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Abstract
Im Zuge der EAS 3445 hatte sich das BMF mit der Frage auseinanderzusetzen, ob die Homeoffice-Tätigkeit einer im Rechnungswesen beschäftigten Mitarbeiterin eine Betriebsstätte der Arbeitgeberin begründet. Das BMF verneinte dies aufgrund des Umstandes, dass die Mitarbeiterin drei Tage pro Woche am eigenen und ständig zur Verfügung stehenden Arbeitsplatz bei der Arbeitgeberin tätig war. Folglich ging das BMF davon aus, dass die Arbeitgeberin das Arbeiten im Homeoffice nicht verlangt und somit eine faktische Verfügungsmacht über das Homeoffice nicht vorliegt.
DBA-Deutschland (BGBl III 2002/182): Art 5
EAS 3445 vom 7. 7. 2023, 2023-0.082.774
Sachverhalt
Eine in Österreich (Ö) ansässige Person war bei einer in Deutschland ansässigen geschäftsleitenden Holding AG im Rechnungswesen beschäftigt. Die Mitarbeiterin arbeitete dauerhaft drei Tage pro Woche in den Räumlichkeiten der AG in Deutschland und zwei Tage pro Woche in ihrer Privatwohnung in Österreich. Das BMF hatte sich im Rahmen einer EAS-Auskunft mit der Frage zu befassen, ob die Holding AG durch Tätigkeit der Mitarbeiterin im Homeoffice in Ö eine Betriebsstätte begründet hat.
Anfragebeantwortung des BMF
Durch die Tätigkeit im Homeoffice kann nach der geltenden österreichischen Verwaltungspraxis grundsätzlich eine faktische Verfügungsmacht über eine inländische feste örtliche Einrichtung begründet werden, sodass vom Vorliegen einer Betriebsstätte auszugehen ist (Hinweis auf EAS 3415). Gegen das Vorliegen einer Betriebsstätte kann jedoch sprechen, dass die Tätigkeit lediglich sporadisch oder gelegentlich im Homeoffice ausgeübt wird. Außerdem liegt keine Betriebsstätte vor, wenn die ausgeübte Tätigkeit als Hilfstätigkeit anzusehen ist (Hinweis auf OECD-MK Art 5 Rz 18). Schließlich ist auch dann nicht vom Vorliegen einer Betriebsstätte auszugehen, wenn keine faktische Verfügungsmacht des Arbeitgebers über die inländische feste örtliche Einrichtung vorliegt.
Aufgrund der Nutzung des Homeoffice von zwei Tagen pro Woche kann nach Ansicht des BMF im vorliegenden Fall nicht von einer bloß gelegentlichen Nutzung gesprochen werden, die das Vorliegen einer Betriebsstätte ausschließen würde (Hinweis auf VPR 2021, Rz 262). Zudem ist nicht vom Vorliegen einer bloßen Hilfstätigkeit iSd Art 5 Abs 4 DBA-Deutschland auszugehen. Eine solche Hilfstätigkeit liegt nämlich nur vor, wenn die infrage stehende Tätigkeit nicht das Kerngeschäft der Gesellschaft bildet. Im vorliegenden Fall ist die Arbeit im Rechnungswesen jedoch gerade als das Kerngeschäft anzusehen, weil die Holding AG selbst keine Tätigkeiten im operativen Kerngeschäft des Konzerns (insb keine Forschung und Entwicklung, keine Produktion, keinen Vertrieb) erbringt, sie jedoch gegenüber verbundenen Unternehmen eine Vielzahl typischer Zentraldienstleistungen (zB Rechnungswesen, Legal, IT, Personal etc) leistet (Hinweis auf EAS 3432 mit Verweis auf OECD-MK Art 5 Rz 61). Der Ausnahmetatbestand des Art 5 Abs 4 DBA-Deutschland im gegenständlichen Fall daher nicht erfüllt.
Das Vorliegen der faktischen Verfügungsmacht ist auf Grundlage des OECD-MK dann zu verneinen, wenn der Arbeitgeber vom Mitarbeiter die Tätigkeit im Homeoffice nicht verlangt, indem der Mitarbeiter einen Arbeitsplatz zur ständigen Benutzung zur Verfügung gestellt bekommt und dieser auch tatsächlich genutzt wird (Hinweis auf OECD-MK Art 5 Rz 18 f). Im vorliegenden Fall wird die Tätigkeit drei Tage pro Woche an einem ständig zur Verfügung stehenden eigenen Arbeitsplatz beim Arbeitgeber ausgeübt, weshalb davon auszugehen ist, dass der Arbeitgeber das Arbeiten im Homeoffice nicht verlangt und somit keine faktische Verfügungsmacht über das Homeoffice vorliegt. Die Holding AG hat somit keine Betriebsstätte gem Art 5 Abs 1 DBA-Deutschland begründet.
