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Doch nicht steuerfrei! VwGH zum Kriterium der „nachweislichen Zurechnung“ zu Versorgungs- und Unterstützungseinrichtungen von KöR

Bearbeiter: Valentin Bendlinger

EStG 1988: § 27 Abs 2 Z 2, § 27 Abs 3 und § 94 Z 6 lit c

KStG 1988: § 21 Abs 2 Z 3

Abstract

Die Revisionswerberin – eine oberösterreichische Gebietskörperschaft – veräußerte im Jahr 2008 Aktien iHv 667,4 Mio Euro, wobei die Mittel einer allgemeinen Haushaltsrücklage zugeführt wurden. Das Kapital wurde folglich kurz- bis mittelfristig veranlagt, woraus die Gebietskörperschaft offensichtlich (das zugrundeliegende BFG-Erkenntnis wurde nicht veröffentlicht) diverse Kapitaleinkünfte bezog. Die Revisionswerberin berief sich hinsichtlich dieser Kapitaleinkünfte dennoch auf die Steuerfreiheit der bezogenen Kapitalerträge nach § 21 Abs 2 Z 3 vierter Teilstrich KStG iVm § 94 Z 6 lit c vierter Teilstrich EStG, wonach Kapitalerträge von der beschränkten Steuerpflicht 2. Art und von der KESt befreit werden, wenn sie einer Versorgungs- oder Unterstützungseinrichtung „nachweislich zuzurechnen“ sind. Strittig war – kraft Zuweisung des Kapitals zur allgemeinen Haushaltsrücklage der Gebietskörperschaft – die „nachweisliche Zurechnung“ zu einer Versorgungs- und Unterstützungseinrichtung für die Altersvorsorge von oberösterreichischen Landesbeamten. Der VwGH war sohin berufen, zum Kriterium der „nachweislichen Zurechnung“ nach § 21 Abs 2 Z 3 vierter Teilstrich KStG iVm § 94 Z 6 lit c vierter Teilstrich EStG Stellung zu beziehen.

VwGH 8. 9. 2022, Ro 2022/15/0013

Sachverhalt

Die revisionswerbende Gebietskörperschaft erzielte im Jahr 2008 Einkünfte aus der Veräußerung von Aktien iHv 667,4 Mio Euro. Die entsprechende Erhöhung der Geldbestände sollte nach den Zielvorgaben der Revisionswerberin (Orientierung an dem zu erwartenden Mittelverbrauch) kurz- bis mittelfristig veranlagt werden. Im Voranschlag für das Jahr 2008 wurde die Zuführung dieser Einnahmen zu einer Haushaltsrücklage geplant. In Bezug auf die aus dem Kapital erzielten Kapitaleinkünfte stützte sich die Gebietskörperschaft auf § 21 Abs 2 Z 3 vierter Teilstrich KStG iVm § 94 Z 6 lit c vierter Teilstrich EStG, wonach Einkünfte von KöR dann von der beschränkten Steuerpflicht und dem KESt-Abzug befreit sind, wenn die Einkünfte nachweislich einer Versorgungs- und Unterstützungseinrichtung zuzurechnen sind. Im Zuge einer Außenprüfung gelangte der Prüfer im Jahr 2015 jedoch zu der Auffassung, dass das aus der Veräußerung von Aktien resultierende Kapital der revisionswerbenden Gebietskörperschaft nicht einer Versorgungs- oder Unterstützungseinrichtung zugewiesen worden sei und daher die gem § 21 Abs 2 Z 3 vierter Teilstrich KStG iVm § 94 Z 6 lit c vierter Teilstrich EStG beanspruchte Kapitalertragsteuerbefreiung zu versagen sei. Das BFG wies die Beschwerde ab: Gegenständlich liege – auf Grundlage des Oö Landesbeamten-Pensionsgesetzes – zwar eine unselbständige Versorgungs- und Unterstützungseinrichtung für Zwecke der Altersversorgung vor, allerdings seien weder § 21 Abs 2 Z 3 vierter Teilstrich KStG noch § 94 Z 6 lit c vierter Teilstrich EStG anwendbar, weil die veranlagten Vermögenswerte der Versorgungs- und Unterstützungseinrichtung nicht, wie gesetzlich gefordert, „nachweislich zuzurechnen“ waren. Die gegenständlichen Wertpapiere wurden nämlich der allgemeinen Vermögensverwaltung der Gebietskörperschaft und nicht der ausschließlich für Pensionszwecke gebundenen „Rücklage für Pensionen aus öffentlichen Dienstverhältnissen“ zugeordnet. Wie das BFG feststellte, wurde auch kein eigener Rechnungskreis geführt. Das BFG schloss daraus, dass im Zeitpunkt der Veranlagung eine eindeutige und ausschließliche Zuweisung des Kapitals zum Vermögensbereich der Versorgungs- und Unterstützungseinrichtung – mit der vom Gesetz begünstigten Zweckbindung – von Anfang an nicht beabsichtigt gewesen sei. Weil die Frage, welche Bedeutung einer „Einrichtung“ iSd § 21 Abs 2 Z 3 vierter Teilstrich KStG iVm § 94 Z 6 lit c vierter Teilstrich EStG zukommt, vom VwGH noch nicht geklärt wurde, ließ das BFG die Revision zu.

