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Zeitnah zur Verschärfung der Maßnahmen zur Bekämpfung des Coronavirus veröffentlichte das BMF eine erste Information, die va einige verfahrensrechtliche Erleichterungen mit sich brachte.1 Daneben wirft die Corona-Krise aber viele steuerrechtliche Fragestellungen auf, die teilweise einer gesetzlichen Änderung bedürfen. Der Gesetzgeber hat darauf bereits mit dem 2. COVID-19-Gesetz und dem 3. COVID-19-Gesetz reagiert, wobei mit dem 2. COVID-19-Gesetz va die Rechtsmittelfristen unterbrochen werden, während das 3. COVID-19-Gesetz auch wichtige materiellrechtliche Fragen beantwortet. Der Beitrag gibt einen Überblick zu diesen beiden Sammelgesetzen.
Dieser Beitrag von Univ.-Prof. DDr. Gunter Mayr (BMF) erscheint auch in der April-Ausgabe der Zeitschrift RdW.
I. 2. COVID-19-Gesetz
Knapp eine Woche nach dem COVID-19-Gesetz2 wurde bereits am 20./21. 3. 2020 mit dem 2. COVID-19-Gesetz ein weiteres Sammelgesetz beschlossen,3 das nunmehr auch vier Art mit steuerlichen Änderungen enthält. Gesetzestechnisch wurden steuerliche Änderungen aufgrund der Coronakrise grundsätzlich in den jeweiligen Übergangsbestimmungen der Gesetze verankert,4 sofern diese nur befristet gelten. Das 2. COVID-19-Gesetz umfasst folgende steuerliche Änderungen:
1. Unterbrechung von Fristen in der BAO (§ 323c) und im FinStrG (§ 265a)
Im Abgabenverfahren wie im Finanzstrafverfahren wird im Bereich des Rechtsschutzes der Lauf der wichtigsten Fristen, die am 16. 3. 2020 noch offen waren oder deren fristauslösendes Ereignis in die Zeit nach dem 16.3.2020 fällt, bis zum 30. 4. 2020 unterbrochen. Die Fristen beginnen damit mit 1. 5. 2020 neu zu laufen.
In der BAO betrifft dies alle Fristen im ordentlichen Rechtsmittelverfahren (§§ 243 – 292) und damit va den Lauf von Beschwerdefristen, Vorlagefristen sowie Maßnahmenbeschwerdefristen.5
Im FinStrG betrifft dies die Einspruchsfrist (§ 145 Abs 1), die Rechtsmittelfrist (§ 150 Abs 2) sowie die Frist zur Anmeldung einer Beschwerde (§ 150 Abs 4). Im Zuge des 3. COVID-19-Gesetzes wurden im FinStrG noch die Fristen für die Wiederaufnahme des Verfahrens (§ 165 Abs 4) und die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 167 Abs 2) sowie für die Erhebung von Einwendungen zur Niederschrift (§ 56b Abs 3) ergänzt.
Durch die Unterbrechung der Fristen sollen die Bürgerinnen und Bürger keine Rechtsschutznachteile erleiden, wenn sie aufgrund der COVID-Krise wichtige Fristen versäumen.6 Die Fristen beginnen an sich am 1. 5. 2020 neu zu laufen; die Fristunterbrechung kann aber sowohl in der BAO als auch im FinStrG mittels Verordnung verlängert werden, soweit dies zur Verhütung und Bekämpfung der Verbreitung von COVID-19 erforderlich ist.
2. Befreiung von Gebühren und Bundesverwaltungsabgaben (§ 35 Abs 8 GebG)
Umfassende Befreiung für Schriften und Amtshandlungen, die mittelbar oder unmittelbar aufgrund der erforderlichen Maßnahmen iZm der Bewältigung der COVID-19-Krise erfolgen (zB Antrag auf Hilfszahlungen nach dem Epidemiegesetz oder Antrag an den COVID-19-Krisenbewältigungsfonds).
3. Erhöhung Tabaksteuer verschoben (§ 4 Abs 1 und 3 TabStG)
Im Rahmen des StRefG 2020 wurden für die Jahre 2020 bis 2022, beginnend mit dem 1. 4. 2020, Anpassungen der Tabaksteuersätze beschlossen. Da es während der COVID-19-Krise allgemein zu keinen Steuererhöhungen kommen soll, wird die erstmalige Anpassung um sechs Monate auf 1. 10. 2020 verschoben. Abhängig von der Preisgestaltung, wären danach für eine Packung Zigaretten (20 Stück) – je nach Preislage – zwischen 10 und 20 Cent erst später auf den Konsumenten zu überwälzen. Im Rahmen des StRefG 2020 wurden für Jahre 2020 bis 2022, beginnend mit dem 1. 4. 2020, Anpassungen der Tabaksteuersätze beschlossen. Da es während der COVID-19-Krise allgemein zu keinen Steuererhöhungen kommen soll, wird die erstmalige Anpassung um sechs Monate auf 1. 10. 2020 verschoben. Abhängig von der Preisgestaltung, wären danach für eine Packung Zigaretten (20 Stück) – je nach Preislage – zwischen 10 und 20 Cent erst später auf den Konsumenten zu überwälzen.
