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Die Erhöhung des Verlustvortrages einer GmbH stellt eine Gutschrift iSd § 209a Abs 4 BAO dar

Bearbeiter: Franz Wallig

BAO: § 188, § 209a, § 295

Abstract

Der VwGH hatte im vorliegenden Revisionsfall darüber zu entscheiden, ob eine Feststellungserklärung gem § 209a Abs 2 iVm Abs 4 BAO eine Abgabenfestsetzung nach Eintritt der Verjährung ermöglicht, wenn sich aus den abgeleiteten Bescheiden keine direkte Steuergutschrift, sondern nur eine Erhöhung des Verlustvortrages einer GmbH ergibt. Im Ergebnis kam der VwGH zu dem Schluss, dass die Erhöhung des Verlustvortrages bereits für den Tatbestand einer „Gutschrift“ iSd § 209a Abs 4 BAO ausreicht, weil dieser korrigierte Verlustausweis potenzielle Gutschriften iSd § 209a Abs 4 BAO in den Folgejahren bewirken kann.

VwGH 8. 9. 2022, Ra 2022/15/0069

Sachverhalt

Die mitbeteiligte H GmbH war als atypisch stille Gesellschafterin an der HH GmbH beteiligt. In dem am 14. 6. 2011 ergangenen Körperschaftsteuerbescheid 2010 der H GmbH wurde die Körperschaftsteuer der H GmbH in Höhe der Mindestkörperschaftsteuer festgesetzt, wobei eine steuerliche Tangente der HH GmbH & atypisch Still in Höhe von Null berücksichtigt wurde. Aufgrund des am 7. 7. 2011 nachfolgend ergangenen Feststellungsbescheides der HH GmbH & atypisch Still entfiel auf die mitbeteiligte GmbH jedoch eine negative Tangente iHv 548.025,81 €. Der Körperschaftsteuerbescheid 2010 der H GmbH wurde jedoch nicht gem § 295 Abs 1 BAO entsprechend abgeändert.

Mit Eingabe vom 2. 7. 2019 erhob die mitbeteiligte GmbH Säumnisbeschwerde gem § 284 Abs 1 BAO betreffend den Körperschaftsteuerbescheid 2010 an das BFG. Das BFG wies diese Säumnisbeschwerde zunächst wegen eingetretener Festsetzungsverjährung ab, wogegen die mitbeteiligte GmbH Revision an den VwGH erhob, der das angefochtene Erkenntnis daraufhin mit Erkenntnis vom 15. 12. 2021, Ra 2020/15/0037, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufhob. Daraufhin gab das BFG der Säumnisbeschwerde Folge und änderte den Körperschaftsteuerbescheid 2010 gem § 295 Abs 1 BAO ab. Das Finanzamt vertrat jedoch die Auffassung, dass im vorliegenden Fall das Tatbestandmerkmal einer „Gutschrift“ iSd § 209a Abs 4 BAO nicht erfüllt war, weil die Erhöhung des Verlustvortrages die Steuerlast im Streitjahr nicht verringert hat und erhob außerordentliche Amtsrevision an den VwGH.

Entscheidung des VwGH

Der VwGH hat bereits im Erk v 15. 12. 2021, Ra 2020/15/0037 erkannt, dass gem § 209a Abs 2 BAO die Verjährung einer Abgabenfestsetzung nicht entgegensteht, wenn diese Abgabenfestsetzung mittelbar von der Erledigung eines Antrages iSd § 209a Abs 2 BAO abhängt. Im vorliegenden Fall ist die Feststellungserklärung der HH GmbH & atypisch Still gem § 209a Abs 4 BAO als ein solcher Antrag anzusehen und rechtfertigt daher eine Änderung des Körperschaftsteuerbescheids 2010 der H GmbH gem § 295 Abs 1 BAO. Der VwGH hat in diesem Erkenntnis jedoch keine Rechtsansicht zum Begriff der „Gutschrift“ iSd § 209a Abs 4 BAO dargelegt, weil dies nicht Gegenstand der seinerzeitigen Revision gewesen sei.

Im Erkenntnis des VwGH v 8. 9. 2022, Ra 2022/15/0069, führt der VwGH aus, dass bereits durch die Anwendung des § 209a Abs 4 BAO im Vorverfahren implizit davon ausgegangen wurde, dass eine Erhöhung des Verlustvortrages eine Gutschrift iS dieser Bestimmung darstellt. Diese Ansicht erweist sich als sachgerecht, weil über die Höhe des Verlustes im Entstehungsjahr mit bindender Tatbestandswirkung auch für die Folgejahre abgesprochen wird. Aus dem korrigierten Verlustausweis für das Jahr 2010 folgen daher potenzielle Abgabengutschriften in den Folgenjahren. Diese zukünftigen Gutschriften erfüllen nach Ansicht des VwGH bereits das Tatbestandsmerkmal einer Gutschrift nach § 209a Abs 4 BAO, die Gutschrift muss sich nicht zwingend im Streitjahr ergeben.

Conclusio

Der Gesetzgeber hat schon im Jahr 2011 erkannt, dass lange andauernde Verletzungen der Entscheidungspflicht von Abgabenbehörden über Abgabenerklärungen zu einem Verlust des Rechtsanspruchs des Abgabepflichtigen auf bescheidmäßige Erledigung führen können (vgl ErlRV 1212 BlgNR 24. GP 30). Das ist bspw dann der Fall, wenn Feststellungsbescheide erst nach Eintritt der Bemessungsverjährung für die abgeleiteten Bescheide erlassen oder abgeändert werden. Daher wurde vom Gesetzgeber mit dem AbgÄG 2011 § 209a Abs 4 BAO eingeführt, nach dem auch eine Abgabenerklärung als Antrag iSd § 209a Abs 2 BAO gelten kann und welcher eine Abgabenfestsetzung bei abgeleiteten Bescheiden trotz Eintritt der Verjährung ermöglicht. Die Anwendung dieser Regelung ist jedoch nur dann möglich, wenn sich die Abgabenfestsetzung zugunsten des Steuerpflichtigen auswirken würde, diese also zu einer Gutschrift führt. Aus diesem Grund ist es zu begrüßen, dass der VwGH den Begriff der „Gutschrift“ weit auslegt und auch lediglich eine Erhöhung des Verlustvortrages darunter subsumiert. Dies erhöht die Rechtssicherheit des Abgabepflichtigen im Falle eines Fehlverhaltens durch die Behörden.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 33499 vom 09.01.2023