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RL (EU) 2015/2302: Art 12
In Umsetzung der RL (EU) 2015/2302 (Pauschalreise-RL) sieht § 10 Abs 3 Z 2 PRG („Rücktritt vom Pauschalreisevertrag vor Beginn der Pauschalreise“) vor, dass der Reiseveranstalter vor Beginn der Pauschalreise ohne Zahlung einer zusätzlichen Entschädigung vom Pauschalreisevertrag zurücktreten kann, wenn er aufgrund unvermeidbarer und außergewöhnlicher Umstände an der Erfüllung des Vertrags gehindert ist und seine Rücktrittserklärung dem Reisenden unverzüglich, spätestens jedoch vor Beginn der Pauschalreise zugeht.
Im vorliegenden Einzelfall ist zu beurteilen, ob die bekl Reiseveranstalterin zum Zeitpunkt der Beendigung des Pauschalreisevertrags, insb auf der Grundlage einer Reisewarnung des BMEIA, vernünftigerweise annehmen konnte, dass sie aufgrund der Gesundheitsrisiken durch die COVID-19-Pandemie wahrscheinlich daran gehindert sein würde, diesen Reisevertrag zu erfüllen, weil diese Pandemie die Durchführung dieses Reisevertrags zwar nicht zwangsläufig objektiv unmöglich gemacht, die Bedingungen seiner Durchführung jedoch wesentlich berührt hätte, und zwar ohne dass das Ergreifen von Maßnahmen mit verhältnismäßigen Kosten hätte Abhilfe schaffen können.
Dazu hatte der OGH ein Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH zur Auslegung von Art 12 Abs 3 lit b Pauschalreise-RL gerichtet (8 Ob 46/22f, RdW 2022/620), das von diesem nun beantwortet wurde (EuGH 4. 10. 2024, C-546/22, Schauinsland-Reisen, Rechtsnews 35950). Nach Fortsetzung des Revisionsverfahrens hält der OGH nunmehr fest, dass die Feststellungen derzeit noch nicht hinreichen, um den Beurteilungskriterien des EuGH vollständig zu genügen.
Entscheidung
Im fortgesetzten Verfahren sind nun einerseits Feststellungen zu treffen, aus denen die Frage beantwortet werden kann, ob im Zeitpunkt des Reiserücktritts (und nicht des Reiseantritts) am Zielort eine objektive Situation bestand, die als „unvermeidbare, außergewöhnliche Umstände“ qualifiziert werden kann. Dabei kann zwar grds auf die BMEIA-Reisewarnung abgestellt werden, jedoch ist dem Kl Gelegenheit zu geben, Vorbringen und Beweisanbot zu erstatten, welche die Annahme einer solchen Situation widerlegen und die Annahme rechtfertigen könnten, dass im Zeitpunkt der Vertragsbeendigung entgegen den BMEIA-Empfehlungen deren Voraussetzungen nicht oder nicht mehr vorlagen.
Erst unter Berücksichtigung solcher Umstände wird sodann zu beurteilen sein, ob die Bekl zum Zeitpunkt der Beendigung des Pauschalreisevertrags unter Berücksichtigung insb der Veröffentlichung der BMEIA-Reisewarnung der höchsten Stufe, die wegen der durch die COVID-19-Pandemie verursachten Gesundheitsrisiken erfolgte, vom Vorliegen „unvermeidbarer, außergewöhnlicher Umstände“ nach § 10 Abs 3 Z 2 PRG iVm Art 12 Abs 3 lit b Pauschalreise-RL ausgehen durfte.
Wenn vom Vorliegen solcher Umstände auszugehen ist, ist auch zu prüfen, ob dadurch die Bekl im Zeitpunkt des Rücktritts vom Reisevertrag (und nicht dem seiner geplanten Erfüllung) iS einer Prognoseentscheidung vernünftigerweise annehmen konnte, iSv § 10 Abs 3 Z 2 PRG iVm Art 12 Abs 3 lit b Pauschalreise-RL „an der Erfüllung des Vertrages gehindert“ zu sein. Hierbei ist grundsätzlich davon auszugehen, dass eine Gesundheitskrise wie die Ausbreitung von COVID-19 als ein Ereignis angesehen werden konnte, dass eine solche Prognose rechtfertigte.
Mit dem Kl ist allerdings auch noch zu erörtern, dass seine bloße Erklärung, die Reise trotz der festgestellten Risiken antreten zu wollen, nicht maßgebend ist, sondern es an ihm läge, objektive Umstände aufzuzeigen und unter Beweis zu stellen, dass die Bekl Maßnahmen ergreifen hätte können, mit denen gegenüber den von der Pandemie wesentlich berührten Bedingungen der Reisedurchführung mit verhältnismäßigen Kosten Abhilfe zu schaffen gewesen wäre.
Falls im dargelegten Sinne die Bekl als nicht zum Rücktritt berechtigt angesehen werden könnte, wären auch Feststellungen zur Höhe des Klagebegehrens und zur Kausalität des unberechtigten Rücktritts für die vom Kl geltend gemachten Ansprüche zu treffen.