II. 3. COVID-19-Gesetz
Das 3. COVID-19-Gesetz ist ebenfalls ein Sammelgesetz, das am 3./4. 4. 2020 parlamentarisch beschlossen wurde,7 und enthält mehrere Artikel, wobei der Schwerpunkt bei den Änderungen im EStG liegt.
1. Änderungen Einkommensteuer
1.1. Steuerbefreiung für Unterstützungsleistungen (§ 124b Z 348)
Steuerbefreit sind Zuwendungen/Zuschüsse aus
- | Mitteln des COVID-19-Krisenbewältigungsfonds, |
- | Härtefallfonds, |
- | Corona-Krisenfonds sowie |
- | sonstige vergleichbare Zuwendungen der Bundesländer, Gemeinden und gesetzlichen Interessenvertretungen zur Bewältigung der COVID-19-Krisensituation. |
Da Bezüge oder Beihilfen aus öffentlichen Mitteln wegen Hilfsbedürftigkeit schon bisher nach § 3 Abs 1 Z 3 lit a EStG befreit sind kommt der Befreiung wohl nur klarstellende Bedeutung zu. Der vierte Befreiungstatbestand ist offener formuliert, nimmt aber mit der Wortfolge „sonstige vergleichbare Zuwendungen“ auf die ersten drei Befreiungstatbestände Bezug und setzt damit eine „Vergleichbarkeit“ voraus.
Interessant ist das Verhältnis zu § 20 Abs 2 EStG: Nach § 20 Abs 2 EStG dürfen Aufwendungen oder Ausgaben nicht abgezogen werden, soweit sie mit nicht steuerpflichtigen Einnahmen in unmittelbarem wirtschaftlichen Zusammenhang stehen. Die Gesetzesmaterialien führen dazu als Beispiel einen Zuschuss aus dem Corona-Krisenfonds an, der zu 75 % eine Betriebsausgabe ersetzt. Im Ausmaß dieses Ersatzes von 75 % ist die „Betriebsausgabe“ danach nicht abzugsfähig, die verbleibenden 25 % bleiben hingegen weiterhin als Betriebsausgabe abzugsfähig. In der Praxis wird bei den jeweiligen Zuwendungen/Zuschüssen zu prüfen sein, ob ein unmittelbarer Zusammenhang mit Aufwendungen oder Ausgaben besteht.8
1.2. Weiterhin Pendlerpauschale sowie Zulagen/Zuschläge nach § 68 EStG (§ 124b Z 349)
Das Pendlerpauschale deckt die Ausgaben für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte ab. Voraussetzung für das (volle) Pendlerpauschale ist nach § 16 Abs 1 Z 6 lit e EStG, dass der Arbeitnehmer an mindestens 11 Tagen im Kalendermonat von der Wohnung zur Arbeitsstätte fährt (fährt der Arbeitnehmer nur an mindestens acht Tagen, stehen zwei Drittel vom jeweiligen Pendlerpauschale, fährt er an nur mindestens vier Tagen, steht ein Drittel vom jeweiligen Pendlerpauschale zu). Das Pendlerpauschale ist aber unverändert zu berücksichtigen, wenn sich der Arbeitnehmer zB im Krankenstand befindet. Kann nunmehr aufgrund der COVID-19-Krise die Strecke Wohnung-Arbeitsstätte nicht mehr (täglich) zurückgelegt werden, dann ist das Pendlerpauschale – wie auch im Krankheitsfall – unverändert weiter zu berücksichtigen.
Ebenso sind die im laufenden Arbeitslohn enthaltenen Zulagen und Zuschläge gem § 68 EStG (SEG-Zulagen, Zuschläge für Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit sowie Überstundenzuschläge) weiterhin steuerfrei zu behandeln, sofern sie an den Arbeitnehmer im Falle von COVID-Kurzarbeit, Telearbeit oder Dienstverhinderung wegen der COVID-19-Krise weitergezahlt werden.
