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BFH zur Unionsrechtmäßigkeit der Fondsbesteuerung nach dem InvStG 2004

Bearbeiter: Eric Coenen

dInvStG 2004: § 11 Abs 1 Satz 2

dKStG: §§ 1 Abs 1 Nr 5, 2 Nr 1, 3 Abs 1

Abstract

Nachdem der BFH Zweifel an der Vereinbarkeit des § 11 Abs 1 Satz 2 InvStG 2004 mit der Kapitalverkehrsfreiheit hegte, leitete er am 18. 12. 2019 ein Vorabentscheidungsverfahren ein. Die Bestimmung sah eine Befreiung von der Körperschaft- und Gewerbesteuer nur für inländische Fonds vor, weshalb einem luxemburgischen Fonds die Befreiung vom Finanzamt verwehrt worden ist. Der EuGH (27. 4. 2023, C-537/20, L Fund) erkannte eine Beschränkung der Kapitalverkehrsfreiheit, die nicht zu rechtfertigen ist. In der nun ergangenen Folgeentscheidung des BFH gewährte dieser die Steuerbefreiung für den luxemburgischen Fonds mittels geltungserhaltender Reduktion des nationalen Rechts.

BFH 11. 10. 2023, I R 23/23 (I R 33/17)

Sachverhalt

Der Kläger ist ein nach luxemburgischem Recht errichteter Fonds für gemeinsame Anlagen (fonds commun de placement) in der Ausgestaltung eines spezialisierten Anlagefonds (fonds d'investissement spécialisé). Der Fonds ist als geschlossener Fonds mit zwei institutionellen Anlegern ausgestaltet. Weder der Fonds noch die zwei Anleger haben den Sitz oder die Geschäftsleitung in Deutschland. Die Verwaltung erfolgt durch eine Managementgesellschaft mit Sitz in Luxemburg. Diese erzielte auf Rechnung des Fonds Einkünfte aus Vermietung und Veräußerung von Immobilien. Der Fonds reichte im Juli 2013 Körperschaftsteuererklärungen ein und bestritt darin, dass er in Deutschland körperschaftsteuerpflichtig sei. Das FA hingegen ging von dessen beschränkter Körperschaftsteuerpflicht aus und setzte Körperschaftsteuer iHv null fest. Das FG Münster (20. 4. 2017, 10 K 3059/14 K) bestätigte die Entscheidung des FA. Als sich der BFH in der Revision mit der Sache auseinandersetzte, setzte er das Verfahren aus und legte dem EuGH ein Vorabentscheidungsersuchen vor (EuGH 27. 4. 2023, C-537/20, L Fund; dazu auch Coenen, Rechtsnews 34277, 17. 7. 2023), weil er Zweifel an der Vereinbarkeit des § 11 Abs 1 Satz 2 InvStG 2004 mit der Kapitalverkehrsfreiheit hegte, wonach nur inländischen Fonds eine Befreiung von der Körperschaft- und Gewerbesteuer zustehe. Der EuGH sah darin einen Verstoß gegen die Kapitalverkehrsfreiheit.

Entscheidung des BFH

Der BFH hatte sich in der Folgeentscheidung mit zwei Rechtsfragen auseinanderzusetzen: Einerseits hatte er zu klären, ob der luxemburgische Fonds der beschränkten Steuerpflicht in Deutschland unterliegt. Andererseits hatte er über die (Un-)Vereinbarkeit des § 11 Abs 1 Satz 2 InvStG 2004 mit der Kapitalverkehrsfreiheit zu entscheiden.

Zur innerstaatlichen beschränkten Steuerpflicht des luxemburgischen Fonds

Fraglich war, ob der Fonds als Zweckvermögen iSd § 1 Abs 1 Nr 5 dKStG anzusehen und damit beschränkt körperschaftsteuerpflichtig in Deutschland ist. Ausländische Gebilde unterliegen der innerstaatlichen Körperschaftsteuerpflicht, wenn sie mit einem deutschen Körperschaftsteuersubjekt vergleichbar sind (Typenvergleich). Für die Beurteilung der Zweckvermögenseigenschaft des ausländischen Fonds kommt es nach Ansicht des BFH nur darauf an, ob die zum Sondervermögen gehörenden Vermögensgegenstände im wirtschaftlichen Eigentum der Anleger stehen. Sollte dies der Fall sein, könnte dies der Zweckvermögenseigenschaft des Fonds entgegenstehen. Im vorliegenden Fall besitzen die Anleger allerdings keine Verfügungsberechtigung über die Vermögensgegenstände. Von wirtschaftlichem Eigentum der Anleger an den Vermögensgegenständen war somit nicht auszugehen. Daher ist der luxemburgische Fonds einem inländischen Fonds vergleichbar und unterliegt als sonstiges Zweckvermögen mit seinen Einkünften nach § 2 Nr 1 dKStG der Körperschaftsteuerpflicht gem § 1 Abs 1 Nr 5 dKStG. Auch dem Vorbringen des Klägers, § 3 Abs 1 dKStG schließe die Körperschaftsteuerpflicht aus, kann nicht gefolgt werden, weil diese subsidiäre Bestimmung nicht die Körperschaftsteuerpflicht nach § 1 Abs 1 Nr 5 KStG ausschließen kann.

