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DBA DE-RUS: Art 23 Abs 2 Buchst c
DBA DE-ROU: Art 23 Abs 2 Buchst c
dAStG: § 8 Abs 1 Nr 1–6, § 20 Abs 2
Abstract
Der BFH hatte zu beurteilen, ob russische und rumänische Betriebsstätteneinkünfte einer deutschen GmbH von der Besteuerung in Deutschland freizustellen oder die ausländische Steuer auf die deutsche KöSt anzurechnen ist. Aufgrund der in den jeweiligen DBA vorgesehenen Aktivitätsvorbehalte und einer Qualifikation der ausländischen Betriebsstätten als „ausländische Gesellschaften“ für Zwecke des § 8 Abs 1 Nr 5 Buchst a dAStG erklärte der BFH die Anrechnungs- und nicht die Freistellungsmethode für anwendbar.
BFH 3. 7. 2024, I R 4/21
Sachverhalt
Die deutsche X-GmbH (Rechtsvorgängerin der Kl und RevKl) war aufgrund von Consultingverträgen ua im Streitjahr 2004 in Russland und Rumänien tätig. An der X-GmbH waren A (70 %, später 95 %) und B (30 %, später 5 %) beteiligt. Konkret wurden ihr jeweils Geschäftsräume zur Verfügung gestellt oder selbst angemietet, in denen Personal der X-GmbH, darunter auch Mehrheitsgesellschafter A, beratend tätig wurde. Die X-GmbH erklärte iZm diesen Beratungsleistungen in Deutschland (D) Einkünfte aus ausl Betriebsstätten, die in D steuerfrei gewesen wären.
Im Zuge einer Außenprüfung im Jahr 2014 stellte das Finanzamt fest, dass die Anrechnungsmethode anzuwenden gewesen wäre und erließ einen geänderten KöSt-Bescheid für das Streitjahr 2004, wogegen die nunmehrige Kl Einspruch erhob. Im Einspruchsverfahren wurde zwar Einigung über die Höhe der Betriebsstätteneinkünfte erzielt, nicht aber über den anzuwendenden Methodenartikel zur Vermeidung der Doppelbesteuerung. Die in weiterer Folge erhobene Klage wies das Sächsische Finanzgericht ab (Urteil v 15. 12. 2020 – 1 K 1469/16=EFG 2021 S 1976 Nr 23). Aufgrund eingebrachter Revision der Kl hatte der BFH zu entscheiden.
Entscheidung des BFH
Der BFH stellt zunächst fest, dass nach Art 23 Abs 2 Buchst c DBA DE-RUS und DE-ROU Unternehmensgewinne iSd Art 7 der jeweiligen DBA nur dann von der Besteuerung in Deutschland ausgenommen sind, wenn die in Deutschland ansässige Person nachweist, dass die ausl Betriebsstätte ihre Bruttoerträge ausschließlich oder fast ausschließlich aus unter § 8 Abs 1 Nr 1–6 dAStG fallenden, somit aktiven, Tätigkeiten erzielt hat. Nach § 8 Abs 1 Nr 5 dAStG (in der 2004 geltenden als auch aktuellen Fassung) fallen zwar Dienstleistungen einer ausl Gesellschaft darunter, allerdings nicht solche Dienstleistungen, die ein Stpfl, der an dieser ausl Gesellschaft iSd § 7 dAStG beteiligt ist, an sie erbringt.
Als „ausländische Gesellschaft“ für Zwecke des § 8 Abs 1 Nr 1–6 AStG sind nach Ansicht des BFH auch ausl Betriebsstätten einer inl KapGes anzusehen. Denn die Aktivitätsvorbehalte der beiden im vorliegenden Fall einschlägigen DBA sind anwendbar auf Einkünfte einer Betriebsstätte, die eine in Deutschland ansässige Person im jeweils anderen Vertragsstaat unterhält. Umgekehrt ist § 8 Abs 1 Nr 1–6 AStG auf die Beteiligung an einer ausl Ges iSd § 7 Abs 1 AStG zugeschnitten. Da aber eine in D ansässige Person keine solche ausl Ges sein kann, ist der Verweis in § 8 Abs 1 Nr 1–6 AStG nicht auf die Tätigkeit einer ausl Ges zu beschränken, sondern auf die ausl Betriebsstätte zu übertragen. Im vorliegenden Fall sind nach Ansicht des BFH die Aktivitätsvorbehalte der jeweiligen DBA erfüllt. Da der Mehrheitsgesellschafter A in den jeweiligen Betriebsstätten mitgewirkt hat, liegen passive Tätigkeiten iSd § 8 Abs 1 Nr 5 Buchst a dAStG vor.
