgeschlossen sein (ausf zu diesem Judikat und einem Vergleich zur Rechtlage in Ö, siehe Moldaschl/Pollak/Riedl, BFH-Update – Steuerrecht, ecolex 2022, 480).
Der BFH hat diese Rechtsprechungslinie nun auch für den Zufluss von Gewinnanteilen aus ausländischen Kapitalgesellschaften bestätigt und eine Klarstellung getroffen: Dem tatsächlichen Zufluss von nicht-ausgezahlten aber beschlossenen Ausschüttungen können rechtliche und tatsächliche Hindernisse, wie etwa zivil-, gesellschafts-, insolvenz-, steuer- oder bilanzrechtlicher Natur, im Sitzstaat der Gesellschaft entgegenstehen, die der nationalen Rechtsordnung unbekannt sind. Indes sprechen viele Gründe dafür, dass solche Hindernisse einem Zufluss auch nach österr Recht entgegenstehen könnten: Nach § 10 IPRG gilt für eine juristische Person das Recht des Staates, in dem sie den „tatsächlichen Sitz ihrer Hauptverwaltung hat“. Wenn die besagte ausländische Rechtsordnung ein Ausschüttungshindernis kennt, das die Dispositionsmöglichkeit des Gesellschafters über die beschlossene Ausschüttung vereitelt, wird auch nach österr Recht kein Zufluss angenommen werden können. Soweit ersichtlich, hat sich die österr Rsp zu dieser Problematik allerdings noch nicht geäußert.
Beachtlich ist auch die Aussage des BFH zum Besteuerungsrecht über eine solche beschlossene aber nicht ausgeschüttete Dividende: Der BFH stellt fest, dass Art 10 DBA Deutschland-Kroatien (dieser entspricht weitestgehend Art 10 OECD MA) – sofern nationales Recht vom Zufluss ausgeht – der Besteuerung durch den Ansässigkeitsstaat nicht entgegensteht. Dies ist nicht zu beanstanden: Art 10 Abs 1 DBA Deutschland-Kroatien gewährt dem Ansässigkeitsstaat des Gesellschafters ein unbeschränktes Besteuerungsrecht an Dividenden. An der Qualifikation als Dividende ändert übrigens auch der Verweis in nationales Recht des Quellenstaates nichts: Dieser gilt nämlich nur für „sonstige Einkünfte, die nach dem Recht des Staates, in dem die ausschüttende Gesellschaft ansässig ist, den Einkünften aus Aktien gleichgestellt sind“, nicht aber für Aktien oder Gründungsanteile die explizit in der Dividendendefinition aufgezählt werden und sohin autonom ausgelegt werden müssen. Der Aussage des BFH ist aber hinzuzufügen, dass Deutschland damit auch eine Anrechnungsverpflichtung der im Quellenstaat später erhobenen Quellensteuern trifft und zwar unabhängig davon, wann die Ausschüttung tatsächlich ausgezahlt und die Quellensteuer erhoben wird.