Offen lässt der OECD-MK indes, ob das „Nicht-Verlangen“ der Tätigkeit im Homeoffice bei Führungspersonal oder leitenden Angestellten gleichermaßen gegen die Begründung einer Betriebsstätte spricht. Diese Frage ist aktuell auf internationaler Ebene noch ungeklärt. Allein der Umstand, dass die Tätigkeit im Homeoffice auf Wunsch der Mitarbeiterin erfolgt, ist für die Beurteilung einer Betriebsstätte in einem solchen Fall nicht maßgeblich.
Conclusio
Die Frage, ob durch eine Tätigkeit eines Mitarbeiters im Homeoffice eine Betriebsstätte des Arbeitgebers begründet wird, hat das BMF in der Vergangenheit regelmäßig im Zuge von EAS-Auskünften beschäftigt (siehe zB EAS 1521, EAS 1763, EAS 2966, EAS 3415 oder EAS 3432; für einen umfassenden Überblick zum Thema siehe zB S. Bendlinger/V. Bendlinger, SWI 2022, 436 ff).
Die zentrale Frage dabei ist, ob dem Arbeitgeber durch die Tätigkeit des Mitarbeiters im inländischen Homeoffice Verfügungsmacht über eine inländische feste örtliche Einrichtung zukommt. Nach Ansicht des BMF genügt dabei bereits auch eine „faktische Verfügungsmacht“, was in der Literatur überwiegend kritisch gesehen wird (siehe zB Häusler, SWI 2021, 62; S. Bendlinger/V. Bendlinger, SWI 2022, 451; aA Kerschner, ÖStZ 2021, 386 f). Jedenfalls betriebsstättenbegründend sind dem OECD-MK und auch dem BMF zufolge Konstellationen, in denen der Arbeitgeber vom Mitarbeiter das Arbeiten im Homeoffice verlangt (OECD-MK Art 5 Rz 18 f; dazu kritisch zB S. Bendlinger/V. Bendlinger, SWI 2022, 449, die darauf hinweisen, dass dies zu willkürlichen Ergebnissen führen kann). Im vorliegenden Fall hat das BMF aus dem Umstand, dass der Mitarbeiterin bei der Arbeitgeberin ständig ein eigener Arbeitsplatz zur Verfügung steht, geschlossen, dass die Nutzung des Homeoffice gerade nicht verlangt wird und somit nicht von einer faktischen Verfügungsmacht auszugehen ist.
Bemerkenswert erscheint die vom BMF in der vorliegenden EAS vorgenommene Konkretisierung, ab welchem Ausmaß der Nutzung des Homeoffice nicht mehr von einer „bloß gelegentlichen Nutzung“ und somit vom Vorliegen einer Betriebsstätte auszugehen ist: Während in den VPR 2021, Rz 262 lediglich vertreten wird, dass eine Tätigkeit von 25 % der Gesamtarbeitszeit im Homeoffice „typischerweise“ als „bloß gelegentlichen Nutzung“ gilt (siehe auch EAS 3323) und dies bei einer Nutzung über 50 % nicht mehr der Fall ist (siehe auch EAS 3415), führen der vorliegenden EAS zufolge bereits zwei von fünf Tagen zum Vorliegen einer „nicht gelegentlichen Nutzung“. Gleichwohl die gegenständliche EAS ohne die Nennung konkreter Prozentwerte auskommt, wird somit anzunehmen sein, dass die Finanzverwaltung bereits ab einer Nutzung im Ausmaß von 40 % der Gesamtarbeitszeit von einem potenziell betriebsstättenbegründenden Homeoffice ausgeht.
Abschließend ist fraglich, inwiefern das Kriterium des „Nicht-Verlangens“ der Homeoffice-Tätigkeit gleichermaßen auch bei Führungspersonal oder leitenden Angestellten gegen die Begründung einer Betriebsstätte spricht. Während das BMF in der vorliegenden EAS zwar darauf hinweist, dass diese Frage „aus heutiger Sicht auf internationaler Ebene noch ungeklärt“ ist, scheint sich das BMF hier eine Differenzierung zu regulären Arbeitnehmern zumindest vorstellen zu können. Nach S. Bendlinger/Rosenberger ist jedoch „nicht nachvollziehbar und aus dem OECD-MK auch nicht ableitbar“, warum in dieser Frage für Führungskräfte ein anderer Maßstab gelten sollte (S. Bendlinger/Rosenberger, SWI 2023, 879).