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Der Börsenkurs als Unternehmenswert beim Squeeze-Out

Bearbeiter: Markus Patloch-Kofler / Bearbeiter: Sibel Keskin

Abstract

Die Rolle des Börsenkurses in der Unternehmensbewertung ist umstritten, jedoch zeigt die aktuelle deutsche Rechtsprechung eine zunehmende Tendenz, ihm eine bedeutendere Rolle zuzuschreiben. Ein neues Judikat betont idZ die Wichtigkeit der Marktliquidität für die Anwendung des Börsenkurses als Unternehmenswert.

Börsenkurs als Unternehmenswert

Die Rolle des Börsenkurses in der Unternehmensbewertung bleibt ein kontrovers diskutiertes Thema.1 Während das Fachgutachten KFS/BW 1 in Rz 17 den Börsenkurs lediglich als ein Instrument zur Plausibilisierung eines Ertragswerts oder eines fundamental ermittelten Unternehmenswerts betrachtet, zeigt sich in jüngerer deutscher Rechtsprechung zu gesellschaftsrechtlichen Abfindungsbemessungen eine zunehmende Tendenz dem Börsenkurs eine stärkere Gewichtung beizumessen – möglicherweise ihn sogar als primäre oder ausschließliche Referenzgröße heranzuziehen.

Bereits am 21. 2. 2023 hat der deutsche Bundesgerichtshof sich dieser jüngsten Tendenz angeschlossen (Az.: II ZB 12/21),2 kürzlich reihte sich eine weitere Rechtsprechung eines deutschen Oberlandesgerichts mit konkretisierenden Ausführungen in dieser Auffassung ein.

Die Entscheidung des Oberlandesgerichts

Das OLG Frankfurt hat mit Urteil vom 9. 2. 2024 (21 W 129/22) entschieden, dass der Börsenkurs unter bestimmten Voraussetzungen durchaus zur Ermittlung der Abfindungsleistung und somit als Unternehmenswert herangezogen werden kann. Im konkreten Fall ging es um einen verschmelzungsrechtlichen Squeeze-Out durch die Hauptaktionärin mit einem Anteil von 92,31 % an der Zielgesellschaft in dem eine Abfindungsleistung von EUR 46,77 per Anteil beschlossen wurde. Der anteilige Ertragswert lag bei EUR 42,72.

Das Gericht entschied, dass die ermittelte Abfindung angemessen sei. Nicht, weil der Börsenkurs die Wertuntergrenze in der Unternehmensbewertung bildet, sondern weil in dem vorliegenden Fall „der Börsenkurs für eine Bewertung als geeignet“ anzusehen ist, somit den „wahren Wert“ widerspiegelt.

Das OLG führt weiters aus, dass die Eignung des Börsenkurses fallspezifisch geprüft werden muss und sieht hierbei die Liquidität des Marktes als zentrales Entscheidungsmerkmal. Die Marktliquidität bestimmt das Gericht dabei aus der Anzahl der Handelstage, dem Börsenumsatz pro Tag, der Aufnahme in einen Börsenindex, der Streubesitz und dem Bid/Ask–Spread. Das OLG gibt zwar keine expliziten Grenzen für diese Liquiditätskennzahlen vor, allerdings können Ansätze dafür aus den tatsächlichen Kapitalmarktdaten des Bewertungsobjekts – die vom OLG bzw der sachverständigen Prüferin analysiert wurden – abgeleitet werden.

Liquiditätsmerkmale

Das Handelsvolumen im Betrachtungszeitraum entsprach einem Anteil von ca 4,4 % der gesamten ausstehenden Aktien. Der durchschnittliche Bid/Ask–Spread der Aktien lag im Zeitraum vom 1. August 2018 bis zum 1. August 2020 – also zwei Jahren – bei 0,74 % und lag insbesondere auch im Dreimonatszeitraum vor der Bekanntgabe des Squeeze-Outs bis auf zwei kurzfristige Ausreißer deutlich unter 1 %. Diese Werte markieren offensichtlich mögliche Grenzen aus Sicht der Rechtsprechung.

Spannend ist dabei auch, dass es das OLG für unbedenklich erachtet hat, dass im Rahmen der Ertragswertermittlung aufgrund der mangelhaften Liquidität (als logische Folge vor einem Squeeze-Out) kein statistisch signifikanter Beta-Faktor des Unternehmens abgeleitet werden konnte – was grundsätzlich für mindere Aussagekraft des Börsenkurses sprechen würde. Aus Sicht des Senats rechtfertigt dies jedoch keine pauschalen Einwände gegen den Börsenkurs als primäre Schätzgrundlage beim Squeeze-Out.3 Sehr wohl erkennt der Senat dabei allerdings die Wichtigkeit, den Ertragswert zu Plausibilitätszwecken heranzuziehen.

Conclusio

Die Entscheidungen des deutschen Bundesgerichtshofs und des Frankfurter Oberlandesgerichts stehen im Gegensatz zur breiten Masse von Praktikermeinungen, zeigen jedoch eine wachsende Anerkennung des Börsenkurses als relevante Größe in der Unternehmensbewertung – insbesondere bei Squeeze Outs. Das Urteil des OLG Frankfurt betont dabei die Bedeutung der Marktliquidität und konkretisiert, unter welchen Voraussetzungen der Börsenkurs als Äquivalent des Unternehmenswerts anzusehen ist.

Es bleibt abzuwarten, wie der FAUB des IDW auf diese Entwicklung reagiert.



3

Vgl Bungert/Strothotte (2024), Überprüfung der Abfindung beim verschmelzungsrechtlichen Squeeze out anhand des Börsenkurses, Der Betrieb 11/2024.


Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 35223 vom 25.03.2024