Entscheidung des VwGH

Gem § 1 Abs 3 Z 2 KStG sind inländische Körperschaften des öffentlichen Rechts mit ihren Einkünften iSd § 21 Abs 2 und Abs 3 KStG beschränkt steuerpflichtig. Nach § 21 Abs 2 KStG erstreckt sich bei beschränkt Steuerpflichtigen iSd § 21 Abs 3 Z 2 und Z 3 KStG die Steuerpflicht auf Einkünfte, bei denen die Steuer durch Steuerabzug erhoben wird. Eine Befreiung von der beschränkten Steuerpflicht besteht jedoch gem § 21 Abs 2 Z 3 vierter Teilstrich KStG für Kapitalerträge, die „einer Versorgungs- oder Unterstützungseinrichtung einer Körperschaft des öffentlichen Rechts [...] nachweislich zuzurechnen sind“. Eine „nachweisliche Zurechnung“ iSd § 21 Abs 2 Z 3 vierter Teilstrich KStG setzt jedoch – wie der Verwaltungsgerichtshof bereits im Erkenntnis vom 27. 3. 2019, Ro 2016/13/0006 ausgesprochen hat – voraus, dass das die Kapitalerträge abwerfende Vermögen (von vornherein) dem begünstigten Versorgungs- oder Unterstützungszweck gewidmet ist. Dem Erfordernis der „nachweislichen Zurechnung“ wird zudem nur durch eine eindeutige Zuordnung des Kapitals zur Versorgungs- und Unterstützungseinrichtung Genüge getan, die einer entsprechenden Dokumentation bedarf (etwa in Form eines gesonderten Rechnungskreises, vgl in diesem Sinne Achatz in Achatz/Kirchmayr, KStG § 21 Tz 378).

Der VwGH hält sodann fest, dass die Dokumentation der Bankkonten und Wertpapierdepots, welche die Revisionswerberin ihrer Versorgungs- und Unterstützungseinrichtung zugeordnet wissen will, für sich genommen noch nicht sämtliche Voraussetzungen des § 21 Abs 2 Z 3 vierter Teilstrich KStG erfüllen kann. Die steuerliche Entlastung durch den Wegfall der KESt gem § 94 Z 6 lit c EStG und gem § 21 Abs 2 Z 3 vierter Teilstrich KStG soll – so der VwGH – nämlich gerade einen Anreiz schaffen, Vermögen für die begünstigten Zwecke von Versorgungs- und Unterstützungseinrichtungen zu binden. Während die revisionswerbende Gebietskörperschaft im Verfahren vorgebracht hatte, dass auch eine Zuführung zu einer gebundenen Rücklage zu einer dauerhaften Zweckbindung geführt hätte, verwarf der VwGH diese Argumentation und bestätigte vielmehr die vom BFG gezogene Schlussfolgerung, dass eine dauerhafte Widmung des veranlagten Kapitals von Anfang an nicht beabsichtigt war. Im Ergebnis besteht für den VwGH kein Zweifel, dass eine für die Inanspruchnahme der Steuerbefreiung erforderliche „nachweisliche Zurechnung“ des Vermögens fehlte. Entgegen dem Revisionsvorbringen reicht die Einrichtung und Bezeichnung von eigenen Konten und Depots zur Vermittlung der Steuerfreiheit erzielter Kapitalerträge nicht aus, wenn nicht von vornherein auch eine tatsächliche und ausschließliche Bindung des veranlagten Kapitals für den begünstigten Zweck sichergestellt ist. Die Befreiungen iSd § 21 Abs 2 Z 3 vierter Teilstrich KStG iVm § 94 Z 6 lit c vierter Teilstrich EStG setzen letztlich eine klare Abgrenzung des Kapitals vom sonstigen Vermögen der KöR voraus (Kirchmayr in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, EStG16 § 94 Rz 117). Weiters tritt der VwGH dem Argument der Revisionswerberin entgegen, dass für das tatsächlich zum Zweck der Versorgungs- und Unterstützungseinrichtung veranlagte Kapital zumindest anteilig eine Befreiung zu gewähren wäre. Der VwGH führt dazu aus, dass eine solche Aufteilung der Steuerbefreiung eine Berechnung des Verhältnisses von begünstigter und nicht begünstigter Verwendung erfordern würde, und hält fest, dass die Voraussetzungen der Steuerbefreiung bereits im Zeitpunkt des Anfallens der Erträge feststehen müssen. Eine vorhergehende verbindliche Zweckwidmung ist für die Anwendung von § 21 Abs 2 Z 3 vierter Teilstrich KStG wie auch § 94 Z 6 lit c EStG daher – so der VwGH – unabdingbar. Die Revision wurde folglich als unbegründet abgewiesen.

