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BVerfG: Zur Buchwertfortführung bei der Übertragung von Wirtschaftsgütern zwischen beteiligungsidentischen Schwesterpersonengesellschaften

Bearbeiter: Benjamin Beer

dEStG: § 6 Abs 5 Satz 3 idF UntStFG

öEStG 1988: § 32 Abs 3

GG: Art 3

B-VG: Art 7

Abstract

Das BVerfG hatte zu beurteilen, ob § 6 Abs 5 Satz 3 dEStG einer verfassungskonformen Auslegung zugänglich ist und die steuerneutrale Übertragung von Wirtschaftsgütern zwischen beteiligungsidentischen Schwesterpersonengesellschaften zulässt. Nach Ansicht des BVerfG ist eine solche verfassungskonforme Auslegung der Bestimmung nicht möglich. § 6 Abs 5 Satz 3 dEStG verstößt daher gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art 3 Abs 1 GG, weil er diese Übertragungen gegenüber den im Gesetz als begünstigt angeführten Übertragungen benachteiligt.

BVerfG 28. 11. 2023, 2 BvL 8/13

Sachverhalt

Die F1-KG veräußerte 2001 zwei Grundstücke an eine Schwesterpersonengesellschaft (F2-KG) zu einem Kaufpreis in Höhe des Buchwertes. An beiden waren die identen Personen in identem Ausmaß beteiligt. Diesen Grundstücksverkauf behandelte die F1-KG als steuerneutral. Nach Ansicht des FA führte der Verkauf jedoch zu einer Aufdeckung der stillen Reserven der Grundstücke.

Dementsprechend erließ das FA einen Gewinnfeststellungsbescheid für 2001 und setzte einen Gewerbesteuermessbetrag für 2001 fest. Nach erfolglosem Einspruch wandte sich die F1-KG an das FG-Baden-Württemberg, welches der Klage stattgab. Das FA erhob daraufhin Revision an den BFH, welcher das Verfahren aussetzte und dem BVerfG im Rahmen eines konkreten Normenkontrollverfahrens die Frage stellte, ob § 6 Abs 5 Satz 3 dEStG einen Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art 3 Abs 1 GG darstellt, soweit durch diese Bestimmung eine Übertragung von Wirtschaftsgütern zwischen beteiligungsidentischen Personengesellschaften zum Buchwert ausgeschlossen ist.

Entscheidung des BVerfG

Das BVerfG prüft die Verfassungsmäßigkeit in zwei Schritten: In einem ersten Schritt ermittelt das BVerfG den normativen Inhalt des § 6 Abs 5 dEStG. In einem zweiten Schritt prüft das BVerfG den festgestellten Inhalt am Maßstab des allgemeinen Gleichheitssatzes des Art 3 Abs 1 GG.

§ 6 Abs 5 dEStG ermöglicht die steuerneutrale Überführung von Wirtschaftsgütern zwischen verschiedenen Betriebsvermögen desselben Steuerpflichtigen (§ 6 Abs 5 Satz 1 und 2 dEStG), die steuerneutrale Übertragung von Wirtschaftsgütern innerhalb derselben Mitunternehmerschaft (§ 6 Abs 5 Satz 3 Z 2 Var 1, Z 3 dEStG) und die steuerneutrale Übertragung von Wirtschaftsgütern zwischen zwei über ihre (Mit-)Unternehmer verbundenen Betrieben oder Mitunternehmerschaften (§ 6 Abs 5 Satz 3 Z 1, Z 2 Var 2 dEStG). Die Bestimmung kann nicht so ausgelegt werden, dass ein steuerneutraler Transfer von Wirtschaftsgütern zwischen beteiligungsidentischen Personengesellschaften zulässig ist. Insbesondere kann dieser nicht unter das Tatbestandsmerkmal der Überführung iSd § 6 Abs 5 Satz 1 und Satz 2 EStG subsumiert werden. Eine solche kennzeichnet sich nämlich dadurch, dass es nicht zu einem zivilrechtlichen Rechtsträgerwechsel in Form eines Eigentumsübergangs kommt. Kommt es, wie im Fall eines Transfers von Wirtschaftsgütern zwischen (beteiligungsidentischen) Personengesellschaften, zu einem solchen Rechtsträgerwechsel, liegt eine Übertragung iSd § 6 Abs 5 Satz 3 dEStG vor. Auch dieser Tatbestand kann jedoch nicht so ausgelegt werden, dass er eine steuerneutrale Übertragung von Wirtschaftsgütern zwischen beteiligungsidentischen Personengesellschaften zulässt. Weder der Wortlaut noch die Entstehungsgeschichte des § 6 Abs 5 dEStG lassen eine solche Interpretation zu. Im Gesetzgebungsverfahren zum UntStFG wurde nämlich die Einführung einer Regelung für die Übertragung von Wirtschaftsgütern zwischen beteiligungsidentischen Personengesellschaften diskutiert aber schließlich verworfen. Insofern liegt auch keine planwidrige Regelungslücke vor, die eine analoge Anwendung des § 6 Abs 5 EStG auf den Fall der Übertragung von Wirtschaftsgütern zwischen beteiligungsidentischen Personengesellschaften gestatten würde.

