News

COVID-19: Befreiung von der Einfuhrumsatzsteuer

Bearbeiter: Stefan Melhardt

Im Zusammenhang mit der COVID-19-Krise sind unter bestimmten Voraussetzungen Güter, die zugunsten von Katastrophenopfern eingeführt werden, von der Einfuhrumsatzsteuer und den Eingangsabgaben befreit. Dabei handelt es sich bspw um Schutzmasken, Schutzkleidung und Desinfektionsmittel.

Dieser Beitrag von Dr. Stefan Melhardt (BMF) erscheint auch in der Ausgabe 8/2020 der Zeitschrift ÖStZ.

1. Rechtsgrundlage

Titel VIII Kap 4 (Art 51–57) der RL 2009/132/EG1 regelt die Vorgangsweise betreffend die Befreiung von der Einfuhrumsatzsteuer bei zugunsten von Katastrophenopfern eingeführten Gegenständen. Eine korrespondierende Regelung gibt es für den Zoll (Kap XVII Abschnitt C der VO [EG] 1186/2009).2

Von der Steuer befreit gem Art 51 der RL 2009/132/EG sind im Wesentlichen Gegenstände, die von staatlichen oder anderen, von den zuständigen Behörden anerkannten Organisationen der Wohlfahrtspflege eingeführt werden, um

a)unentgeltlich an die Opfer von Katastrophen verteilt zu werden, die das Gebiet eines oder mehrerer Mitgliedstaaten berühren, oder
b)den Opfern solcher Katastrophen unentgeltlich zur Verfügung gestellt zu werden, dabei jedoch Eigentum der betreffenden Organisationen bleiben.

Die Steuerbefreiung gilt unter den gleichen Bedingungen auch für Gegenstände, die von den Hilfseinheiten zur Deckung ihres Bedarfs während der Hilfsaktion eingeführt werden.

Die Steuerbefreiung kann allerdings nur aufgrund einer Entscheidung der Europäischen Kommission gewährt werden, die auf Antrag des oder der betroffenen Mitgliedstaaten im Rahmen eines Dringlichkeitsverfahrens nach Anhörung der anderen Mitgliedstaaten erlassen wird (Art 53 der RL 2009/132/EG).

2. Beschluss der Europäischen Kommission vom 3. 4. 20203

Zur Bekämpfung der Auswirkungen des COVID-19-Ausbruchs haben Italien am 19. 3. 2020, Frankreich am 21. 3. 2020, Deutschland und Spanien am 23. 3. 2020, Österreich, Zypern, die Tschechische Republik, Estland, Griechenland, Kroatien, Litauen, die Niederlande, Polen, Portugal und Slowenien am 24. 3. 2020, Belgien, Bulgarien, Dänemark, Finnland, Ungarn, Irland, Luxemburg, Lettland, Rumänien, die Slowakei und das Vereinigte Königreich am 25. 3. 2020, Schweden und Malta am 26. 3. 2020 einen solchen Antrag gestellt und um Befreiung von den Eingangsabgaben und der Mehrwertsteuer ersucht.

Die Europäische Kommission hat mit Beschluss vom 3. 4. 2020 festgestellt, dass die COVID-19-Pandemie und die dadurch verursachten extremen Herausforderungen eine Katastrophe iSv Kap XVII Abschnitt C der VO (EG) 1186/2009 und Titel VIII Kap 4 der RL 2009/132/EG darstellen und es daher zweckmäßig ist, diejenigen Waren, die für die in Art 74 der VO (EG) 1186/2009 beschriebenen Zwecke eingeführt werden, von den Eingangsabgaben und diejenigen Gegenstände, die für die in Art 51 der RL 2009/132/EG beschriebenen Zwecke eingeführt werden, von der Mehrwertsteuer zu befreien.

Voraussetzung gem Art 1 Abs 1 lit c des Beschlusses ist zunächst, dass die Gegenstände von oder im Auftrag von staatlichen Organisationen wie staatlichen Stellen, öffentlichen Stellen und sonstigen, dem öffentlichen Recht unterliegenden Stellen oder von bzw im Auftrag von Organisationen eingeführt werden, die von den zuständigen Behörden in den Mitgliedstaaten anerkannt wurden.

