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RL-VEVO: Pkt 4.5.1, Pkt 4.5.2
Gem Pkt 4.5.1 RL-VEVO (Richtlinien im Anhang zur Verordnung über die Gewährung eines Verlustersatzes durch die COVID-19 Finanzierungsagentur des Bundes GmbH [COFAG]; BGBl II 2020/568 idF BGBl II 2021/75) können „Unternehmen, die vor dem 1. 11. 2020 bereits Umsätze gemäß Punkt 4.4.1 (Waren- und/oder Leistungserlöse) erzielt haben, für die aber keine vergleichbaren umsatz- oder ertragsteuerlichen Daten für das Jahr 2019 vorliegen“, die Umsatzausfälle anhand einer Planungsrechnung plausibilisieren und auf dieser Grundlage einen Verlustersatz beantragen. Der Unternehmensbegriff in Pkt 4.5.1 RL-VEVO ist im Zusammenhalt mit der Überschrift dieses Punktes zu lesen („Neugründungen, Erwerbe von (Teil-)Betrieben oder Mitunternehmeranteilen und Umgründungen“). Bei systematisch logischer Betrachtung des gesamten Pkt 4.5 RL-VEVO nimmt daher Pkt 4.5.1 auf Neugründungen Bezug und Pkt 4.5.2 auf Erwerbe von (Teil-)Betrieben oder Mitunternehmeranteilen und Umgründungen.
Sofern nicht der Ausschlusstatbestand des Pkt 3.2.6 RL-VEVO greift („neu gegründete Unternehmen, die vor dem 1. 11. 2020 noch keine Umsätze [...] erzielt haben“), liegt eine Neugründung iSd Pkt 4.5.1 RL-VEVO jedenfalls bei Unternehmen vor, die nach dem Vergleichszeitraum (2019) gegründet wurden (Neugründung ieS).
Pkt 4.5 RL-VEVO nimmt auf das Fehlen „vergleichbarer“ umsatz- oder ertragssteuerlicher Daten für das Jahr 2019 bei neu gegründeten Unternehmen Bezug. Damit wird weniger ein zeitlicher, sondern ein inhaltlicher (kausaler) Zusammenhang zwischen dem Unternehmensgründungsvorgang und dem Fehlen vergleichbarer umsatz- oder ertragssteuerlicher Daten für das Jahr 2019 hergestellt. Auch die Bekl (COFAG) räumt ein, dass Pkt 4.5.1 RL-VEVO jene Unternehmen (mit-)erfasst, die im Vergleichszeitraum oder davor gegründet wurden, die aber im Vergleichszeitraum aufgrund der Gründungsphase („Anlaufphase“) noch keine oder (quantitativ) nicht vergleichbare Umsätze erzielt haben (Neugründungen iwS). Auch diese können gleichermaßen von einem covid-bedingten Umsatzausfall im Betrachtungszeitraum betroffen sein und – ähnlich wie Neugründungen im engeren Sinn – vor dem Problem stehen, aufgrund von Vorgängen iZm der Neugründung (Vorbereitungshandlungen zur Aufnahme des Geschäftsbetriebs, Aufbau eines Produktionsstandorts, etc) keine oder eben keine vergleichbaren Umsätze vorweisen zu können, die zur Quantifizierung des Umsatzausfalls im Betrachtungszeitraum herangezogen werden können. Ihr Ausschluss wäre unsachlich. Es kommt daher für die Annahme einer Neugründung iSd Pkt 4.5.1 RL-VEVO weniger auf den Gründungszeitpunkt an, als darauf, ob aufgrund von – allenfalls zeit- und kostenintensiven – Unternehmensgründungsvorgängen im Vergleichszeitraum noch keine Umsätze erwirtschaftet wurden, die als Vergleichsmaßstab geeignet sind, einen allfälligen Umsatzausfall im Betrachtungszeitraum zu quantifizieren.
Die Möglichkeit, Umsatzausfälle anhand einer Planungsrechnung zu plausibilisieren, ist daher zusammengefasst (schon) im unmittelbaren Anwendungsbereich des Pkt 4.5.1 RL-VEVO immer dann eröffnet, wenn (i) für den Vergleichszeitraum aufgrund erst danach erfolgter Unternehmensgründung gar keine umsatz- oder ertragssteuerlichen Daten vorliegen oder (ii) solche zwar vorhanden, aber (nur) aufgrund der im Vergleichszeitraum oder davor erfolgten Unternehmensgründung und des damit im Zusammenhang stehenden Unternehmensaufbaus (Gründungsmaßnahmen) nicht geeignet sind, den Umsatzausfall im Betrachtungszeitraum zu quantifizieren.