Zur Unionsrechtswidrigkeit des § 11 Abs 1 Satz 2 InvStG 2004

Dem Kläger ist aus unionsrechtlichen Gründen die Steuerbefreiung gem § 11 Abs 1 Satz 2 InvStG 2004 trotz entgegenstehendem Wortlaut zu gewähren. Damit kein Verstoß gegen die Kapitalverkehrsfreiheit vorliegt, muss daher eine geltungserhaltende Reduktion vorgenommen und das Tatbestandsmerkmal „inländisch“ in § 11 Abs 1 Satz 1 iVm Satz 2 InvStG 2004 außer Acht gelassen werden, so der BFH. Dem Vorbringen des BMF, wonach eine Beschränkung des Kapitalverkehrs nicht vorliege, folgte der BFH nicht: Das BMF brachte vor, dass durch die nationalen Bestimmungen des InvStG bloß eine Einmalbelastung mit Ertragsteuer gesichert werden und damit nur eine formale Ungleichbehandlung bestehe: Im Falle eines ausländischen Fonds wird die Einmalbelastung durch Besteuerung der inländischen Einkünfte auf Ebene des ausländischen Spezialimmobilienfonds gem § 11 Abs 1 Satz 2 InvStG sichergestellt. Bei einem vergleichbaren inländischen Spezialimmobilienfonds erfolgt die Einmalbelastung hingegen gem § 15 Abs 2 Satz 2 InvStG 2004 durch die Besteuerung der Anleger (so bereits der BFH in seinem Vorlagebeschluss, siehe BFH 18. 12. 2019, I R 33/17). Dem konnte der BFH jedoch nicht folgen, weil der EuGH in seinem Urteil bereits ausführte, dass eine solche Befreiungsbestimmung im nationalen Recht eine grundsätzlich verbotene Beschränkung der Kapitalverkehrsfreiheit darstellt (EuGH 27. 4. 2023, C-537/20, L Fund, Rz 54). Daher hatte der BFH zu entscheiden, dass auch der luxemburgische Fonds der Befreiung von der Körperschaft- und Gewerbesteuer des § 11 Abs 1 Satz 2 InvStG 2004 unterliegt.

Conclusio

In der Literatur war umstritten, ob die nationale Bestimmung des § 11 Abs 1 Satz 2 InvStG unionsrechtskonform war (für die Unionsrechtswidrigkeit etwa Englisch in Berger/Steck/Lübbehüsen, Investmentgesetz (2010) § 11 Rz 27; differenzierter zur möglichen Unionsrechtskonformität der Bestimmung siehe Bannes/Holle, FR 2016, 661). Der BFH musste im vorliegenden Fall der Beurteilung des EuGH folgen, weil er an die eingeholte Vorabentscheidung des EuGH gebunden ist (siehe EuGH 6. 10. 1982, C-283/81, SRL C.I.L.F.I.T./Ministero della Sanità). In seinem Vorlagebeschluss brachte der BFH (BFH 18. 12. 2019, I R 33/17) zwar einige Zweifel an einer möglichen Unionsrechtswidrigkeit des § 11 Abs 1 Satz 2 InvStG vor: So war für ihn etwa eine Beschränkung des Kapitalverkehrs nicht zweifelsfrei feststellbar (Rz 53 ff). Zudem war fraglich, ob überhaupt eine Ungleichbehandlung vorliege, die objektiv miteinander vergleichbare Situationen betreffe (Rz 57 ff). Abschließend sah der BFH auch Zweifel darin, ob nicht etwa zwingende Gründe des Allgemeininteresses die nationale Regelung, wonach nur inländische Fonds der Befreiung unterliegen, rechtfertigen könne. Da der EuGH allerdings einen Verstoß gegen die Kapitalverkehrsfreiheit feststellte, musste der BFH nun die Befreiung von der Körperschaft- und Gewerbesteuer auf den luxemburgischen Fonds ausdehnen, indem er eine geltungserhaltende Reduktion des § 11 Abs 1 Satz 2 InvStG 2004 vornahm und das Wort „inländisch“ außer Acht ließ.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 35193 vom 15.03.2024