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MwStSyst-RL: Art 9 Abs 1
Abstract
Schließen sich natürliche Personen zu einer Personengesellschaft zusammen, tritt aber nur ein Gesellschafter im eigenen Namen nach außen hin auf, fragt sich, wer Unternehmer im umsatzsteuerlichen Sinn ist. Für das Selbständigkeitskriterium maßgeblich sind das Auftreten nach außen hin und der damit beim Vertragspartner erweckte Eindruck. Vereinbarungen im Innenverhältnis sind irrelevant.
EuGH vom 16.09.2020, XT, C-312/19
Sachverhalt
Die natürliche Person XT schloss sich mit einem Geschäftspartner zu einer Personengesellschaft zusammen. Sie erwarben ein Grundstück, um darauf fünf Wohngebäude zu bauen. XT unterzeichnete den Kaufvertrag für das Grundstück und leistete 30 % des Kaufpreises, der Geschäftspartner bezahlte die restlichen 70 %. XT wurde als Alleineigentümer im Grundbuch eingetragen. Er schloss einen Vertrag mit einem Bauunternehmen, dem gegenüber er als Bauherr und Vertreter der Gesellschaft auftrat. Die Baugenehmigung wurde auf ihn ausgestellt. Nachdem die Gebäude errichtet worden waren, lösten XT und sein Geschäftspartner die Personengesellschaft auf und verkauften die Gebäude an Dritte. Sämtliche Kaufverträge wurden von XT unterzeichnet. Obwohl die Geschäftspartner vereinbart hatten, dass er in beider Namen auftreten sollte, erwähnte er den Käufern gegenüber seinen Geschäftspartner und die Personengesellschaft nicht. XT und sein Geschäftspartner sahen die Verkäufe nicht als mehrwertsteuerpflichtige wirtschaftliche Tätigkeit an. Die Finanzverwaltung hingegen sah den Verkauf als steuerpflichtige Tätigkeit an. Unklar war aber, wem die wirtschaftliche Tätigkeit als Steuerpflichtigem zugeordnet werden sollte: XT oder der Personengesellschaft.
Entscheidung des EuGH
Für die Qualifikation als Steuerpflichtiger iSd Art 9 Abs 1 MwStSyst-RL (entspricht dem Unternehmerbegriff lt § 2 Abs 1 UStG) ist die selbständige Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit notwendig. Alle natürlichen und juristischen Personen sowie auch Einrichtungen ohne Rechtspersönlichkeit, die diese Kriterien erfüllen, können Steuerpflichtiger sein (EuGH C-340/15, Nigl). Selbständigkeit liegt bei Handeln im eigenen Namen, für eigene Rechnung, in eigener Verantwortung und in Tragung des wirtschaftlichen Risikos vor (EuGH C-340/15, Nigl). Pro Umsatz kann bei mehreren infrage kommenden Personen immer nur eine Person diese Kriterien erfüllen. XT trat Dritten gegenüber nur in seinem eigenen Namen auf. Die Käufer der Immobilien wussten nichts von der Existenz des Geschäftspartners oder der Personengesellschaft. Die Personengesellschaft kann aufgrund des mangelnden Auftretens im Außenverhältnis nicht so behandelt werden, als hätte sie die Umsätze bewirkt. XT handelte auch für eigene Rechnung und trug das wirtschaftliche Risiko. Daher waren die bewirkten Umsätze ihm zuzuordnen. Daran vermag die Tatsache, dass der Geschäftspartner die Finanzierungslast geteilt hatte, Entscheidungen gemeinsam getroffen wurden und bei der Auflösung sämtliche Vermögenswerte aufgeteilt wurden, nichts zu ändern. Selbst wenn XT nicht für eigene Rechnung gehandelt hätte, wäre das Ergebnis gleich. Bereits aus Art 28 MwStSyst-RL (Besorgungsleistung) ergibt sich nämlich, dass eine Person auch dann als Steuerpflichtiger angesehen wird, wenn sie im eigenen Namen und auf fremde Rechnung handelt (EuGH C-464/10, Henfling). Daher kann Steuerpflichtiger iSd Art 9 Abs 1 MwStSyst-RL eine Person sein, die auf eigene oder auch auf fremde Rechnung tätig wird. Lt den SA von GA Kokott ist weniger das Handeln auf eigene Rechnung als vielmehr das Handeln im eigenen Namen wichtig, um Steuerpflichtiger zu sein. Im Ergebnis war XT dazu verpflichtet, die auf die Transaktionen anfallende Mehrwertsteuer zu entrichten.
Conclusio
In der vorliegenden Entscheidung kann die Bestätigung der Ladenrechtsprechung des BFH (s zB BFH 16.03.2000, V R 44/99) erblickt werden: Kauft man etwas in einem Geschäft, darf man davon ausgehen, dass der Vertragsschluss direkt mit dem Betreiber erfolgt (der im eigenen Namen handelt) und dieser nicht nur als Vermittler agiert (dh im fremden Namen handelt). Etwas anderes gilt nur, wenn der Betreiber vor Vertragsschluss seine bloße Vermittlerrolle klarstellt (zB durch Beschilderung, Gestaltung von Websites und Prospekten). Für die Abgrenzung zwischen Handeln im eigenen und im fremden Namen kommt es ausschließlich auf den Eindruck des Vertragspartners an, mit wem er in eine Leistungsbeziehung tritt – mit der Person, der er gegenübertritt, oder mit einem Dritten. Etwaige Vereinbarungen im Innenverhältnis sind irrelevant. Dieselbe Ansicht wird – wenn auch weniger bekannt – vom VwGH unter dem Stichwort „Grundsatz des eigenen Ladens“ vertreten (s Ruppe/Achatz, UStG5, § 1 Rz 274). Auch im vorliegenden Fall qualifiziert der EuGH XT ua deshalb als Unternehmer, weil er im Verhältnis zu Dritten immer in seinem eigenen Namen aufgetreten war und die Käufer von der Existenz des Geschäftspartners und der Personengesellschaft nichts wussten. Wäre XT beim Verkauf wie vereinbart im Namen der Personengesellschaft aufgetreten, hätte der EuGH die Umsätze wohl nicht XT zugerechnet.