Des Weiteren ist gem Art 1 Abs 1 lit a des Beschlusses Voraussetzung für die Befreiung von den Eingangsabgaben und der Einfuhrumsatzsteuer, dass die Gegenstände für einen der folgenden Verwendungszwecke bestimmt sind:

-Sie werden im Anschluss an die Einfuhr kostenlos an Personen verteilt, die an COVID-19 erkrankt, davon bedroht oder an der Bekämpfung des Ausbruchs beteiligt sind;
-sie werden kostenlos Personen zur Verfügung gestellt, die an COVID-19 erkrankt, davon bedroht oder an der Bekämpfung des Ausbruchs beteiligt sind, wobei die Gegenstände Eigentum der einführenden Organisationen bleiben.

Die Kommission hat als Leitlinie für die Mitgliedstaaten zudem eine indikative Liste erstellt, welche Gegenstände unter die Zoll- bzw Einfuhrumsatzsteuerbefreiung im Sinne des Beschlusses fallen können.4 Diese umfangreiche Liste beinhaltet zB Schutzmasken (Textilschutzmasken, Papierschutzmasken, FFP2- und FFP3-Schutzmasken), Schutzkleidung, Schutzhandschuhe, Gesichtsschilder, Desinfektionsmittel und vieles mehr.

Weitere Voraussetzung für die Befreiung von den Eingangsabgaben und der Einfuhrumsatzsteuer ist, dass die Gegenstände die Anforderungen der Art 75, 78, 79 und 80 der VO (EG) 1186/2009 und der Art 52, 55, 56 und 57 der RL 2009/132/EG erfüllen müssen. Ausgeschlossen sind demnach bspw Material und Ausrüstungen, die für den Wiederaufbau in Katastrophengebieten bestimmt sind. Auch für den Verleih, die Vermietung und die Veräußerung der Gegenstände gibt es spezielle Regelungen.

Ebenfalls von den Eingangsabgaben und der Einfuhrumsatzsteuer befreit sind Gegenstände, die von Hilfsorganisationen zur Deckung ihres Bedarfs während Hilfsaktionen für Personen, die an COVID-19 erkrankt, davon bedroht oder an der Bekämpfung des Ausbruchs beteiligt sind, eingeführt werden.

3. Informationspflichten der Mitgliedstaaten

Gem Art 2 des Beschlusses müssen die Mitgliedstaaten der Kommission bis spätestens 30. 11. 2020 folgende Informationen übermitteln:

a)Eine Liste der von den zuständigen Behörden in den Mitgliedstaaten anerkannten Organisationen;
b)Informationen über die Art und Menge der einzelnen Waren, die von den Eingangsabgaben und der Mehrwertsteuer befreit wurden;
c)Maßnahmen, die zur Einhaltung der Art 78, 79 und 80 der VO (EG) 1186/2009 und der Art 55, 56 und 57 der RL 2009/132/EG getroffen wurden.

4. Dauer der Maßnahme

Der Beschluss gilt für Einfuhren, die zwischen dem 30. 1. 2020 und dem 31. 7. 2020 getätigt werden (Art 3 des Beschlusses). Vor Ablauf dieser Frist wird die Lage überprüft. Gegebenenfalls kann dieser Zeitraum in Absprache mit den Mitgliedstaaten verlängert werden.5

1

RL des Rates vom 19. 10. 2009 zur Festlegung des Anwendungsbereichs von Artikel 143 Buchstaben b und c der RL 2006/112/EG hinsichtlich der Mehrwertsteuerbefreiung bestimmter endgültiger Einfuhren von Gegenständen (2009/132/EG).


2

VO (EG) 1186/2009 des Rates vom 16. 11. 2009 über das gemeinschaftliche System der Zollbefreiungen.


3

Beschluss der Kommission vom 3. 4. 2020 über die Befreiung von Gegenständen, die zur Bekämpfung der Auswirkungen des COVID-19-Ausbruchs im Jahr 2020 benötigt werden (C[2020]2146).



5

ErwGr 5 des Beschlusses der Kommission vom 3. 4. 2020 über die Befreiung von Gegenständen, die zur Bekämpfung der Auswirkungen des COVID-19-Ausbruchs im Jahr 2020 benötigt werden (C[2020]2146).


Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 29012 vom 05.05.2020