Hinweis:
Die Verordnung über die Gewährung eines Verlustersatzes, in deren Anhang sich die RL-VEVO finden, basiert auf § 3b Abs 3 ABBAG-Gesetz. Mit Erk vom 5. 10. 2023, G 265/2022, Rechtsnews 34878, hat der VfGH einige Bestimmungen des ABBAG-Gesetzes mit Ablauf des 31. 10. 2024 als verfassungswidrig aufgehoben. Als Verstöße gegen das Sachlichkeitsgebot qualifizierte er dabei sowohl die Übertragung von Aufgaben der Privatwirtschaftsverwaltung iSd Art 20 Abs 1 B-VG auf die Bekl (COFAG) als auch den (generellen) Ausschluss eines Rechtsanspruchs (§ 3b Abs 2 ABBAG-Gesetz). Er ging davon aus, dass die einschlägigen Regelungen des ABBAG-Gesetzes und die auf deren Grundlage erlassenen Verordnungen keine (bloßen) Selbstbindungsregelungen sind und Adressat der Förderregelung der gesamte Kreis der in Frage kommenden Leistungswerber ist.
Der VfGH hob aber auch hervor, dass die Bekl (COFAG) durch die Aufhebung ihre Rechtspersönlichkeit nicht verliert und nicht gehindert ist, weiterhin – bis zur gesetzlichen Neuregelung – die ihr bisher übertragenen Tätigkeiten auszuüben.
Aufgrund des Antrags des Senats vom 14. 12. 2023 (2 Ob 178/23z, Rechtsnews 35087) hat der VfGH mit Erk vom 6. 3. 2024, V 3/2024, Rechtsnews 35464, auch die Wortfolge „Auf Gewährung eines Verlustersatzes besteht kein Rechtsanspruch.“ in Punkt 7.6 der – hier anzuwendenden – RL-VEVO, BGBl II Nr 568/2020 idF BGBl II Nr 75/2021, als gesetzwidrig aufgehoben. Das aufgrund des Antrags unterbrochene Rekursverfahren war daher fortzusetzen.
Trotz der Aufhebung des Punktes 7.6 RL-VEVO ist § 3b Abs 2 des ABBAG-Gesetzes aufgrund der Frist für das Außerkrafttreten bis zu diesem Zeitpunkt (31. 10. 2024) verfassungsrechtlich unangreifbar Teil des Rechtsbestands und daher anzuwenden (RS0054001). § 3b Abs 2 des ABBAG-Gesetzes („Auf die Gewährung von finanziellen Maßnahmen besteht kein Rechtsanspruch.“) steht einem klagbaren Leistungsanspruch jedoch nicht entgegen.
Entscheidung
Im vorliegenden Fall erfolgte die Gründung (der Beginn) des Unternehmens der Kl im April 2018 mit der Übernahme einer „Vorratsgesellschaft“ eines Konzerns, die bereits seit 2016 im Firmenbuch eingetragen, operativ aber nicht tätig war. Nach den Feststellungen wurde im Vergleichszeitraum (mit Mitteln aus dem Konzernverband) der Produktionsbetrieb der Kl erst aufgebaut, Testchargen zur Überprüfung des Produktionsvorgangs und zur Kalibrierung durchgeführt und die Materialien für die Herstellung erworben. Ein operativer Geschäftsbetrieb war deshalb auch noch gar nicht geplant.
Bei der Kl liegen somit für den Vergleichszeitraum aufgrund von Unternehmensgründungsmaßnahmen keine vergleichbaren umsatz- oder ertragssteuerlichen Daten vor, die geeignet wären, einen Umsatzverlust im Betrachtungszeitraum zu quantifizieren. Sie ist daher schon im Rahmen des unmittelbaren Anwendungsbereichs des Pkt 4.5.1 RL-VEVO berechtigt, ihren Umsatzverlust anhand einer Planungsrechnung zu „plausibilisieren“.
Dass die Bekl Leistungen aufgrund der RL-VEVO in anderen Fällen bereits erbracht hat, ist nicht strittig.
Auf die rechtliche Einordnung der auf der Homepage der Bekl veröffentlichten FAQ, die eine analoge Anwendung befürworten, kommt es daher nicht an.