In der Lit wird bisweilen die Ansicht vertreten, dass die Aktivitätsvorbehalte in den DBA nur auf die in § 8 Abs 1 Nr 1–6 AStG genannten Grundtätigkeiten – etwa allgemein Dienstleistungen – abstellen (vgl die Nachweise in Rz 21 des Urteils). Dieser Ansicht schließt sich der BFH jedoch vorliegend nicht an. Denn sie ist nach Erachten des BFH mit dem Wortlaut der Aktivitätsvorbehalte nicht vereinbar. Indem sich die Aktivitätsvorbehalte ausdrücklich auf die unter § 8 Abs 1 Nr 1–6 AStG „fallenden Tätigkeiten“ beziehen, wird deutlich, dass nur diejenigen Tätigkeiten gemeint sind, die auch nach Berücksichtigung der in der leg cit vorgesehenen Einschränkungen und der Umstände des Einzelfalls zu den aktiven Tätigkeiten gehören. Eine teleologische Reduktion auf die Grundtätigkeiten kommt auch nicht unter Bedachtnahme auf § 20 Abs 2 Satz 2 AStG nF, die unilaterale „Switch-Over“-Klausel, die eine Ausnahme für die hier vorliegenden passiven Tätigkeiten in § 8 Abs 1 Nr 5 Buchst a dAStG vorsieht, in Betracht. Der Umfang der erfassten Einkünfte erstreckt nach Ansicht des BFH infolge des offenen Wortlauts der Aktivitätsvorbehalte die Anrechnungsmethode auf sämtliche Betriebsstätteneinkünfte.
Abschließend stellt der BFH fest, dass § 20 Abs 2 Satz 2 AStG bzw § 20 Abs 2 dAStG, der eine Rückausnahme und daraus resultierend den Verbleib in der Freistellungsmethode bei Tätigkeiten iSd § 8 Abs 1 Nr 5 Buchst a dAStG vorsieht, nicht anwendbar ist. Diese Rückausnahme ist nämlich nur für die Fälle der innerstaatlichen „Switch-Over“-Klausel anwendbar, welche aber die abkommensrechtliche Anwendung der Freistellungsmethode voraussetzt. Infolge der Aktivitätsvorbehalte ist aber bereits abkommensrechtlich die Anrechnungsmethode anwendbar. Im Ergebnis weist der BFH daher die Revision als unbegründet zurück.
Conclusio
Die im vorliegenden Fall behandelten Aktivitätsvorbehalte funktionieren so, dass sie für die Anwendung der Befreiungsmethode „den Nachweis [voraussetzen], dass bestimmte Bruttoerträge oder Einkünfte […] ausschließlich oder fast ausschließlich aus aktiven Tätigkeiten stammen“ (Schönfeld/Häck in Schönfeld/Ditz, DBA2 [2019] Art 23A/B Rz 87). Sie finden sich in zahlreichen deutschen DBA (vgl die Nachweise bei Ismer in Vogel/Lehner, OECD-MA 20177 [2021] Art 23A Rz 67a ff). Tatsächlich ist gerade das DBA DE-AUT das einzige der jüngeren deutschen Abkommen, das keinen Aktivitätsvorbehalt beinhaltet (Ismer in Vogel/Lehner, OECD-MA 20177 [2021] Art 23A Rz 67a).
Dabei entspricht es seit 1996 der deutschen DBA-Verhandlungspolitik, wie bei den vorliegend einschlägigen DBA, für den Begriff „aktive Tätigkeiten“ auf § 8 Abs 1 Nr 1–6 dAStG zu verweisen. Zuvor enthielten die DBA selbst eine Definition der „aktiven Tätigkeiten“ im Methodenartikel der jeweiligen DBA (Ismer in Vogel/Lehner, OECD-MA 20177 [2021] Art 23A Rz 68 f). Diese Änderung hat zwar im Allgemeinen ein weiteres Verständnis der „aktiven Tätigkeiten“ zur Folge; hier liegt aber insofern der in der Lit bereits festgestellte Sonderfall vor, als im dAStG eine im Gesellschafterverhältnis erbrachte Leistung (hier: Beratungsdienstleistung) als keine „aktive Tätigkeit“ eingeordnet wird, die sie aber nach den abkommensrechtlichen Definitionen eigentlich wäre (Ismer in Vogel/Lehner, OECD-MA 20177 [2021] Art 23A Rz 70). Der BFH klärt dabei in der vorliegenden Entscheidung, dass auch eine ausl Betriebsstätte einer inl KapGes eine „ausländische Gesellschaft“ für Zwecke des § 8 Abs 1 Nr 1–6 dAStG sein kann. Dabei erteilt er der in der Lit vorgebrachten Ansicht, es komme für Zwecke der abkommensrechtlichen Aktivitätsvorbehalte ausschließlich auf die Grundtätigkeiten des § 8 Abs 1 Nr 1–6 dAStG an, eine deutliche Absage (vgl Rz 21 ff mwN).