In einem nächsten Schritt stellt sich daher die Frage, ob dieser festgestellte Norminhalt mit dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art 3 Abs 1 GG vereinbar ist. Unzulässig ist nach diesem ein Begünstigungsausschluss, wonach ein Personenkreis aus nicht sachgerechten Gründen von einer Begünstigung ausgeschlossen wird, ein anderer allerdings nicht. Im Steuerrecht ist der Gesetzgeber insbesondere an den Grundsatz der Steuergerechtigkeit (Rz 143) und an das Leistungsfähigkeitsprinzip gebunden, wonach Steuerpflichtige bei gleicher Leistungsfähigkeit gleich zu besteuern sind. Die Tatsache, dass nach § 6 Abs 5 Satz 3 dEStG eine Buchwertfortführung beim Übertrag von Wirtschaftsgütern zwischen beteiligungsidentischen Personengesellschaften nicht zulässig ist, bei Wirtschaftsguttransfers innerhalb derselben Mitunternehmerschaft oder zwischen zwei über ihre (Mit)Unternehmer miteinander verbundenen Betrieben oder Mitunternehmerschaften aber schon, ist rechtfertigungsbedürftig. Die bestehenden Ausweichsoptionen (etwa die Kettenübertragung, also eine Kombination der begünstigten Übertragungen nach § 6 Abs 5 Satz 3 dEStG) wären regelmäßig als Gesamtplan iSd BFH-Rsp und daher als missbräuchlich iSd § 42 AO (§ 22 BAO) anzusehen und daher wie eine steuerwirksame Direktübertragung zu behandeln, weswegen sie die Ungleichbehandlung nicht rechtfertigen können. Außerdem führt die Übertragung von Wirtschaftsgütern zwischen beteiligungsidentischen Personengesellschaften zu keiner gesteigerten Leistungsfähigkeit, die eine Besteuerung rechtfertigen könnte. Eine Rechtfertigung kommt auch nicht durch die Verhinderung eines Missbrauchs in Betracht. Die Übertragung von Wirtschaftsgütern zwischen beteiligungsidentischen Personengesellschaften verfolgt im Regelfall unternehmerisch legitime Ziele der Umstrukturierung und nur in atypischen Fällen das Ziel der missbräuchlichen Steuervermeidung.

Im Ergebnis kann § 6 Abs 5 dEStG aufgrund seines klaren Wortlautes nicht verfassungskonform ausgelegt und aufgrund der fehlenden panwidrigen Regelungslücke nicht analog angewendet werden. Mit dem bestehenden Inhalt verstößt § 6 Abs 5 Satz 3 dEStG mangels sachlicher Rechtfertigung gegen den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz des Art 3 Abs 1 GG.

Conclusio

Mit § 32 Abs 3 öEStG kennt die österreichische Rechtsordnung eine Bestimmung, die „die steuerlichen Folgen einer Übertragung von Wirtschaftsgütern aus dem Privatvermögen eines Steuerpflichtigen in das Gesellschaftsvermögen einer Personengesellschaft“ (ErläutRV 2086 BlgNR XXVII. GP 9) regelt. Hiernach soll die Übertragung von Wirtschaftsgütern aus dem Privatvermögen oder dem Sonderbetriebsvermögen des Steuerpflichtigen im Ausmaß der Fremdquote zu einer Veräußerung und im Ausmaß der Eigenquote zu einer Einlage iSd § 6 Z 5 öEStG führen (vgl genauer ErläutRV 2086 BlgNR XXVII. GP 10). Hierdurch wird die bisherige Verwaltungspraxis ausdrücklich gesetzlich geregelt (vgl ErläutRV 2086 BlgNR XXVII. GP 9). Vergleichbare Begünstigungen zu § 6 Abs 5 dEStG sind jedoch nicht vorgesehen.

Zentral in der Argumentation des BVerfG ist die Bindung des Steuergesetzgebers an die Rechtsfigur der Steuergerechtigkeit, wonach „die Besteuerung an der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit auszurichten“ (Rz 143) ist. Es handelt sich somit um einen Ausfluss des Leistungsfähigkeitsprinzips. Aus österreichischer Perspektive erscheint das insofern bemerkenswert, als dass das Leistungsfähigkeitsprinzip zwar auch der österreichischen Rechtsordnung bekannt ist, allerdings wohl keinen vergleichbar hohen Stellenwert wie in Deutschland aufweist (vgl etwa VfGH 9. 12. 2014, G 136/2014 ua, der dem Gesetzgeber einen relativ weiten rechtspolitischen Gestaltungsspielraum bei Eingriffen in das objektive Nettoprinzip einräumt).

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 35502 vom 04.06.2024