Conclusio

Die Entscheidung ist aus rechtlichen und aus politischen Gründen interessant. Der schnelle Leser stellt sich zunächst die Frage, warum der Aktienerlös von 667,4 Mio Euro im Jahr 2008 überhaupt steuerlich relevant sein sollte, waren realisierte Wertsteigerungen doch bis 2012 (siehe § 124b Z 184 und Z 185 EStG) nur im Rahmen von betrieblichen Einkünften und Spekulationseinkünften steuerbar. Erst auf den zweiten Blick wird deutlich, dass es gar nicht um eine etwaige Befreiung der Erlöse aus dem Aktienverkauf, sondern um die aus dem erworbenen Kapital bezogenen Früchte geht, die freilich schon vor 2012 steuerbar waren. Rückschlüsse auf die tatsächlich strittigen steuerbaren Einkünfte lassen sich aus der Entscheidung des VwGH nämlich nicht ziehen; das zugrundeliegende Erkenntnis des BFG wurde – bedauerlicherweise – nicht veröffentlicht. Über den streitgegenständlichen Steuerbetrag lässt sich folglich nur spekulieren. Es ist jedenfalls rechtsstaatlich äußerst bedenklich, dass das Erkenntnis des BFG (BFG 17. 12. 2021, RV/5100901/2016) und damit der zugrundeliegende Sachverhalt – gerade ob des Umstandes, dass hier offensichtlich öffentliche Mittel iHv 667,4 Mio Euro (!) in Rede stehen – der Öffentlichkeit verborgen bleibt (zu Recht kritisch zur Veröffentlichungspraxis des BFG, siehe Staringer, Akte X – die geheimen Fälle des Bundesfinanzgerichts, AVR 2021, 12 ff).

Die Erfolgschancen der Revisionswerberin waren jedenfalls denkbar schlecht: Schon nach dem Gesetzeswortlaut verlangen sowohl die steuerliche Nichterfassung von Versorgungs- und Unterstützungseinrichtungen gem § 21 Abs 2 Z 3 vierter Teilstrich KStG als auch deren KESt-Befreiung nach § 94 Z 6 lit c vierter Teilstrich EStG ausdrücklich, dass der Einrichtung die entsprechenden Kapitaleinkünfte „nachweislich zuzurechnen“ sind. Wenn die revisionswerbende oberösterreichische Gebietskörperschaft offen darlegt, dass eine Zuweisung in die gebundene Rücklage für Pensionsaufwendungen unterblieben ist, weil die Mittel sonst zweckgebunden gewesen wären, lässt sich nur schwerlich ins Treffen führen, dass man das Kapital einer unselbständigen Versorgungs- und Unterstützungseinrichtung für die Altersvorsorge von Landesbeamten zurechnen wollte. Es entspricht gerade dem evidenten Telos von § 21 Abs 2 Z 3 vierter Teilstrich KStG und § 94 Z 6 lit c vierter Teilstrich EStG, durch die Steuerbefreiung der zugrundeliegenden Kapitaleinkünfte einen positiven Anreiz für die Zweckwidmung von Kapital für solche Versorgungs- und Unterstützungseinrichtungen zu schaffen. Gerade wenn solche Einrichtungen als unselbständige Teile einer KöR bestehen, bedarf es für die Inanspruchnahme von § 21 Abs 2 Z 3 vierter Teilstrich KStG und § 94 Z 6 lit c EStG einer klaren und nachweisbaren Abgrenzbarkeit dieser Einrichtung innerhalb der jeweiligen KöR (EStR 2000, Rz 7768 und KStR 2013, Rz 1506; Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, EStG19 § 94 Rz 117). Diesen Nachweis konnte die Revisionswerberin nicht erbringen. Das bringt die Konsequenz mit sich, dass auf die zugeflossenen Kapitalerträge 25 % KESt anfällt und zwar – wie bereits betont – auch auf jene Teile des Kapitals, die letztlich tatsächlich für die Altersvorsorge von Landesbeamten verwendet wurden. Es wäre nicht verwunderlich, wenn der Fall auch mediales Interesse nach sich zöge; vor allem weil die Steuerbelastung der strittigen Kapitaleinkünfte – zumindest hinsichtlich der Altersvorsorge gewidmeten Kapitalanteile – leicht vermeidbar gewesen wäre.

Artikel-Nr.
Rechtsnews Nr. 33735 vom 02.03.2023