1.3. COVID-19-Bonuszahlungen bis 3.000 € steuerfrei (§ 124b Z 350)
Aufgrund der derzeitigen COVID-19-Krise haben viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Außergewöhnliches zu leisten. Werden sie dafür von ihrem Arbeitgeber zusätzlich entlohnt, soll dies steuerlich begünstigt werden. Daher sind Zulagen und Bonuszahlungen, die aufgrund der COVID-19-Krise zusätzlich geleistet werden, im Kalenderjahr 2020 bis 3.000 € steuerfrei. Die Befreiung sieht keine Einschränkung auf bestimmte (besonders gesundheitlich gefährdete) Berufsgruppen vor, allerdings muss es sich um zusätzliche Zulagen oder Bonuszahlungen handeln, die ausschließlich aufgrund der COVID-19-Krise geleistet werden und bisher nicht gewährt wurden. Belohnungen aufgrund von bisherigen Leistungsvereinbarungen sind daher nicht steuerfrei. Die steuerfreien Zulagen/Bonuszahlungen erhöhen nicht das Jahressechstel und werden auf dieses auch nicht angerechnet. Die Steuerbefreiung wurde im Rahmen der parlamentarischen Behandlung noch um eine Befreiung von der SV ergänzt (§ 49 Abs 3 Z 30 ASVG).
1.4. Hälftesteuersatz unverändert bei Rückkehr von pensionierten Ärzten (§ 124b Z 351)
Das 2. COVID-19-Gesetz ermöglicht es, Ärzte aus dem Ruhestand zu holen. Sollten Ärzte zuvor nach Vollendung ihres 60. Lebensjahres ihren Betrieb veräußert oder aufgegeben und ihre Erwerbstätigkeit eingestellt haben, stand ihnen nach § 37 Abs 5 EStG der Hälftesteuersatz zu. Sollten diese Ärzte nunmehr wegen der COVID-19-Krise erneut als Arzt tätig werden,9 kommen die Umsatz- und Einkünftegrenzen für die Einstellung der Erwerbstätigkeit nach § 37 Abs 5 Z 3 EStG nicht zu Anwendung. Das Überschreiten der betraglichen Grenzen von § 37 Abs 5 Z 3 EStG führt daher nicht zum nachträglichen Verlust des Hälftesteuersatzes.
2. Sonstige Änderungen
Gebührengesetz: Befreiung für Rechtsgeschäfte, die zur Durchführung der Maßnahmen iZm der Bewältigung der COVID-19-Krise notwendig sind (betrifft va Bürgschaften).
Steuerfreier Alkohol für Desinfektionsmittel: Wegen des hohen Bedarfs an rasch verfügbaren Desinfektionsmitteln gilt Alkohol bei der Herstellung von Desinfektionsmitteln als nicht mehr verzehrbar, womit keine Alkoholsteuer anfällt; damit zusammenhängend werden auch zeitlich befristete Verwaltungsvereinfachungen vorgesehen (vereinfachte Vergällungsmethode durch zB Apotheken ohne Bewilligung durch das Zollamt und Anwesenheit von Zollorganen) und es wird die Möglichkeit einer Steuervergütung eingeräumt (wenn nachweislich bereits versteuert wurde). Ergänzend vorgesehen ist eine unbefristete Verwaltungsvereinfachung (für Vergällungen ohne Anwesenheit von Zollorganen, § 17 Abs 1 AlkStG).
Verschiebung der Modernisierung der Steuer- und Zollverwaltung: Da sich die personellen wie technischen Ressourcen der Finanzverwaltung derzeit ganz vorrangig der COVID-19-Krise widmen, wird das Inkrafttreten der umfassenden Organisationsreform um sechs Monate auf den 1. 1. 2021 verschoben.
Dazu Atzmüller/Mayr, RdW 4/2020.
BGBl vom 15. 3. 2020, BGBl I 2020/12.
BGBl vom 21. 3. 2020, BGBl I 2020/16.
Im TabStG hat man aber aufgrund der eigenen Regelungstechnik und zwecks Übersichtlichkeit § 4 geändert, dazu unten.
Die Gesetzesmaterialien führen zudem § 299 BAO an, was allerdings auf ein Redaktionsversehen bei diesem umfassenden Sammelgesetz zurückzuführen ist.
Die Abs 2-4 von § 323c BAO und § 265a FinStrG entsprechen dem AVG; ist etwa die Durchführung einer mündlichen Verhandlung unbedingt erforderlich, kann sie auch in Abwesenheit aller Beteiligten unter Verwendung geeigneter technischer Kommunikationsmittel durchgeführt werden (Abs 4 letzter Satz); im Rahmen des 3. COVID-19-Gesetzes wurde in § 265a FinStrG noch ein Abs 3a eingefügt, wonach ua bei Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung bis 30. 9. 2020 vor dem Spruchsenat oder vor einem Senat für Finanzstrafrecht beim BFG der Vorsitzende für Beratung und Beschlussfassung des Senates die Verwendung geeigneter technischer Kommunikationsmittel veranlassen kann.
BGBl vom 4. 4. 2020, BGBl I 2020/23.
Dazu Kofler/Wurm, in D/K/M/Z20 § 20 Tz 152.
Gem § 36b Ärztegesetz 1998 idF BGBl I 2020/16.